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53. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Erlangen, 12. - 14.09.2019

Überschuldung und finanzielle Probleme bei der Medikamentenversorgung von GKV-Versicherten: Ergebnisse einer Querschnittstudie in NRW (ArSemü)

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Jacqueline Warth - Universität Bonn, Institut für Hausarztmedizin, Bonn, Deutschland
  • Marie-Therese Puth - Universität Bonn, Institut für Hausarztmedizin, Bonn, Deutschland; Universitätsklinikum Bonn, Institut für Medizinische Biometrie, Informatik und Epidemiologie (IMBIE), Bonn, Deutschland
  • Judith Tillmann - Universität Bonn, Institut für Hausarztmedizin, Bonn, Deutschland
  • Niklas Beckmann - Universität Bonn, Institut für Hausarztmedizin, Bonn, Deutschland
  • Johannes Porz - Universität Bonn, Institut für Hausarztmedizin, Bonn, Deutschland
  • Ulrike Zier - Universität Bonn, Institut für Hausarztmedizin, Bonn, Deutschland
  • Klaus Weckbecker - Universitätsklinikum Düsseldorf, Institut für Allgemeinmedizin, Düsseldorf, Deutschland; Universität Bonn, Institut für Hausarztmedizin, Bonn, Deutschland
  • Birgitta Weltermann - Universität Bonn, Institut für Hausarztmedizin, Bonn, Deutschland
  • Eva Münster - Universität Bonn, Institut für Hausarztmedizin, Bonn, Deutschland

53. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Erlangen, 12.-14.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocV72-02

doi: 10.3205/19degam105, urn:nbn:de:0183-19degam1053

Veröffentlicht: 11. September 2019

© 2019 Warth et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: In Deutschland wird die Zahl der Überschuldeten derzeit auf rund 6,9 Millionen geschätzt. Demnach weist etwa jeder zehnte Erwachsene schwerwiegende Zahlungsschwierigkeiten bis hin zur Zahlungsunfähigkeit auf. Für diese Bevölkerungsgruppe besteht laut Studien ein erhöhtes Krankheitsrisiko. In der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind medizinische Leistungen wie z.B. Medikamente zuzahlungspflichtig. Es wurde jedoch bisher nicht untersucht, inwieweit Überschuldete von finanziellen Problemen bei der Medikamentenversorgung betroffen sind.

Fragestellung: Wie häufig ist medikamentöse Nicht-Adhärenz aus finanziellen Gründen bei überschuldeten Personen mit GKV-Versicherung? Welche Faktoren beeinflussen die Nicht-Adhärenz?

Methoden: Eine Querschnittsstudie unter KlientInnen von 70 Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen wurde 2017 mit einer Rücklaufquote von 50.2% (n=699) durchgeführt. Ein schriftlicher standardisierter Fragebogen erfasste Selbstangaben zur medikamentösen Nicht-Adhärenz (Verzicht auf Rezepteinlösung; Einnahme reduzierter Dosis) aus finanziellen Gründen in den letzten 12 Monaten in Bezug auf verordnete Medikamente. Neben Prävalenzschätzungen wurden multiple logistische Regressionsanalysen durchgeführt, um den Zusammenhang von medikamentöser Nicht-Adhärenz und interessierenden Merkmalen zu untersuchen. Insgesamt wurden 604 GKV-Versicherte mit vollständigen Daten zur Krankenversicherung und Zielvariable in die Analyse eingeschlossen.

Ergebnisse: Ein Drittel der Überschuldeten (33,6%) berichtete medikamentöse Nicht-Adhärenz aus finanziellen Gründen in den letzten 12 Monaten. Gegenüber der jüngsten Altersgruppe (18-29 Jahre) wiesen Personen ab 65 Jahren ein signifikant vermindertes Risiko der Nicht-Adhärenz auf (adjustiertes Odds Ratio (aOR) 0,35; 95% Konfidenzintervall (KI) 0,14-0,91). Das Risiko der Nicht-Adhärenz für chronisch Kranke betrug das 2fache im Vergleich zu Personen ohne chronische Erkrankung (aOR 2,16; 95% KI 1,45-3,23). Es gab keinen signifikanten Zusammenhang zwischen anderen demographischen und sozioökonomischen Merkmalen oder Kommunikation über finanzielle Probleme in der Hausarztpraxis und der Zielvariable.

Diskussion: Verordnete Medikamente werden von Überschuldeten mit gesetzlicher Krankenversicherung aus finanziellen Gründen häufig nicht oder reduziert in Anspruch genommen. Finanzielle Probleme bzw. insbesondere die Schuldensituation sollten systematisch in der Sozialanamnese erfasst werden, um barrierefreien Zugang zu medizinisch notwendigen Medikamenten sicherzustellen.

Take Home Message für die Praxis: Finanzielle Probleme können zum Verzicht und reduzierter Einnahme zuzahlungspflichtiger Medikamente führen.