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55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Lübeck, 16. - 18.09.2021

Wie schätzten bayerische Hausärzt*innen die Gefährlichkeit von COVID-19 und die Angemessenheit der Maßnahmen im Frühsommer 2020 ein?

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Klaus Linde - TU München, Institut für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, München, Deutschland
  • Christian Bergmaier - TU München, Institut für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, München, Deutschland
  • Alexander Hapfelmeier - TU München, Institut für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, München, Deutschland
  • Marion Torge - TU München, Institut für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, München, Deutschland
  • Niklas Barth - LMU München, Institut für Soziologie, München, Deutschland; TU München, Institut für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, München, Deutschland
  • Antonius Schneider - TU München, Institut für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, München, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Lübeck, 16.-18.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocV-10-03

doi: 10.3205/21degam055, urn:nbn:de:0183-21degam0553

Veröffentlicht: 17. September 2021

© 2021 Linde et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Im Frühjahr 2020 zweifelte eine Minderheit der Bevölkerung an der Gefährlichkeit von COVID-19 und protestierte gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Inwieweit Hausärzt*innen kritische Sichtweisen teilten, ist unbekannt.

Fragestellung: Wie schätzten bayerische Hausärzt*innen die Gefährlichkeit von COVID-19 und die Angemessenheit der Maßnahmen im Frühsommer 2020 ein?

Methoden: Alle 210 allgemeinmedizinischen Lehrpraxen der TU München erhielten postalisch einen vierseitigen Fragebogen. Neben Fragen zu COVID-19 in der Praxis wurden persönliche Ängste, depressive und Angstsymptome sowie persönliche Meinungen zur Gefährlichkeit des Virus, den Maßnahmen, deren Lockerungen und zur Gefahr einer zweiten Welle gestellt. Mithilfe statistischer Analysen (archetypal analysis) wurden aus den Daten Archetypen mit besonders ausgeprägten Meinungsmustern modelliert und Subgruppen von Ärzt*innen identifiziert, die diesen Mustern zuneigten.

Ergebnisse: 162 Hausärzt*innen (77% der Angeschriebenen) sandten einen Fragebogen ein; von diesen konnten 143 (68%) mit kompletten Daten in die Archetypenanalyse einbezogen werden. Wir identifizierten vier Meinungsmuster mit entsprechenden Subgruppen: eine kleine Gruppe von „Skeptikern” (n=12) hielt die Bedrohung durch COVID-19 für überschätzt und die Maßnahmen für überzogen; die „Hardliner” (n=34) schätzten die Gefährlichkeit hoch ein und befürworteten konsequente Maßnahmen; die „Abwägenden” (n=77) sahen ebenfalls eine relevante Gefahr, betonten aber die Abwägung von Schäden und Nutzen der Maßnahmen; die „Ängstlichen” GPs (n=20) waren durch stärkere Sorgen und psychische Symptome gekennzeichnet. Ein Teilnehmer erschien (auch auf Basis seiner Freitexte) als in hohem Maße „Corona-skeptisch".

Diskussion: Obwohl es sich bei den Teilnehmer*innen um Lehrärzt*innen einer Universität handelte, gab es unter den Befragten eine große Meinungsvielfalt und eine kleine Gruppe hielt die Gefahr für überbewertet und stand den Maßnahmen skeptisch gegenüber. Die identifizierten Archetypen erscheinen, auch über die befragte Teilnehmergruppe hinaus, sehr plausibel.

Take Home Message für die Praxis: Vor Beginn der zweiten Welle schätzten bayerische Hausärzt*innen die Gefährlichkeit von COVID-19 und die Angemessenheit der Maßnahmen sehr unterschiedlich ein.