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Auswirkungen bereits bestehender Traumata auf den Schweregrad psychischer Belastung nach intensivmedizinischer Behandlung
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Veröffentlicht: | 15. September 2022 |
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Hintergrund: Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) betrifft etwa 20% der Patienten in den ersten 12 Monaten nach intensivmedizinischer Behandlung. Patienten mit einer psychosozialen Vorbelastung durch bereits erlebte Traumata könnten hiervon besonders betroffen sein.
Fragestellung: Welchen Einfluss haben verschiedene Formen vortraumatischer Erlebnisse auf die Ausprägung von PTBS-, Angst- und Depressionssymptomen nach intensivmedizinischer Behandlung?
Methoden: Im Rahmen der multizentrischen, randomisiert-kontrollierten Studie „PICTURE“, erhalten Patient:innen mit mittelschweren PTBS-Symptomen nach intensivmedizinischer Behandlung eine gesprächstherapiebasierte Kurzintervention durch ihr hausärztliches Praxisteam. Zur Beurteilung der psychischen Belastung der Patient:innen vor Studieneinschluss, werden neben einer möglichen Vortraumatisierung, der Schweregrad von PTBS- (Posttraumatic-Diagnostic-Scale; PDS-5), Angst- (Overall-Anxiety-and-Impairment-Scale; OASIS) und Depressionssymptomen (Patient-Health-Questionnaire; PHQ-9) mittels Fragebögen erhoben.
Ergebnisse: 212 erwachsene Patient:innen (mittlere ICU-Aufenthaltsdauer M=15,0; SOFA-Maximalwert 21) wurden für diese Analyse betrachtet. Hierunter befinden sich 58 Patient:innen mit einer Vortraumatisierung (darunter insbesondere erlebter Kindesmissbrauch(n=27), Verlust nahestehender Personen und Unfälle). 154 Patient:innen verneinten Vortraumatisierungserlebnisse. Patient:innen mit Vortraumatisierung zeigten in allen Messinstrumenten zur psychischen Gesundheit signifikant höhere Werte: PDS-5 (p<0,001), PHQ-9- (p=0,001) und OASIS (p=0,036).
Im statistischen Vergleich der selbst berichteten Vortraumatisierungen, zeigten Patient:innen mit erlebtem Kindesmissbrauch deutlichere PTBS- und Depressions- Symptome als Patient:innen, die eine andere Art der Vortraumatisierung berichteten (PDS-5 5 Mdn=39 vs. Mdn=30 (p=0,043); PHQ-9 Mdn=14 vs. Mdn=9,5 (p=0,023)). Bei den erfassten Angstsymptomen konnte kein statistisch signifikanter Unterschied in Bezug auf die Art zuvor erlebter Traumata festgestellt werden (OASIS (p=0,69)).
Diskussion: Traumatischer Erfahrungen vor einem intensivmedizinischen Aufenthalt scheinen einen deutlichen Einfluss auf den Schweregrad nachfolgender psychischer Belastung zu haben. Ein selbst erlebter Kindesmissbrauch scheint dabei besonders relevant für das Ausmaß der Entwicklung einer PTBS- und Depressionssymptomatik zu sein.
Take Home Message für die Praxis: Bereits vortraumatisierte Patient:innen haben ein deutlich erhöhtes Risiko für eine ausgeprägtere psychische Belastung nach Intensivmedizinsicher Behandlung, so dass hier frühzeitig eine passende ambulante Nachsorge erfolgen sollte.