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37. Jahrestagung der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung (DAV 2019)

09.01. - 12.01.2019, Schladming, Österreich

Die verkannte Gefahr der E-Zigarette

Meeting Abstract

  • C. Freystätter - Klin. Abteilung für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Univ. Klinik für Chirurgie, AKH, Wien, Österreich
  • A. Fochtmann-Frana - Klin. Abteilung für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Univ. Klinik für Chirurgie, AKH, Wien, Österreich
  • G. Ihra - Klin. Abteilung für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Univ. Klinik für Chirurgie, AKH, Wien, Österreich
  • T. Rath - Klin. Abteilung für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Univ. Klinik für Chirurgie, AKH, Wien, Österreich
  • C. Radtke - Klin. Abteilung für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Univ. Klinik für Chirurgie, AKH, Wien, Österreich

Deutschsprachige Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung. 37. Jahrestagung der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung (DAV 2019). Schladming, Österreich, 09.-12.01.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc15

doi: 10.3205/19dav15, urn:nbn:de:0183-19dav150

Veröffentlicht: 8. Januar 2019

© 2019 Freystätter et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Seit der Markteinführung der elektronischen Zigarette (E-Zigarette), in China im Jahre 2003, stieg deren Beliebtheit unter Rauchern, aber auch Nicht-Rauchern, als Alternative zu herkömmlichen Zigaretten weltweit rasant an. Diese Entwicklung begleitend, nahmen jedoch auch Berichte über Verbrennungsverletzungen aufgrund plötzlicher Explosionen von E-Zigaretten bzw. deren Akkumulatoren rapide zu. In der Literatur werden Explosionen sowohl im Betrieb als auch im Ruhezustand und während des Ladevorganges von E-Zigaretten beschrieben. Dabei wurde als häufigste Explosionsursache ein „thermal runway“ der eingebauten Lithium-Ionen-Akkumulatoren beobachtet. Diese explosive Kettenreaktion kann durch Fehlbenutzung, Kurzschluss oder technische Mängel initiiert werden.

Methodik: Die Patientenakten des Zentrums für Schwerbrandverletzte am AKH Wien wurden für die Zeitspanne 06/2017 bis 05/2018 ausgewertet. Eingeschlossen wurden all jene PatientInnen mit den folgenden Kriterien: thermische Verbrennung oder Verätzung durch eine E-Zigarette, Alter ≥ 18 Jahre, Intensivaufenthalt ≥ 24 Stunden. Die deskriptiv vorgestellte Fallserie wird mit rezenter Literatur hinsichtlich künftiger Präventionsmöglichkeiten reflektiert.

Resultate: Wir berichten über zwei PatientInnen (N=2), die innerhalb der untersuchten 12 Monate an unserer Intensivstation in Behandlung standen.

Fall 1: Eine 23-jährige Frau erleidet II-III°ige Verbrennungen am linken proximalen dorsolateralen Oberschenkel (OSCH), der linken Hüfte, Flanke, Regio glutea und ihrer linken Palma manus, mit einem Ausmaß von 10% vKOF (ABSI: 5). Als Ursache wurde der Akkumulator einer E-Zigarette, der in der Hosentasche explosionsartig zu brennen begann, angegeben. Aufgrund einer patientenseitigen Ablehnung der vorgeschlagenen Nekrektomie und Spalthautdeckung wurden in den ersten beiden Wochen nach Unfallgeschehen vier scharfe Debridements und Versorgung mit Mepilex-Ag in Sedoanalgesie operativ durchgeführt. Nach ausgebliebener Heilungstendenz im Zentrum der Verbrennungswunde am OSCH wurde nach erteilter Patienteneinwilligung tangential nekrosektomiert und der Defekt mit einer Spalthauttransplantation (von ventralen OSCH, 1:1,5 gemeshed) gedeckt. Nach gesamt 31 Tagen, davon 15 an der Intensivstation, wurde die Patientin in häusliche Pflege entlassen.

Fall 2: Ein 43 Jahre alter Patient zog sich folgende II-III°ige Verbrennungen mit 10%vKOF (ABSI: 5), nach Explosion eines in der rechten Hosentasche befindlichen Ersatzakkus seiner E-Zigarette zu. Es resultierten II-III°ige, proximal- und ventralbetonte Verbrennungen an beiden OSCH (rechts>links) und des Mons pubis, II°ige Verbrennungen entlang des Genitals sowie IIa°ige Verbrennung an der Palma manus links und Daumen rechts. Genital sowie beide Hände konnten konservativ mit Mepilex-Ag in Abheilung gebracht werden. Am fünften Tag nach Unfallgeschehen erfolgte eine tangentiale Nekrektomie und Defektdeckung mit Spalthauttransplantation der tiefreichenden Verbrennungswunde am rechten OSCH (Entnahme von beiden OSCH, 1:1,5 gemeshed). Nach einer Behandlungsdauer von drei Tagen Intensiv- und 15 Tagen Normalbettenstation wurde der Patient mit angepasster Kompressionswäsche entlassen. Alle Wunden heilten komplikationslos ab.

Diskussion: Entsprechend unseren Beobachtungen geschehen die meisten Explosionen von E-Zigaretten oder deren Akkumulatoren während des Tragens in der Hosentasche mit resultierenden zweit- bis dritt-gradigen Verbrennungsverletzungen. Betroffen sind zumeist die Oberschenkel, gefolgt vom Genital, dem Gesäß und der Hände. Das in der Literatur beschriebe Ausmaß der relativen verbrannte KOF mit durchschnittlich 3-5% wurde von unseren beiden PatientInnen, mit 10%, jedoch deutlich übertroffen. Neben thermischen Verbrennungen können Explosionen von Lithium-Akkus gelegentlich auch zu Verätzungen führen, wie ein rezenter Fallbericht aus den Medien demonstriert. In der Erstversorgung muss deshalb auch immer an die Möglichkeit einer begleitenden alkalischen Verätzung durch ausgetretenen Elektrolyt gedacht werden. Diese Verätzungen sollten nach einer sorgfältigen Reinigung mit Mineralöl versorgt werden. Aufgrund der Unberechenbarkeit und der potentiellen Gefahr plötzlich explodierender E-Zigaretten, könnte ein Verbot für das Mitführen von E-Zigaretten in öffentlichen Verkehrsmitteln und Einrichtungen angedacht werden. Zudem könnte eine Sensibilisierung der Bevölkerung hinsichtlich dieser potentiellen Gefahr, aber auch eine Empfehlung, diese Geräte und Akkumulatoren niemals direkt am Körper zu tragen, resultierende Verletzungen minimieren.