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53. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Erlangen, 12. - 14.09.2019

Kritische Reflexion zur Rekrutierung und Durchführung qualitativer Einzelinterviews in der Versorgungsforschung

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Nikoletta Lippert - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Allgemeinmedizin, Erlangen, Deutschland
  • Julia Gollnick - Philipps Universität Marburg, Abteilung für Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin, Marburg, Deutschland
  • Julia Muth - Philipps Universität Marburg, Abteilung für Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin, Marburg, Deutschland
  • Norbert Donner-Banzhoff - Philipps Universität Marburg, Abteilung für Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin, Marburg, Deutschland
  • Thomas Kühlein - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Allgemeinmedizin, Erlangen, Deutschland

53. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Erlangen, 12.-14.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocSym5-04

doi: 10.3205/19degam228, urn:nbn:de:0183-19degam2280

Veröffentlicht: 11. September 2019

© 2019 Lippert et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Zu Beginn eines Forschungsprojektes stehen die Entscheidungen, welche Forschungsmethodik und welches Studiendesign die Studienfrage beantworten können, an. Die Herausforderung liegt darin, den Spagat zwischen wissenschaftlicher Güte und Forschungspraktikabilität zu schaffen. Bei „WirtMed“ handelt es sich um eine Studie, die, aufgeteilt in fünf Teilprojekte, sich unterschiedlichster Forschungsmethoden bedient. Im Folgenden sollen die Rekrutierung und Durchführung von Einzelinterviews vorgestellt und diskutiert werden.

Fragestellung: Wie können die Rekrutierung und Durchführung von teilstrukturierten Einzelinterviews trotz sensibler Thematik erfolgreich realisiert werden?

Methoden: Im Rahmen der WirtMed Teilprojekte C und D werden n = 50 Einzelinterviews mit niedergelassenen Ärzt*Innen zum Thema Arzneimittelverordnung im Rahmen der bayerischen Wirkstoffvereinbarung durchgeführt. Die Rekrutierung erfolgte über die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB), um Betriebsstätten mit für die Studie relevanten Charakteristika, auszuwählen. Die Interviewdurchführung erfolgte in den Arztpraxen.

Ergebnisse: Die Rekrutierung über die KVB erwies sich als erfolgreich; die angestrebte Interviewanzahl wurde erreicht und alle Aspekte des Datenschutzes berücksichtigt. Die Ausschöpfungsquote war mit rund sieben Prozent dennoch sehr gering. Alle Ärzt*Innen hielten den vereinbarten Interviewtermin ein.

Diskussion: Die Rekrutierung über die KVB führte zu einer deutlichen Arbeitserleichterung für die Forschenden, jedoch, durch das Vornehmen mehrerer Zwischenschritte, zu einer Ausdehnung der Rekrutierungsphase. Jede zusätzliche administrative Hürde resultiert in einer sinkenden Wahrscheinlichkeit zur Studienteilnahme von Ärzt*Innen. Als Erfolgsfaktoren scheinen eine praxisnahe Fragestellung, den angepassten Stichprobenumfang, ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis, das Durchführen der Interviews in den Räumlichkeiten der Arztpraxis und die Unabhängigkeit der KVB zu dienen. Trotz einer vertrauten Interviewatmosphäre sind Interviews, insbesondere bei sensibler Thematik, für Urteilsverzerrungen und soziale Erwünschtheit anfällig.

Take Home Message für die Praxis: Qualitative Interviews sind sinnvoll, um die Komplexität des Versorgungsalltags ganzheitlich zu betrachten. Mit einer geeigneten Fragestellung und unter Beachtung genannter Aspekte sind sie eine wertvolle und teils unterschätzte Methode in der medizinischen Forschung.