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53. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Erlangen, 12. - 14.09.2019

Unterstützen Leitlinien Abweichungen von ihren Empfehlungen wo dies für den individuellen Patienten notwendig ist? Eine systematische Untersuchung von Leitlinien

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Stefan Heinmüller - Universitätsklinikum Erlangen, Institut für Allgemeinmedizin, Erlangen, Deutschland
  • Susann Hueber - Universitätsklinikum Erlangen, Institut für Allgemeinmedizin, Erlangen, Deutschland
  • Marc Morgott - Universitätsklinikum Erlangen, Institut für Allgemeinmedizin, Erlangen, Deutschland
  • Angela Schedlbauer - Universitätsklinikum Erlangen, Institut für Allgemeinmedizin, Erlangen, Deutschland
  • Thomas Kühlein - Universitätsklinikum Erlangen, Institut für Allgemeinmedizin, Erlangen, Deutschland

53. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Erlangen, 12.-14.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocV41-05

doi: 10.3205/19degam072, urn:nbn:de:0183-19degam0728

Veröffentlicht: 11. September 2019

© 2019 Heinmüller et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Leitlinien (LL) sollen praktisch tätigen Ärzten wissenschaftliche Erkenntnisse zugänglich machen. So soll die Umsetzung evidenzbasierter Empfehlungen gefördert werden. Die evidenzbasierte Medizin (EBM) setzt allerdings neben der Evidenzlage auch die Einbeziehung von Patientenpräferenzen und ärztlicher Erfahrung voraus. EBM bedeutet demnach auch, manchmal von LL-Empfehlungen abzuweichen. Diese Arbeit untersuchte, inwieweit LL beim Abweichen von ihren Behandlungsempfehlungen behilflich sind.

Fragestellung: Wir operationalisierten unsere Forschungsfrage wie folgt: Sind in der Nähe von LL-Empfehlungen absolute Effektstärken (AES) für den Schaden/Nutzen der in der jeweiligen LL-Empfehlung angeratenen Maßnahme genannt?

Methoden: In unsere systematische Untersuchung wurden LL aus deutsch- und englischsprachigen Ländern zur koronaren Herzkrankheit (KHK) und zu Diabetes mellitus Typ 2 (Dm2) eingeschlossen. Jeweils eine LL pro Land und Erkrankung wurde untersucht. Nur LL-Empfehlungen zur Pharmakotherapie wurden bewertet. Wenn AES genannt waren, so wurde beurteilt, wie leicht diese AES innerhalb der LL auffindbar waren. Zudem wurde untersucht, ob die jeweilige LL Informationsmaterial für Patienten umfasste. Falls ja, wurde auch hier überprüft, ob AES angegeben waren.

Ergebnisse: In 13 LL fanden sich 144 Empfehlungen zur Pharmakotherapie. Zu 108 LL-Empfehlungen (75%) waren keinerlei AES für Nutzen/Schaden angegeben. AES zu mindestens einem erwarteten Nutzen oder mindestens einem potentiellen Schaden fanden sich bei 31 Empfehlungen (22%). In fünf Fällen (3%) wurden LL-Empfehlungen von AES zu Nutzen und Schaden begleitet. Von den insgesamt 36 LL-Empfehlungen, zu denen jeweils mindestens eine AES berichtet wurde, wurden drei (8%) als leicht auffindbar bewertet. Drei (23%) der 13 LL enthielten Patienteninformationsmaterial, AES waren lediglich in einem Fall enthalten.

Diskussion: Durch die unzureichende Nennung entsprechender AES unterstützen aktuelle LL Abweichungen von ihren Empfehlungen nur bedingt, obwohl LL-Abweichungen im Rahmen der EBM gelegentlich notwendig sind. LL-Entwickler sollten zukünftig die Nennung von AES anstreben.

Take Home Message für die Praxis: Aufgrund der mangelhaften Nennung von AES zu Nutzen/Schaden empfohlener Pharmakotherapien eigenen sich LL nur bedingt als Informationsgrundlage für EBM in der Praxis.