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55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Lübeck, 16. - 18.09.2021

Phenprocoumon oder niedrig-dosierte direkte Orale Antikoagulantien bei Vorhofflimmern? Eine Real-World-Studie.

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Lisette Warkentin - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Allgemeinmedizinisches Institut, Erlangen, Deutschland
  • Susann Hueber - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Allgemeinmedizinisches Institut, Erlangen, Deutschland
  • Barthold Deiters - GWQ ServicePlus AG, Gesellschaft für Wirtschaftlichkeit und Qualität bei Krankenkassen, Deutschland
  • Florian Klohn - GWQ ServicePlus AG, Gesellschaft für Wirtschaftlichkeit und Qualität bei Krankenkassen, Deutschland
  • Thomas Kühlein - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Allgemeinmedizinisches Institut, Erlangen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Lübeck, 16.-18.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocV-13-06

doi: 10.3205/21degam075, urn:nbn:de:0183-21degam0757

Veröffentlicht: 17. September 2021

© 2021 Warkentin et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Für einige Patient*innen ist die Verordnung von niedrig-dosierten direkten oralen Antikoagulantien (nd-DOAKs) anstelle der Standarddosierung zur Schlaganfallprophylaxe bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern empfohlen. Ein erheblicher Anteil aller DOAKs-Patient*innen erhält diese Niedrigdosierung. Bisher konnte keine klare Überlegenheit von nd-DOAKs im Vergleich zu Phenprocoumon gezeigt werden.

Fragestellung: Welche Unterschiede zeigen sich unter Alltagsbedingungen hinsichtlich des Auftretens thromboembolischer Ereignisse, Tod und Blutungen unter nd-DOAKs im Vergleich zu Phenprocoumon?

Methoden: In einer retrospektiven Kohortenstudie wurden Krankenkassendaten von Patient*innen, die erstmalig ein orales Antikoagulans bei Erstdiagnose Vorhofflimmern erhielten, ausgewertet. Neben einer Cox-Regressionsanalyse erfolgte ein Vergleich von Phenprocoumon- und nd-DOAKs nach Propensity-Score-Matching bezüglich der Endpunkte thromboembolisches Ereignis, Tod und schwere Blutung. Hierbei wurden unter anderem Geschlecht, Alter, Komorbiditäten sowie Begleitmedikation als mögliche Confounder berücksichtigt.

Ergebnisse: Knapp ein Drittel aller DOAKs-Patient*innen mit Vorhofflimmern erhielt eine reduzierte Dosis (n = 21.724). Unter Phenprocoumon (n = 20.179) kam es zu statistisch signifikant weniger thromboembolischen Ereignissen und Todesfällen (Hazard Ratio (HR) mit 95%-Konfidenzintervall: 1,29 [1,13–1,48] und 1,52 [1,41–1,63]) als unter nd-DOAKs. Unter Phenprocoumon zeigte sich kein signifikant erhöhtes Blutungsrisiko im Vergleich zu nd-DOAK (HR: 0,89 [0,79–1,00]). Apixaban war mit einem statistisch signifikant erhöhten Risiko für thromboembolische Ereignisse (HR: 1,42 [1,21–1,65]) und Tod (HR: 1,63 [1,50–1,76]) sowie einem geringeren Blutungsrisiko (HR: 0,75 [0,65–0,86]) assoziiert. Edoxaban und Rivaroxaban waren mit einem erhöhten Sterberisiko verbunden (HR: 1,40 [1,22–1,60] und HR: 1,45 [1,32–1,59]).

Diskussion: Hinsichtlich des Auftretens thromboembolischer Ereignisse und Todesfälle scheint Phenprocoumon gegenüber nd-DOAKs überlegen zu sein. Möglicherweise werden nd-DOAKs häufiger verordnet als empfohlen, um Patient*innen vor Blutungskomplikationen zu schützen. Gegebenenfalls ist diese Unterdosierung einer der Gründe für das gefundene erhöhte Risiko thromboembolischer Ereignisse unter nd-DOAKs.

Take Home Message für die Praxis: Bei der Therapieentscheidung sollten aktuelle Empfehlungen beachtet werden. Bei Sorge vor Blutungskomplikationen könnte, statt einer unterdosierten DOAK-Therapie, besser Phenprocoumon verordnet werden.