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Ersteinschätzung der Dringlichkeit von Rettungswageneinsätzen und Betrachtung alternativer Versorgungspfade – Lösungsansätze nach einer Pilotstudie
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Veröffentlicht: | 23. September 2024 |
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Hintergrund: Die stetige Zunahme von Hilfeersuchen von Notfall- und Akutpatient:innen und deren geeignete Versorgungszuweisung stellt auch im Rettungsdienst eine wachsende Herausforderung dar. Hierbei spielt auch der große Anteil an Rettungswageneinsätzen bei Akutpatient:innen mit primärversorgungssensitiven Krankheitsbildern oder Beratungsanlässen ohne rettungsdienstliche Interventionsmöglichkeiten eine wesentliche Rolle.
Fragestellung: Wie häufig sind medizinisch nicht indizierte Rettungswageneinsätze und welche alternativen Behandlungsmöglichkeiten wären in diesen Fällen adäquat?
Welche Schwierigkeiten ergeben sich bei dem gewählten Studiendesign?
Methoden: Es wurde eine explorative, nicht-interventionelle, multizentrische Querschnittstudie mit quantitativem Ansatz im Rettungsdienstbereich Ludwigshafen durchgeführt. Die Daten für die Primärdatenbasis wurden studienspezifisch mithilfe eines für diese Studie neu entwickelten Online-Fragebogens für das Rettungsfachpersonal erfasst. Zusätzlich wurden Sekundärdaten der zuständigen Leitstelle verknüpft und anschließend deskriptiv und regressionsanalytisch ausgewertet.
Ergebnisse: Nach einer 15-wöchigen Datenerhebungsphase konnten 634 Datensätze ausgewertet werden. 221 (34,86%) Einsätze waren indiziert. Bei 79 (12,46%) Einsätzen hätte ein Krankentransportwagen ausgereicht und 328 (51,74%) Einsätze waren aus Sicht des Rettungsfachpersonals nicht indiziert, vermehrt bei jüngeren Patientengruppen und niedriger Alarmierungspriorität. Häufigste vorgeschlagene alternative Versorgung war mit n=166 eine hausärztliche Konsultation im Verlauf, selbstständige Krankenhausvorstellung (n=139) und hausärztlicher Hausbesuch (n=123).
Diskussion: Nach unserem Kenntnisstand ist dies die erste Beobachtungsstudie, bei der die Bewertung bezüglich der Indikation/Dringlichkeit von Rettungswageneinsätzen mit Fokus auf Erwägung alternativer Behandlungskonzepte präklinisch durch geschultes Rettungsfachpersonal und nicht nachträglich in der Klinik erfolgte. Bei einer breit angelegten Folgestudie sollten zur Erleichterung der Dokumentation die Anzahl der prägnanten Fragen nochmals gekürzt und die Antworten mittels digitaler Sprachrecorder gespeichert und später transkribiert oder über vorhandene digitale Einsatzdokumentationstools erfasst werden. Das erhöht voraussichtlich die Anzahl der erfassten Fälle und reduziert damit eine Recall-Bias bzw. die überproportional häufige Erfassung nicht indizierter Einsätze.
Take Home Message für die Praxis: Die Pilotstudie zeigte trotz einiger Limitationen, dass viele Rettungswageneinsätze nicht indiziert sind und die präklinische Einschätzung von Akutpatient:innen durch Rettungsfachpersonal zur Verbesserung der Patient:innensteuerung beitragen kann. Hierzu werden prägnante, gleichzeitig verlässliche Entscheidungshilfen für Akutpatient:innen ohne notfallmedizinischen Interventionsbedarf auch im Rettungsdienst benötigt.