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55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Lübeck, 16. - 18.09.2021

Wie kann ein Versorgungsprogramm für hausärztliche Patient*innen mit Multimedikation entwickelt und im deutschen Versorgungskontext implementiert werden? Ergebnisse einer qualitativen Stakeholder-Analyse

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Truc Sophia Dinh - Goethe-Universität Frankfurt, Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland
  • Maria-Sophie Brückle - Goethe-Universität Frankfurt, Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland
  • Ana Isabel González-González - Goethe-Universität Frankfurt, Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland
  • Ursula Marschall - BARMER, Abteilung Medizin und Versorgungsforschung, Deutschland
  • Ferdinand Michael Gerlach - Goethe-Universität Frankfurt, Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland
  • Marjan van den Akker - Goethe-Universität Frankfurt, Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland
  • Christiane Muth - Universität Bielefeld, AG Allgemein- und Familienmedizin, Bielefeld, Deutschland; Goethe-Universität Frankfurt, Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Lübeck, 16.-18.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocV-10-01

doi: 10.3205/21degam053, urn:nbn:de:0183-21degam0533

Veröffentlicht: 17. September 2021

© 2021 Dinh et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Patient*innen mit Multimedikation sind eine stark zunehmende, oft vulnerable Gruppe mit häufigen Arztkontakten und erhöhtem Risiko für Hospitalisierung, unerwünschten Arzneimittelwirkungen sowie Einbußen an Lebensqualität und Funktionalität. Bislang existieren keine wirksamen Maßnahmen, um die darauf resultierenden komplexen Versorgungsanforderungen gemeinsam zu berücksichtigen. Das EVITA-Projekt (Innovationsfonds; Fkz. 01VSF16034) zielt deshalb auf die Entwicklung von Empfehlungen für ein strukturiertes Versorgungskonzept für die Regelversorgung ab.

Fragestellung: Die vorliegende Studie ist Teil des EVITA-Projekts und untersucht, welche zentralen Versorgungsprobleme multimedikamentös behandelter Patient*innen von relevanten Stakeholdern wahrgenommen werden, welche Implementierungsstrategien strukturierter Versorgungskonzepte sie präferieren und welche förderlichen und hemmenden Faktoren eine Implementierung in die Versorgung beeinflussen.

Methoden: Es wurden n=10 qualitative, leitfadengestützte Experteninterviews mit Hausärzt*innen, Apotheker*innen, einem Patientenvertreter, Vertreter*innen von KBV, Gemeinsamem Bundes-Ausschuss und verschiedenen Krankenkassen geführt, aufgezeichnet, transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet.

Ergebnisse: Es wurden sechs dominierende Themen in Mikro-, Meso- und Makroebene identifiziert – darunter Versorgungsprobleme von Patient*innen mit Multimedikation (z.B. Arzneimitteltherapierisiken, fehlende koordinierende Struktur, Fragmentierung der Versorgung), ggf. einzubeziehende Stakeholder (z.B. Hausärzt*innen, Krankenkassen), Interventionskomponenten (z.B. Medikationsreview, Assessment) sowie Implementierungsstrategien (z.B. DMP, Selektivvertrag). Die Ansichten der Stakeholder zeigten bei den Befragten ähnliche Wahrnehmungen in Bezug auf vorrangig zu adressierender Versorgungsprobleme, die Ansichten hinsichtlich potentieller Implementierungsstrategien divergierten jedoch stark.

Diskussion: Obgleich die befragten Stakeholder aus Mikro-, Meso- und Makroebene ein ähnliches und ausgeprägtes Problembewusstsein für das Thema Multimedikation aufweisen, weisen stark divergierende Ansichten über potenzielle Implementierungsstrategien auf erhebliche Barrieren zur Einführung strukturierter Versorgungskonzepte hin. Ein gemeinsamer, konsentierter Ansatz ist notwendig, um die Entwicklung und Implementierung eines strukturierten Versorgungsprogramms zu unterstützen und zu ermöglichen.

Take Home Message für die Praxis: Ausgeprägte Problemwahrnehmung für Versorgungsprobleme von Patient*innen mit Multimorbidität und Multimedikation und daraus abgeleiteter Bedarf nach Veränderung wurden als förderliche Faktoren, hingegen Kontextbedingungen und divergierende Stakeholderinteressen als Barrieren für eine erfolgreiche Implementierung strukturierter Versorgungskonzepte identifiziert.