gms | German Medical Science

55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Lübeck, 16. - 18.09.2021

Hausärztliche Leitlinie ‚Multimedikation‘ – Empfehlungen zum Umgang mit Multimedikation bei Erwachsenen und geriatrischen Patient*innen (S3-LL, AWMF-Register-Nr.: 053 – 043)

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Maria-Sophie Brueckle - Goethe-Universität, Institut für Allgemeinmedizin, Deutschland
  • Truc Sophia Dinh - Goethe-Universität, Institut für Allgemeinmedizin, Deutschland
  • Sebastian Harder - Goethe-Universität, Institut für Klinische Pharmakologie, Deutschland
  • Joachim Fessler - Praxis für Allgemeinmedizin, Deutschland
  • Joachim Seffrin - Praxis für Allgemeinmedizin, Deutschland
  • Gert Vetter - Praxis für Allgemeinmedizin, Deutschland; Goethe Universität, Institut für Allgemeinmedizin, Deutschland
  • Stefan Graafen - Praxis für Allgemeinmedizin, Deutschland
  • Stefan Grenz - Praxis für Allgemeinmedizin, Deutschland
  • Martin Beyer - Goethe-Universität, Institut für Allgemeinmedizin, Deutschland
  • Marion Braun - Praxis für Allgemeinmedizin, Deutschland
  • Stefanie Meissl - Praxis für Allgemeinmedizin, Deutschland
  • Sofia Reincke - Praxis für Allgemeinmedizin, Deutschland
  • Ingrid Schubert - Universität zu Köln, PMV forschungsgruppe, Köln, Deutschland
  • Christiane Muth - Universität Bielefeld, AG Allgemein- und Familienmedizin, Bielefeld, Deutschland; Goethe Universität, Institut für Allgemeinmedizin, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Lübeck, 16.-18.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocSYM-02-04

doi: 10.3205/21degam259, urn:nbn:de:0183-21degam2591

Veröffentlicht: 17. September 2021

© 2021 Brueckle et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: 2013 erschien die erste evidenzbasierte Leitlinie (AWMF-S2e-Niveau) „Multimedikation“. Im Rahmen der vorgesehenen Aktualisierung wurde zugleich ein Upgrade auf AWMF S3 Niveau geplant und im Rahmen des EVITA-Projekts (Evidenzbasiertes Multimedikations-Programm mit Implementierung in die Versorgungspraxis; Innovations-Fonds Fkz.: 01VSF16034) realisiert.

Fragestellung: Die Leitfragen, wie Hausärzt*innen die Arzneitherapie sicher handhaben können und was zu beachten ist, wenn Patient*innen mehrere Arzneimittel gleichzeitig einnehmen, wurde in zahlreiche Unterfragestellungen operationalisiert.

Methoden: Zur Festlegung der zu aktualisierenden Themenbereiche der Leitlinie erfolgte eine formale Priorisierung in Fokusgruppen mit 30 Hausärzt*innen, gefolgt von einem systematischen Leitlinienreview (SLR) nach internationalen Leitlinien zu Multimedikation und Multimorbidität und weiteren zielgerichteten Evidenzrecherchen nach systematischen Reviews. Unter Einbeziehung von Gastautor*innen zu den Themen ‚Deprescribing‘ (Universität Marburg) und Arzneimittelabgabe (Apotheker*innen) wurden von der Autorengruppe Zusammenfassungen von Evidenz und Rationale erstellt, der Medikationsprozess als zentrales Rahmenwerk der Leitlinie überarbeitet und Vorschläge für Empfehlungen entwickelt. Die Empfehlungen wurden unter Beteiligung relevanter medizinischer Fachgesellschaften, Einzelexpertinnen aus Pflege und Apotheke sowie eines geschulten Patientenvertreters in modifiziertem RAND-Appropriateness-Verfahren konsentiert. Die Leitlinie wurde in 12 Praxen von 15 Ärzt*innen formal bewertet und in 67 Erst- und 27 Folgekontakten zu Patient*innen getestet und von der DEGAM-SLK kommentiert.

Ergebnisse: Im SLR wurden 8 Leitlinien guter methodischer Qualität berücksichtigt; die extrahierten Daten aggregiert (Abb.1) sowie 48 systematische Reviews eingeschlossen. In der Leitlinie wurden 34 Empfehlungen formuliert. Im Praxistest bewerteten 58% die Leitlinie als zu lang, 92% würden sie Kolleg*innen weiterempfehlen. Bei 57% der Erstkontakte wurden durch Leitlinienanwendung Probleme identifiziert, bei 49% Medikationsänderungen vorgenommen. Bei 56% der Folgekontakte berichteten Patient*innen eine subjektive Besserung.

Diskussion: Die Leitlinie wurde in einem ressourcenaufwändigen Prozess aktualisiert, Strategien der Implementierung sind jetzt zu erproben.

Take Home Message für die Praxis: Multimedikation sollte mindestens jährlich systematisch überprüft werden. Diese Leitlinie bietet vielerlei Möglichkeiten und Hilfestellungen, in einem vorausschauend geplanten Prozess unter Berücksichtigung von Patientenpräferenzen und gemeinsam abgestimmten Therapiezielen die Multimedikation anzupassen und kontinuierlich zu überwachen.