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56. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

15. - 17.09.2022, Greifswald

Krankheitserleben von COVID-19-Patient:innen in der hausärztlichen Versorgung: eine Mixed-methods-Studie

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Sandra Parisi - Universitätsklinikum Würzburg (UKW), Institut für Allgemeinmedizin, Würzburg, Deutschland
  • Nina Lehner - Universitätsklinikum Würzburg (UKW), Institut für Allgemeinmedizin, Würzburg, Deutschland
  • Hanna Schrader - Universitätsklinikum Würzburg (UKW), Institut für Allgemeinmedizin, Würzburg, Deutschland
  • Leonard Kierer - Universitätsklinikum Würzburg (UKW), Institut für Allgemeinmedizin, Würzburg, Deutschland
  • Gabor Borgulya - Universitätsklinikum Würzburg (UKW), Institut für Allgemeinmedizin, Würzburg, Deutschland
  • Gernot Rüter - Universität Tübingen, Akademische Lehrarztpraxis, Mentoring-Team der Kompetenzbasierten Weiterbildung Baden-Württemberg KWBW, Tübingen, Deutschland
  • Annika Viniol - Philipps-Universität Marburg, Abteilung für Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin, Marburg, Deutschland
  • Ildikó Gágyor - Universitätsklinikum Würzburg (UKW), Institut für Allgemeinmedizin, Würzburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 56. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Greifswald, 15.-17.09.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocV-15-05

doi: 10.3205/22degam087, urn:nbn:de:0183-22degam0877

Veröffentlicht: 15. September 2022

© 2022 Parisi et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die medizinische Betreuung von COVID-19-Patient:innen findet in Deutschland größtenteils in häuslicher Isolierung statt. Es gibt bisher wenige Studien, die dieses neue Versorgungsszenario und das ganzheitliche Krankheitserleben von COVID-19-Patient:innen untersuchen.

Fragestellung: Ziel der Studie war die Exploration der Erfahrungen von hausärztlich betreuten COVID-19-Patient:innen. Zudem sollten fortbestehende Herausforderungen nach initialer Pandemieanpassung des deutschen Gesundheitswesens identifiziert werden.

Methoden: Im Rahmen eines konvergenten Mixed-methods-Triangulationsdesigns wurden eine Fragebogenerhebung sowie semi-strukturierte qualitative Telefoninterviews durchgeführt. Quantitative Daten wurden mittels deskriptiver Statistik und der Analyse von Gruppenunterschieden ausgewertet. Zudem erfolgte eine inhaltlich strukturierende Inhaltsanalyse der Fragebogenfreitexte und Telefoninterviews.

Ergebnisse: Im Zeitraum August 2020 bis April 2021 wurden durch 145 Hausarztpraxen 1.100 erwachsene Teilnehmer mit zurückliegender COVID-19-Erkrankung aus allen deutschen Bundesländern rekrutiert. Hiervon nahmen 42 an Telefoninterviews teil. Der Erkrankungsbeginn lag zwischen Februar 2020 und April 2021. Nach der ersten Infektionswelle wurden mehr Menschen während ihrer Erkrankung positiv auf Sars-CoV2 getestet (88.8%; 95.2%; P<0.001). Die Wartezeit für Tests (Mittel 4.5 Tage, SD 4.1; 2.7 Tage, SD 2.6, P<0.001) und Testergebnisse (Mittel 2.4 Tage, SD 1.9; 1.8 Tage, SD 1.3, P<0.001) sank. Mehrfachtestungen und die Verfügbarkeit von Schnelltests reduzierten Ängste und Unsicherheiten während des Diagnoseprozesses.

Die Mehrzahl der Patient:innen wurde telefonisch betreut (78.5%). Videosprechstunden blieben insignifikant (1.9%), wohingegen die persönliche Betreuung zunahm (6.8%; 15.5%, P<0.001). Der Krankheitsverlauf, die Wohnsituation, das soziale Umfeld, sowie der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Resilienz, Spiritualität und Schuldgefühle beeinflussten das Krankheitserleben. Als fortbestehende Herausforderungen wurden Probleme bei der Kontaktnachverfolgung, sowie die adäquate medizinische Versorgung während der Isolation beschrieben.

Diskussion: Die Versorgung in häuslicher Isolation stellt die regelhafte Alternative zu stationärer Isolation während Epidemien dar. Die Lebensrealität der Patient:innen muss hierbei mitberücksichtigt werden.

Take Home Message für die Praxis: Eine als niederschwellig ansprechbar wahrgenommene Bezugsperson innerhalb des Gesundheitswesens half gegen Ängste vor einem schweren Verlauf und gegen das Gefühl alleingelassen zu sein.