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55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Lübeck, 16. - 18.09.2021

Der Einfluss von exzessivem Konsum von Lakritz auf Phenprocoumon (Marcumar®)

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Hermann Caspar Römer - Universität Duisburg-Essen, Institut für Allgemeinmedizin, Essen, Deutschland
  • Suzan Botzenhardt - Universität Duisburg-Essen, Institut für Allgemeinmedizin, Essen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Lübeck, 16.-18.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocP-01-02

doi: 10.3205/21degam178, urn:nbn:de:0183-21degam1787

Veröffentlicht: 17. September 2021

© 2021 Römer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Schlaganfall nach massivem Lakritzkonsum!

Fragestellung: Gibt es eine Wechselwirkungen zwischen Lakritz und Phenprocoumon (Marcumar®)?

Methoden: Wir berichten über eine 92-jährigen Patienten, bei der Vorhofflimmern diagnostiziert und daher mit Marcumar® behandelt wurde. Andere vorbestehende Erkrankungen waren arterielle Hypertonie, koronare Herzkrankheit, Diabetes mellitus Typ2 und eine Niereninsuffizienz. Trotz der Behandlung mit Marcumar® bekam die Patientin einen ischämischen Schlaganfall. Ihre gemessenen INR-Werte in den Monaten vor dem Schlaganfall lagen im therapeutischen Bereich von 2–3, als sie plötzlich auf 1,25 abfielen. Eine retrospektive Untersuchung konnte keine signifikanten Änderungen des Verhaltens und der Therapietreue feststellen, außer dem Genuss von 1,5 kg Lakritzkugeln in den Tagen vor dem Schlaganfall.

Ergebnisse: Das Haupt-Biotransformationsenzym CYP hat mehr als 1.000 Isoenzyme, von denen fünf 90% aller Arzneimittel metabolisieren (CYP3A4, CYP2D6, CYP2C9, CYP2C19 und CYP1A2). Unter diesen sind CYP1A2, CYP2C9 und CYP3A4 die relevantesten Enzyme, die die gerinnungshemmende Wirkung in der Gruppe der 4-Hydroxycumarine wie Phenprocoumon und Warfarin beeinflussen.

Das wichtigste Enzym ist CYP2C9, dass bei Vorliegen der Allele der CYP2C9 * 2- oder CYP2C9 * 3-Variante zu einer verminderten Enzymaktivität führt. Dies wurde mit einer signifikanten Abnahme des mittleren Warfarin-Dosisbedarfs in Verbindung gebracht. Andere genetische Faktoren wie Polymorphismen, die CYP3A4 oder CYP1A2 beeinflussen, können ebenfalls für die Warfarin-Dosisanforderung relevant sein. Die molekulare Basis der Warfarinresistenz bleibt unklar, könnte aber auf eine ungewöhnlich hohe CYP2C9-Aktivität (pharmakokinetische Resistenz) oder auf eine aberrante Vitamin-K-Epoxidreduktase (pharmakodynamische Resistenz) zurückzuführen sein.

Darüber hinaus könnte die Wechselwirkung zwischen Phenprocoumon, CYP3A4 und dem Kernrezeptor PPARα (Peroxisom-Proliferator-aktivierter Rezeptor-α), die die CYP3A4-Genexpression beeinflusst, auch durch Lakritz beeinflusst werden und daher in unserem Fallbericht eine Rolle spielen.

Diskussion: Lakritz hat Einfluss auf die Funktion der der Isoenzymen der CYP-Familie, sowie Einfluss auf PPARα Transaktivierung.

Take Home Message für die Praxis: Die Wechselwirkungen zwischen pflanzlicher Substanz und Medikamenten beim Menschen sind vielseitig und bei vielen Substanze noch nicht bekannt.

Lakritz kann möglicherweise zu lebensbedrohlichen Wechselwirkungen bei Patienten unter der Therapie mit Phenprocoumon führen.