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48. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

18. - 20.09.2014, Hamburg

Auf dem Weg zu einem prozessorientierten Modell von Inanspruchnahme medizinischer Versorgung

Meeting Abstract

  • W. J. Herrmann - Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für Allgemeinmedizin, Magdeburg, Deutschland
  • A. Haarmann - Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für Allgemeinmedizin, Magdeburg, Deutschland
  • U. Flick - Freie Universität Berlin, Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie, Berlin, Deutschland
  • A. Bærheim - University of Bergen, Department of Global Public Health and Primary Care, Bergen, Norwegen
  • T. Lichte - Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für Allgemeinmedizin, Magdeburg, Deutschland
  • M. Herrmann - Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für Allgemeinmedizin, Magdeburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 48. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Hamburg, 18.-20.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. Doc14degam007

doi: 10.3205/14degam007, urn:nbn:de:0183-14degam0079

Veröffentlicht: 11. September 2014

© 2014 Herrmann et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Klassische Inanspruchnahmemodelle wie das Verhaltensmodell von Andersen setzen meist Faktoren als unabhängige Variablen in Bezug zur Inanspruchnahmerate als abhängiger Variablen. Subjektive und gesellschaftliche Faktoren kommen dabei nur am Rande vor. Diese Modelle können jedoch die hohe Inanspruchnahme in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern nicht erklären.

Studienfrage: Unser Ziel ist daher die empirisch fundierte Entwicklung eines neuen Modells von Inanspruchnahme mit besserer Passung zur Situation in Deutschland.

Methodik: Eine qualitative Studie: Wir führten in Deutschland und Norwegen je 20 episodische Interviews mit Patienten und teilnehmende Beobachtungen in je vier Hausarztpraxen in Deutschland und Norwegen durch. Die Auswertung erfolgte mittels thematischen Kodierens im Rahmen eines Grounded-Theory-Ansatzes.

Ergebnisse: Aus dem Material heraus konnten wir zwei theoretische Aspekte ableiten: Erstens muss Inanspruchnahme als Prozess betrachtet werden. Dabei sind konzeptuell gesundheitliche Probleme von ihrer Bewertung im Rahmen eines Inanspruchnahmeprozesses zu unterscheiden. Dazu gehören die Bewertung eines Problems an sich und die Bewertung, ob für dieses Problem medizinische Hilfe notwendig und sinnvoll ist. Das Umfeld der Patienten ist in diesen Prozess häufig involviert. Zweitens sollte Inanspruchnahme über den einzelnen Arzt-Patienten-Kontakt hinaus betrachtet werden. Einzelne Arzt-Patienten-Kontakte können als Singularitäten in Inanspruchnahmesequenzen angesehen werden. Sie stehen im Zusammenhang mit bisherigen und zukünftigen Kontakten mit dem gleichen oder anderen Versorgern. Dabei sind neuerliche/weitere Kontakte meist nicht auf ein spezifisches neues Problem bezogen, sondern häufig bspw. Kontrolltermine.

Diskussion: Wir konnten aus unserer Studie zwei neue Aspekte ableiten: Inanspruchnahme als Prozess und Inanspruchnahme in Sequenzen. Diese beiden neuen theoretischen Aspekte sollten in Folge hinsichtlich ihrer Erklärungs- und Vorhersagefunktion überprüft werden. Dabei bedarf die komplexere Konzeptualisierung von Inanspruchnahme anderer Methoden der Modellierung und empirischen Überprüfung.