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49. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

17. - 19.09.2015, Bozen, Italien

Jenseits der erlebten Anamnese – Der Bilanzierungsdialog als Chance zur Perspektivenerweiterung in der Langzeitversorgung von Patienten mit chronischen Erkrankungen

Meeting Abstract

  • O. Bahrs - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Med. Psychologie & Med. Soziologie, Göttingen, Deutschland
  • K.-H. Henze - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Med. Psychologie & Med. Soziologie, Göttingen, Deutschland
  • S. Heim - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Med. Psychologie & Med. Soziologie, Göttingen, Deutschland
  • F. Löwenstein - Gesellschaft zur Förderung Medizinischer Kommunikation e.V., Göttingen, Deutschland
  • K. Ilse - Universitätsklinikum Düsseldorf Institut für Allgemeinmedizin, Düsseldorf, Deutschland
  • H.-H. Abholz - Universitätsklinikum Düsseldorf Institut für Allgemeinmedizin, Düsseldorf, Deutschland
  • S. Weißbach - Universität Witten-Herdecke Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Witten, Deutschland
  • G. Bureick - Universität Witten-Herdecke Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Witten, Deutschland
  • S. Wilm - Universitätsklinikum Düsseldorf Institut für Allgemeinmedizin, Düsseldorf, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 49. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Bozen, 17.-19.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. Doc15degam002

doi: 10.3205/15degam002, urn:nbn:de:0183-15degam0024

Veröffentlicht: 26. August 2015

© 2015 Bahrs et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: In der Langzeitbegleitung wächst dem Hausarzt ein Wissen über seine Patienten zu, das handlungssteuernd ist, Dichte und Effektivität der Hausarzt-Patient-Beziehung bestimmt, zumeist implizit bleibt und doch wirkt. Da dieses Vor-Wissen oft nicht thematisiert wird, enthält es u.U. Irrtümer bzw. systematische Lücken, so dass es lohnt, es von Zeit zu Zeit in Frage zu stellen. Das Instrument des Bilanzierungsdialogs (BD) bietet die Chance, aus der Routine herauszutreten, den Behandlungsauftrag ggf. neu zu klären und ein umfassenderes Verständnis für die Patienten zu entwickeln im Sinne einer ‚Gesamtdiagnose‘ [1].

Studienfrage: Inwieweit kennt der Hausarzt familiale, berufliche und biographische Kontexte des jeweiligen Patienten? Was bedeutet dies für mit dem Patienten vereinbarte Gesundheitsziele?

Methoden: Bei der Studie BILANZ [1] führten 52 Hausärzte 2–4 BD mit insges. 286 Patienten. Gesundheitsziele/Wege zur Zielerreichung wurden vereinbart, Verläufe dokumentiert, Daten zu Soziodemographie, Kohärenzgefühl (SOC), gesundheitsbezogener Lebensqualität, Inanspruchnahme und zur Arzt-Patient-Beziehung erhoben. Eine Subgruppe zeichnete 125 Konsultationen per Video auf, die mit einem teilstandardisierten Verfahren kodiert wurden. Dargestellt werden zudem die Sequenzanalysen von 5 Gesprächsverläufen.

Ergebnisse: Eckdaten sind meist bekannt, Andeutungen genügen, um wechselseitiges Verständnis zu sichern. Im Verlauf ergeben sich aber neue Einsichten sowie Lücken, die z.T. auf gemeinsamer Nicht-Thematisierung gründen. Oft werden Patientenressourcen unterschätzt, entsprechende Hinweise nicht aufgegriffen. BD ermöglichen Einsichten in die spez. Beziehungsgestaltung des Patienten (frühere und gegenwärtige Bezugspersonen, Behandlungserfahrungen), die für die Neugestaltung der Arzt-Patient-Beziehung relevant sein können.

Diskussion: BD bestätigen und relativieren die Bedeutung der erlebten Anamnese. Sie können die Arzt-Patienten-Beziehung stärken, den diagnostisch-therapeutischen Prozess wirksamer werden lassen und die Routineversorgung systematisch ergänzen.

BMBF-gefördertes cRCT (01GX1030A-C)


Literatur

1.
Balint M. Der Arzt, sein Patient und die Krankheit. Stuttgart: Klett-Cotta; 2001.