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55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Lübeck, 16. - 18.09.2021

Soziales Rezept: systematischer Review zur Wirksamkeit von präventiven gemeindebasierten psychosozialen Überweisungsinterventionen (SPI_RE)

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Hendrik Napierala - Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin, Deutschland
  • Karen Krüger - Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin, Deutschland
  • Doreen Kuschick - Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin, Deutschland
  • Wolfram Herrmann - Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin, Deutschland
  • Felix Holzinger - Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Lübeck, 16.-18.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocV-07-06

doi: 10.3205/21degam040, urn:nbn:de:0183-21degam0404

Veröffentlicht: 17. September 2021

© 2021 Napierala et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Hausärzt*innen stehen häufig vor der Herausforderung psychosoziale Begleitumstände adäquat zu berücksichtigen. Viele Einrichtungen bieten Unterstützungsangebote an, diese sind jedoch regional unterschiedlich und Kommunikationsstrukturen zur Primärversorgung nicht institutionalisiert. Das soziale Rezept (SP) stellt einen innovativen Ansatz dar, vulnerablen Gruppen zielgenau psychosoziale Unterstützungsangebote zu vermitteln und damit eine Versorgungslücke zu schließen. Bisherige Studien sind vielversprechend, jedoch existiert keine umfassende systematische Evidenzsynthese als Grundlage für Implementierungsentscheidungen.

Fragestellung: Ziel dieses systematischen Reviews war es, die Wirksamkeit von gemeindebasierten Überweisungsinterventionen zur psychosozialen Unterstützung zu bewerten.

Methoden: Es wurden Interventionsstudien eingeschlossen, welche die Wirksamkeit auf gesundheitsbezogene und gesundheitsökonomische Endpunkte (Inanspruchnahme) untersuchten. Elf Datenbanken wurden durchsucht, anschließend erfolgten ein zweistufiges Screening und eine Datenextraktion, jeweils durch zwei unabhängige Reviewer*innen. Das Bias-Risiko wurde anhand von EPHPP und RoB 2 bewertet. Endpunkte wurden kategorisiert und die Ergebnisse deskriptiv zusammengefasst.

Das Projekt wurde das BMBF finanziert (Förderkennzeichen 01EL2027A/B). Das Protokoll wurde vorab in PROSPERO veröffentlicht (CRD42020182562).

Ergebnisse: Nach dem Screening von 4.723 Publikationen konnten 52 Evaluationen eingeschlossen werden. Diese stammten weit überwiegend aus Großbritannien. Bis auf drei kontrollierte Studien wiesen alle ein Vorher-Nachher-Design ohne Kontrollgruppe auf. 51 Evaluationen erfüllten die Kriterien für ein hohes Verzerrungsrisiko. In Bezug auf gesundheitsbezogene Effekte zeigen sich für die Endpunkte Angst und Depression, psychisches Wohlbefinden, Einsamkeit und Lebensqualität überwiegend geringe bis moderate Effekte im Sinne einer Verbesserung entsprechender Skalenwerte. Ebenso zeigt sich eine geringe Abnahme der Inanspruchnahme (Hausärztliche Praxen, Notaufnahmen) in der Mehrzahl der erfassenden Studien.

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen überwiegend positive Effekte. Die vorhandene Evidenz zu SP ist jedoch von geringer Qualität und das Verzerrungsrisiko hoch. Dies ist ein Hindernis für die Implementierung von SP-Programmen außerhalb Großbritanniens und erfordert die Durchführung methodisch hochwertiger kontrollierter Studien, z.B. in Deutschland.

Take Home Message für die Praxis: Falls sich SP in Deutschland etablieren ließe, könnte dies Hausärzt*innen potenziell entlasten und die Anbindung an Unterstützungsangebote für vulnerable Gruppen erleichtern.