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Hausärztliche Verordnung und patientenseitige Inanspruchnahme von Physiotherapie bei Patient:innen mit Schwindel- und/oder Gleichgewichtsstörungen – Ergebnisse aus der Kohortenstudie MobilE-TRA
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Veröffentlicht: | 15. September 2022 |
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Hintergrund: Schwindel- und/oder Gleichgewichtsstörungen (S/G) bei älteren Menschen sind komplexe Gesundheitsprobleme und häufige Beratungsanlässe in der Hausarztpraxis. Leitlinienbasierte Behandlungsansätze umfassen Beratung, medikamentöse Maßnahmen und Physiotherapie. Studien zeigen, dass Physiotherapie einen positiven Einfluss auf das Gleichgewicht und das Sturzrisiko bei Patient:innen mit S/G haben kann. Während der Anteil hausärztlicher Physiotherapieverordnungen bei Schwindel zwischen 4,4% und 41,3% liegt, existieren für die tatsächliche Inanspruchnahme der Physiotherapie durch die Patient:innen bisher keine Daten.
Fragestellung: Wie hoch ist der Anteil hausärztlich verordneter Physiotherapie im Rahmen der Behandlung bei S/G in der Stichprobe der Kohortenstudie MobilE-TRA? Wie häufig wird diese von Patient:innen in Anspruch genommen? Liegen dabei patientenseitige und regionale Unterschiede vor?
Methoden: In der multizentrischen Kohortenstudie MobilE-TRA wurden Patient:innen ab 65 Jahren mit neu diagnostizierten S/G in 17 Hausarztpraxen in Bayern und Sachsen befragt. Die Datenerhebung fand von 09/2017–10/2019 statt. Die hausärztliche Verordnung und patientenseitige Inanspruchnahme von Physiotherapie wurden mittels validierten und selbstentwickelten Fragebögen erhoben. Die erhobenen Daten wurden deskriptiv (MW, Häufigkeiten) und regionale Verteilungsunterschiede anhand des Chi-Quadrat-Tests mit IBM SPSS Statistics 28 analysiert.
Ergebnisse: Die Stichprobe umfasst 158 Patient:innen mit S/G. 16% der Patient:innen haben aufgrund von S/G Physiotherapie verordnet bekommen (keine Verteilungsunterschiede). Der Anteil der Nicht-Inanspruchnahme lag bei 32% (Bayern 53,8%; Sachsen 8,3%) mit einem signifikanten regionalen Verteilungsunterschied (c2 (N = 25) = 5,94; p = 0,030).
Diskussion: Als mögliche Ursachen für die regionalen Unterschiede der Nicht-Inanspruchnahme könnten u.a. die Verfügbarkeit von Physiotherapie oder auch Unterschiede bei der Wahrnehmung von Physiotherapie vermutet werden. Um die tatsächlichen Gründe der Nicht-Inanspruchnahme und somit über die Ursache dieser regionalen Unterschiede zu erfahren wäre ein ergänzendes, ggf. qualitatives, Vorgehen notwendig.
Take Home Message für die Praxis: Motive der Nicht-Inanspruchnahme verordneter Therapie sollten zukünftig stärker in Forschung und Praxis adressiert werden, um Patient:innenverhalten zu verstehen und dieses bei der Planung einer adhärenten Therapie berücksichtigen zu können.