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55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Lübeck, 16. - 18.09.2021

Ärztliche Erfahrungen mit der bayerischen Wirkstoffvereinbarung als Systematik zur Steuerung einer wirtschaftlichen Arzneimittelverordnung – qualitative Ergebnisse aus der WirtMed-Studie

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Nikoletta Lippert - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Allgemeinmedizinisches Institut, Erlangen, Deutschland
  • Julia Gollnick - Philipps-Universität Marburg, Abteilung für Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin, Marburg, Deutschland
  • Julia Muth - Philipps-Universität Marburg, Abteilung für Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin, Marburg, Deutschland
  • Franziska Hörbrand - Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, Deutschland
  • Norbert Donner-Banzhoff - Philipps-Universität Marburg, Abteilung für Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin, Marburg, Deutschland
  • Thomas Kühlein - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Allgemeinmedizinisches Institut, Erlangen, Deutschland
  • Maria Sebastiao - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Allgemeinmedizinisches Institut, Erlangen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Lübeck, 16.-18.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocV-24-04

doi: 10.3205/21degam133, urn:nbn:de:0183-21degam1333

Veröffentlicht: 17. September 2021

© 2021 Lippert et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Mit dem Ziel, Patient*innen die bestmögliche Behandlung zu Teil werden zu lassen und zugleich eine wirtschaftliche Arzneimittelverordnung zu gewährleisten, wurde 2014 die bayerische Wirkstoffvereinbarung (WSV) eingeführt. Hierbei erhalten ambulant praktizierende Ärzt*innen quartalsweise Trendmeldungen zur Wirtschaftlichkeit ihres Verschreibungsverhaltens. In einem Teilprojekt der WirtMed-Studie sollen Erfahrungen niedergelassener Ärzt*innen mit der WSV erfasst und analysiert werden.

Fragestellung: Welche Erfahrungen haben Ärzt*innen mit dem Steuerungsverfahren gemacht? Wo liegen Probleme? Was läuft bereits gut unter der WSV?

Methoden: Es wurden qualitative Einzelinterviews (n = 20) und sieben Fokusgruppen (n = 36) mit diversen Ärzt*innen aus Bayern geführt (u.a. Hausärzt*innen, Kardiolog*innen, Pneumolog*innen, Rheumatologen). Die Auswertung folgte der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2010).

Ergebnisse: Die Ärzt*innen sehen prinzipiell die Notwendigkeit, wirtschaftlich zu arbeiten. Sie sehen sich jedoch nicht zwangsläufig als Hauptverursacher von Kosten im Gesundheitswesen. Übergeordnet bewerten sie die WSV mehrheitlich positiv; jedenfalls sei sie besser als die vorherige Richtgrößenprüfung. Hervorzuheben sind die zeitnahen Rückmeldungen an Ärzt*innen, die folglich mehr Kontrollmöglichkeiten haben. Manche berichten, dass die Trendmeldungen zur Selbstreflexion anregen. Einige Ärzt*innen empfinden die WSV als gerechter; die Trendmeldungen seien leicht verständlich und rasch zu erfassen. Demgegenüber stehen bestimmte Problembereiche: Für manche wird der komplexe Praxisalltag noch nicht vollständig abgebildet, und sie nehmen weniger Autonomie und Therapiefreiheit wahr. Es werden außerdem Generationenunterschiede deutlich: Erfahrene Ärzt*innen haben potentiell mehr Probleme mit der WSV als Neueinsteiger im ambulanten Sektor. Kritisiert werden Rabattverträge, da sie undurchsichtig sind und einen regelmäßigen Austausch von Arzneimittelpräparaten erfordern.

Diskussion: Die WSV wird als ein gutes und nützliches Steuerungsinstrument angesehen. Durch Selbstreflexion wird das individuelle Verordnungsverhalten angepasst. Die teilweise wahrgenommenen Einschränkungen von Therapiefreiheit und Autonomie sind ein grundsätzliches Problem von Verfahren der Kostensteuerung. Insbesondere ältere Ärzt*innen müssen über die Notwendigkeit von Neuerungen aufgeklärt und abgeholt werden.

Take Home Message für die Praxis: Zukünftige Systeme sollen den Ärzt*innen kurzfristige Rückmeldung geben. Entscheidend sind dabei die Kommunikation und Informationsvermittlung.