gms | German Medical Science

53. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Erlangen, 12. - 14.09.2019

Welchen Einfluss hat der rechtliche Status von kürzlich nach Deutschland gekommenen Geflüchteten auf den medizinischen Bedarf?

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Anne Simmenroth - Uniklinik Würzburg, Institut für Allgemeinmedizin, Würzburg, Deutschland
  • Ghefar Furaijat - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Allgemeinmedizin, Göttingen, Deutschland
  • Frank Müller - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Allgemeinmedizin, Göttingen, Deutschland
  • Nele Hillermann - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Allgemeinmedizin, Göttingen, Deutschland
  • Evelyn Kleinert - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Allgemeinmedizin, Göttingen, Deutschland

53. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Erlangen, 12.-14.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocV62-02

doi: 10.3205/19degam100, urn:nbn:de:0183-19degam1008

Veröffentlicht: 11. September 2019

© 2019 Simmenroth et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Die medizinische Versorgung von Geflüchteten ist eine große Herausforderung für das deutsche Gesundheitssystem. Der rechtliche Status von Geflüchteten bestimmt dabei wesentlich die individuelle Bleibeperspektive, den Zugang zum Arbeitsmarkt und zum Gesundheitssystem. In unserer Untersuchung werden zwei Gruppen verglichen: Asylsuchende, die nach meist individueller Flucht in Deutschland Asyl beantragen und sog. Kontingentflüchtlinge, die über ein Programm des UNHCR nach Deutschland kommen.

Fragestellung: Mit welchen Erkrankungen und Beschwerden suchen Geflüchtete medizinische Hilfe, und inwiefern unterscheidet sich der Bedarf von Asylsuchenden und Kontingentflüchtlingen besonders in Hinblick auf psychische - und Infektionskrankheiten?

Methoden: Anhand der Krankenakten der allgemeinmedizinischen Sprechstunde einer Erstaufnahmeeinrichtung (Grenzdurchgangslager Friedland) wurden vom August 2017 bis August 2018 retrospektiv alle Diagnosen erhoben und zusammen mit soziodemographischen Faktoren statistisch ausgewertet (deskriptive und multivariate Statistik).

Ergebnisse: Von den untersuchten 2.252 Patienten waren 67% Asylsuchende (AS) und 43% Kontingentflüchtlinge (KF). In fast allen ICD10-Kategorien erhielten AS deutlich mehr Diagnosen als KF. So litten erstere neunmal häufiger an psychischen und Verhaltensstörungen. Bei Infektionskrankheiten sind die Ergebnisse gemischt: AS wurden doppelt so häufig wegen bestimmter infektiöser und parasitärer Krankheiten behandelt, während KF doppelt so häufig mit Krankheiten der Atemwege in die Sprechstunde kamen.

Diskussion: Die Daten ermöglichen einen umfassenden Überblick über die vergebenen Diagnosen innerhalb eines Jahres, wobei sich durch den Vergleich beziffern lässt, welchen Einfluss unterschiedliche Migrationserfahrungen (individuelle Flucht vs. organisierte Flucht) und Migrationsperspektiven auf den medizinischen Bedarf der Geflüchteten haben. Eine Besonderheit der Studie liegt darin, dass nahezu alle von Deutschland aufgenommenen Kontingentflüchtlinge zentral in Friedland betreut werden. Limitierend ist, dass ausschließlich Daten zu kürzlich in Deutschland angekommenen Geflüchteten, die sich lediglich für wenige Wochen bzw. Monate in Friedland aufgehalten haben, ausgewertet wurden.

Take Home Message für die Praxis: Erfahrung von Flucht außerhalb geregelter internationaler Programme erhöht medizinische Inanspruchnahmen aufgrund psychischer Erkrankungen.