Artikel
Medikamentöse Versorgung älterer, türkeistämmiger Pendelmigrant*innen
Suche in Medline nach
Autoren
Veröffentlicht: | 17. September 2021 |
---|
Gliederung
Text
Hintergrund: Mehrmonatige, jährliche Auslandsaufenthalte können einen Einfluss auf die medikamentöse Versorgung älterer chronisch kranker Patient*innen haben. Unregelmäßigkeiten bei der Medikationsverschreibung und -einnahme können zu vermeidbaren, gesundheitlichen Folgeschäden führen.
Fragestellung: Welche Bedürfnisse haben ältere, türkeistämmige Patient*innen hinsichtlich ihrer medikamentösen und medizinischen Versorgung in Deutschland und der Türkei? Welche Unregelmäßigkeiten und Barrieren lassen sich bezüglich der Medikationsverschreibung und -einnahme identifizieren? Wie können Barrieren in der Versorgung abgebaut werden?
Methoden: In einer Mixed-methods-Studie wurden qualitative Leitfadeninterviews mit chronisch kranken, älteren, türkeistämmigen Patient*innen, die sich für Zeiträume von 2–24 Monaten in der Türkei aufhalten (n = 25) sowie mit Hausärzt*innen (n = 8) geführt. Zusätzlich wurden in einer quantitativen Analyse Versichertendaten älterer, türkeistämmiger Patient*innen der AOK Rheinland/Hamburg (n = 30.560) auf medizinische und medikamentöse Diskontinuitäten hin untersucht und mit den Daten anderer Versicherter verglichen.
Ergebnisse: Fehlende Kenntnisse der eigenen Medikation, Informationsdefizite zur Gesundheitsversorgung in der Türkei und strukturelle Zugangsbarrieren führen zu medikamentösen Unregelmäßigkeiten. Ethische Konflikte für Hausärzt*innen und Konflikte zwischen Ärzt*innen und Patient*innen können entstehen, wenn Patient*innen ihre Hausärzt*innen darum bitten, Medikamente für einen längeren Türkeiaufenthalt zu verschreiben. Aus der Analyse der Versichertendaten geht hervor, dass türkeistämmige Versicherte erkrankungsabhängig signifikant häufiger als andere Versicherte quartalweise ausbleibende Medikationsverschreibungen und Ärzt*innenkontakte aufweisen.
Diskussion: Die erfolgreiche Aufklärung über Erkrankungen und Medikation ist für die medikamentöse Versorgung älterer, chronisch kranker Patient*innen von hoher Bedeutung. Dazu sind größere zeitliche Ressourcen in der hausärztlichen Versorgung ebenso notwendig wie Diversitätssensibilität in der Behandlung. Maßnahmen zum verbesserten Informationszugang (Versorgungsstruktur in der Türkei) für Ärzt*innen und Patient*innen sowie zum Informationstransfer (Übersetzung von Befunden) könnten die Nutzung der Gesundheitsversorgung in der Türkei für die Zielgruppe erleichtern.
Take Home Message für die Praxis: Ältere, türkeistämmige Patient*innen weisen einen erhöhten Aufklärungsbedarf zu ihren Erkrankungen und ihrer Medikation auf. Die frühzeitige, gemeinsame Planung vor längeren Türkeiaufenthalten und die Einbindung Angehöriger unterstützen eine sichere medikamentöse Versorgung.