gms | German Medical Science

55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Lübeck, 16. - 18.09.2021

Homöopathie heute – Stellenwert der Homöopathie in der hausärztlichen Versorgung im Saarland

Meeting Abstract

Suche in Medline nach

  • presenting/speaker Anna Millenaar - Universitätsklinikum des Saarlandes, Zentrum Allgemeinmedizin, Deutschland
  • Silke Ohlmeier - Universitätsklinikum des Saarlandes, Zentrum Allgemeinmedizin, Deutschland
  • Johannes Jäger - Universitätsklinikum des Saarlandes, Zentrum Allgemeinmedizin, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Lübeck, 16.-18.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocP-07-02

doi: 10.3205/21degam215, urn:nbn:de:0183-21degam2159

Veröffentlicht: 17. September 2021

© 2021 Millenaar et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Die Homöopathie wird als Therapiemethode von vielen HausärztInnen angewandt. Ein wissenschaftlich fundierter Wirknachweis konnte seit ihrer Begründung bisher nicht erbracht werden.

Fragestellung: Ziel dieser Studie war es, die Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher Datenlage und aktueller Verschreibungspraxis im Saarland zu untersuchen und die Forschungsfrage zu beantworten, welche Funktion und Relevanz die Homöopathie für die HausärztInnen erfüllt.

Methoden: Im Zeitraum von April–Oktober 2019 wurden insgesamt 19 qualitative Experteninterviews mit saarländischen HausärztInnen anhand eines semi-strukturierten Interviewleitfadens durchgeführt, transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet. Die Kategorienzuordnung erfolgte computergestützt mittels MAXQDA. Die HausärztInnen waren zu 58% männlich, die Altersspanne betrug zwischen 39–72 Jahren und die durchschnittliche Berufserfahrung 27±11 Jahre.

Ergebnisse: Homöopathie wurde von der Mehrzahl der HausärztInnen angewandt. KritikerInnen hatten grundsätzlich ein eher naturwissenschaftliches Medizinverständnis und führten Wirkmechanismus und Wirksamkeit der Homöopathie ausschließlich auf den Placeboeffekt zurück. BefürworterInnen waren sich einig über die Wirksamkeit der Homöopathie; über den Wirknachweis bestünden lediglich Hypothesen. Dies war für die BefürworterInnen von untergeordneter Relevanz („Wer heilt hat recht“). Die Gruppe der BefürworterInnen der Homöopathie entsprach nicht der Gruppe der AnwenderInnen; viele KritikerInnen wandten als „OpportunistInnen“ Homöopathie in unterschiedlicher Häufigkeit an. Gründe hierfür waren unter anderem Patientenwunsch, bewusster Placeboeffekt und geringes Nebenwirkungsprofil. BefürworterInnen beschrieben ein breites Anwendungsspektrum der Homöopathie auch als Monotherapie; OpportunistInnen wandten die Homöopathie primär bei unspezifischen Krankheitsbildern an.

Diskussion: Bei der Entscheidung für die Homöopathie ist der PatientInnenwunsch von großer Relevanz gewesen – ihm wurde selbst dann entsprochen, wenn die behandelnden ÄrztInnen nicht von der Wirkweise der Homöopathie überzeugt waren. Der „opportunistische“ Einsatz der Homöopathie konnte insbesondere auf defizitäre Information von ÄrztInnen sowie PatientInnen sowie auf eine verbesserungsbedürftige Kommunikation zwischen beiden zurückgeführt werden.

Take Home Message für die Praxis: Eine Verbesserung der oben genannten Faktoren könnte eine Herabsetzung des aktuell noch hohen Stellenwertes der Homöopathie in der hausärztlichen Versorgung im Saarland begünstigen, da HausärztInnen in ihrer Rolle als MeinungsbildnerInnen den PatientInnenwunsch maßgeblich beeinflussen können.