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56. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

15. - 17.09.2022, Greifswald

Effektivität der Patientensteuerung in der ambulanten Notfallversorgung durch die computergestützte strukturierte Ersteinschätzung in den Telefonzentralen der Kassenärztlichen Vereinigungen – Ergebnisse der Patientenbefragung im Rahmen des DEMAND-Projekts

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Ingmar Schäfer - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Hamburg, Deutschland
  • Agata Menzel - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Hamburg, Deutschland
  • Dagmar Lühmann - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Hamburg, Deutschland
  • Martin Scherer - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Hamburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 56. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Greifswald, 15.-17.09.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocV-22-05

doi: 10.3205/22degam125, urn:nbn:de:0183-22degam1254

Veröffentlicht: 15. September 2022

© 2022 Schäfer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Viele Patienten mit niedrigdringlichen Konsultationsanlässen nehmen Notfallambulanzen von Krankenhäusern in Anspruch. Überfüllte Notaufnahmen können die Patientensicherheit gefährden, z.B. wenn sich dadurch diagnostische und Behandlungsprozesse verzögern. 2020 wurde die computergestützte Ersteinschätzung SmED in den Telefonzentralen der Kassenärztlichen Vereinigungen implementiert. Sie zielte darauf ab, Patienten über eine Einschätzung der Behandlungsdringlichkeit auf das Behandlungssetting zu steuern, das für ihre gesundheitlichen Probleme am besten geeignet ist.

Fragestellung: Zu welchem Ausmaß wurde den Empfehlungen gefolgt? Welches alternative Setting wurde ggf. gewählt? Wodurch lässt sich eine Abweichung von der Empfehlung vorhersagen?

Methoden: Acht KVen lieferten jeden Monat im Beobachtungszeitraum die Adressdaten potentieller Studienteilnehmer. Patienten unter 18 Jahren und ohne korrekte Postadresse wurden ausgeschlossen. Eine Zufallsauswahl von 10.000 geeigneten Individuen wurde kontaktiert. In der schriftlichen Befragung wurden neben soziodemographischen Daten auch Gesundheitskompetenz (HLS-Q16-EU) und Depressivität (PHQ-4) erfasst. Datenanalyse erfolgte deskriptiv sowie mit logistischer Regression in gemischten Mehrebenenmodellen. Studienregistrierung: DRKS00017014.

Ergebnisse: 1.756 Individuen wurden eingeschlossen (Rücklaufquote: 18,5%). Das Durchschnittsalter war 62,5 Jahre und 59,0% waren männlichen Geschlechts. 33,7% hatten Hauptschulabschluss oder keinen Abschluss und 23,0% Hochschulabschluss. 85,9% der Patienten waren in Deutschland geboren. 22,4% hatten inadäquate und 36,2% problematische Gesundheitskompetenz. 85,4% folgten mindestens einer Empfehlung, wobei die Hausarztpraxis (68,4%) am schlechtesten genutzt wurde. Abweichung von der Empfehlung war mit dem empfohlenen Setting (Odds Ratio: 2,94 bis 7,69), Depressivität (1,33) und vergangenen Krankenhausbehandlungen (1,22) assoziiert.

Diskussion: Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund werden von der Intervention nicht gut erreicht. Allerdings schien die Nutzungsbereitschaft vom Bildungsstand weitgehend unabhängig zu sein und viele Menschen mit schlechter Gesundheitskompetenz nutzten die Intervention. Auch wenn Nichtbefolgung der Empfehlung von dem empfohlenen Setting abhängt, ist bei der Nutzung von Alternativen keine klare Tendenz erkennbar.

Take Home Message für die Praxis: Hausärztliche Versorgung ist kein Notfallsetting, was sich auch in im Vergleich schlechteren Nutzungsraten zeigt. Zwei von drei Patienten in der Notfallversorgung, denen die Nutzung der hausärztlichen Versorgung empfohlen wurde, sind trotzdem bereit, dieser Empfehlung zu folgen.