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55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Lübeck, 16. - 18.09.2021

Messung der Übereinstimmung von Behandlungsentscheidungen in gesundheitlichen Krisen mit dem Behandlungswillen: eine Reliabilitätsprüfung

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Tanja Riester - Universität Duisburg-Essen, Institut für Allgemeinmedizin, Essen, Deutschland
  • Kornelia Götze - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Allgemeinmedizin, Düsseldorf, Deutschland
  • Georg Marckmann - Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, München, Deutschland
  • Michael Pentzek - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Allgemeinmedizin, Düsseldorf, Deutschland
  • Christine Reisinger - Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, München, Deutschland
  • Jürgen in der Schmitten - Universität Duisburg-Essen, Institut für Allgemeinmedizin, Essen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Lübeck, 16.-18.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocP-03-06

doi: 10.3205/21degam194, urn:nbn:de:0183-21degam1942

Veröffentlicht: 17. September 2021

© 2021 Riester et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Vorrangiges Ziel von Advance Care Planning ist die Übereinstimmung von Behandlungsentscheidungen mit dem Behandlungswillen – auch bei Patienten, die aktuell nicht einwilligungsfähig sind. Die Messung dieses Outcomes ist komplex, und es fehlen standardisierte, reliable und valide Messmethoden. Im Rahmen der BEVOR-Studie in Pflegeheimen wurde ein Instrument zur Beurteilung der Behandlungskongruenz mit dem Bewohnerwillen in gesundheitlichen Krisen entwickelt.

Fragestellung: Eine Pilotstudie untersuchte, ob Studienmitarbeitende der BEVOR-Studie (Rater) anhand vorliegender Fallakten bei der Verwendung des neu entwickelten Instruments zur Bewertung der Behandlungskongruenz mit dem Bewohnerwillen zu übereinstimmenden Ergebnissen kommen (Interrater-Reliabilität).

Methoden: Basis für die Testung der Übereinstimmung zwischen 5 Ratern waren insgesamt 27 Behandlungsentscheidungen, die bei den Bewohnern in Pflegeheimen getroffen wurden. Die Rater erhielten Fallakten mit folgenden Inhalten zu den Behandlungsentscheidungen: Fotokopien relevanter Ausschnitte der Bewohnerakten, Audioaufnahmen der Kurzbefragungen von Bewohnern, Vertretern und Pflegenden. Durch die Kombination der erhaltenen Informationen aus unterschiedlichen Quellen wird ein Urteil zur Frage der Behandlungskongruenz wie auch zur Qualität des zugrundeliegenden Entscheidungsprozesses gebildet. Für die statistische Auswertung der insgesamt 135 Urteile (5x27) wurde Randolph’s κ berechnet.

Ergebnisse: Bei der Messung des Items „Behandlungskongruenz mit dem Behandlungswillen“ liegt eine gute Interrater-Reliabilität vor (κ=0.71 [KI:0.55–0.86]), bei der „Erläuterung der Entscheidungssituation“ und der „Erläuterung der Handlungsmöglichkeiten“ eine akzeptable (κ=0.45 [0.28–0.62]; κ=0.43 [0.25–0.62]) und bei den Items „Gelegenheit der Abwägung von Handlungsmöglichkeiten“ und „Unterstützung bei der letztendlichen Entscheidung“ eine unzureichende (κ=0.37 [KI: 0.24–0.50]; κ=0.32 [KI: 0.19–0.45].

Diskussion: Trotz kleiner Stichprobe und unsicheren statistischen Schätzungen liefert diese Untersuchung wichtige Hinweise auf das Potenzial und die Schwierigkeiten bei der Bewertung der Behandlungskongruenz mit dem Bewohnerwillen. Zudem sind methodische Schwächen bei der Erstellung der Fallakten deutlich geworden. Eine erneute Reliabilitätstestung mit modifiziertem Instrument ist geplant.

Take Home Message für die Praxis: Die Übereinstimmung der Behandlungskongruenz mit dem Bewohnerwillen in gesundheitlichen Krisen lässt sich retrospektiv messen.