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Screening für somatoforme Diagnosen und auffällige Persönlichkeitsmerkmale in der Hausarztpraxis
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Veröffentlicht: | 15. September 2022 |
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Hintergrund: Somatoforme Störungen treten schätzungsweise zu 20–36% bei Patient:innen in Hausarztpraxen auf. In den Diagnosekriterien der somatischen Belastungsstörung nach DSM-5 wird auf den Ausschluss einer medizinischen Erklärung verzichtet. Stattdessen stehen exzessive Gedanken, Ängste und Verhaltensweisen bezogen auf die Beschwerden im Vordergrund. Dass kategoriale Persönlichkeitsstörungen und somatoforme Beschwerden häufig zusammen auftreten, wurde bereits mehrfach gezeigt. Die Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen hat sich in den neueren Diagnosesystemen nun von einer kategorialen zu einer dimensionalen Diagnostik verändert. In dieser Untersuchung wurden zwei gut validierte Screening Instrumente, die Somatic Symptom Disorder Scale (SSD-12) sowie das Patient Health Questionnaire (PHQ-15), zur Erfassung der somatischen Belastungsstörung verglichen und Zusammenhänge mit den Big Five Persönlichkeitsmerkmalen untersucht.
Fragestellung: 1. Wie häufig ergeben sich bei hausärztlichen Patient:innen Hinweise auf das Vorliegen einer somatischen Belastungsstörung im SSD-12, im PHQ-15 und in beiden Instrumenten? 2. Wie stark korrelieren Persönlichkeitsmerkmale mit den Screeningergebnissen?
Methoden: Die Daten einer 2016 durchgeführten Querschnittsstudie mit konsekutiven Hausarztpatient:innen (N=420) wurden re-analysiert, nachdem 2021 Cut-off-Werte zur Interpretation des SSD-12 publiziert wurden. Die Häufigkeit von „auffälligen“ Screeningergebnissen im SSD-12 (der exzessive Gedanken, Ängste und Verhaltensweisen erfasst; cut-off≥23) und PHQ-15 (der die Symptombelastung erfasst cut-off≥9) wurde überprüft, sowie Korrelationen mit dem BFI-K ausgewertet.
Ergebnisse: Bei 51 (12%) Patient:innen ergab sich im SSD-12 ein „auffälliger“ Screeningwert, bei 117 (28%) im PHQ-15 (≥9) und bei 38 (9%) in beiden Instrumenten (Kappawert zur Übereinstimmung 0,34; Korrelation zwischen den Summenscores r=0,55). Eine relevante Korrelation (r>0,3) mit beiden Instrumenten zeigte sich mit dem Persönlichkeitsmerkmal „Neurotizismus“.
Diskussion: SSD-12 und PHQ-15 klassifizieren unterschiedliche Patient:innen als „auffällig“; der PHQ-15 klassifizierte außerdem deutlich mehr Patient:innen als „auffällig“.
Take Home Message für die Praxis: Da das Hinzuziehen des SSD-12 beim Screening auf die somatische Belastungsstörung zu einer kleineren Verdachtsgruppe führt, spielt der SSD-12 in Hausarztpraxen möglicherweise eine größere Rolle. Bislang zeigt sich ein Zusammenhang zwischen Neurotizismus und somatoformen Beschwerden. Weitere Studien müssen zeigen, ob und inwiefern Persönlichkeitsmerkmale einen Einfluss haben.