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34. Jahrestagung der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung (DAV 2016)

13. - 16.01.2016, Berchtesgaden

Langzeitschäden bei Patienten mit Stevens-Johnson-Syndrom und toxisch epidermaler Nekrolyse – Eine 5-Jahres-Analyse

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Maja Mockenhaupt - Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie, Dokumentationszentrum schwerer Hautreaktionen (dZh), Freiburg, Deutschland
  • Carmen Kremmler - Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie, Dokumentationszentrum schwerer Hautreaktionen (dZh), Freiburg, Deutschland
  • Maren Paulmann - Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie, Dokumentationszentrum schwerer Hautreaktionen (dZh), Freiburg, Deutschland
  • Peggy Sekula - Universitätsklinikum Freiburg, Institut für Medizinische Biometrie und Medizinische Informatik (IMBI), Freiburg, Deutschland

Deutschsprachige Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung. 34. Jahrestagung der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung (DAV 2016). Berchtesgaden, Deutschland, 13.-16.01.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16dav13

doi: 10.3205/16dav13, urn:nbn:de:0183-16dav133

Veröffentlicht: 12. Januar 2016

© 2016 Mockenhaupt et al.
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Gliederung

Text

Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und Toxisch epidermale Nekrolyse (TEN) sind seltene, aber sehr schwere, meist durch Arzneimittel, aber auch durch Infekte ausgelöste Reaktionen, die mit Blasen und Erosionen der Haut und der Schleimhäute einhergehen. Der Schweregrad wird anhand der abgelösten Haut bestimmt, wobei zwischen SJS (<10% Hautablösung bezogen auf die Körperoberfläche) und TEN (>30% Hautablösung) fließende Übergänge bestehen (SJS/TEN-Übergangsform). Die insgesamt hohe Letalität in der Akutphase steigt mit dem Schweregrad der Erkrankung und dem Alter der Patienten. Überlebende leiden häufig an langwierigen Folgeschäden, die v.a. die Schleimhäute betreffen.

Um das Ausmaß der Spätfolgen bei Patienten mit SJS/TEN zu quantifizieren, wurden die überlebenden Patienten, die zwischen 2003 und 2007 mit validierter Diagnose in die internationale RegiSCAR-Kohorte eingeschlossen wurden, kontaktiert und gebeten, einen Follow-up-Fragebogen auszufüllen.

Insgesamt 112/233 ausgefüllte und zurückgesandte Fragebögen konnten ausgewertet werden. Dabei handelt es sich um 62 Patienten mit SJS, 35 mit SJS/TEN-Übergangsform und 15 mit TEN. Das Durchschnittsalter liegt bei 44 Jahren, ca. 60% der Patienten sind Frauen. Mehr als 90% der Patienten leiden 5 Jahre nach SJS/TEN noch an Folgeschäden, wobei der Anteil mit dem Schweregrad der Erkrankung ansteigt. Eine vollständige Wiederaufnahme der Alltagsaktivitäten ist weniger als 50% der Betroffenen möglich. Am häufigsten finden sich Folgen an der Haut (73%), gefolgt von den Schleimhäuten (57%) und Nägeln (52%). Die chronischen Schäden an den Augen (67%) stellen für die betroffenen Patienten unter den somatischen Folgen das größte Problem dar. Dabei handelt es sich um erhöhte Lichtempfindlichkeit, extreme Trockenheit, einwachsende Wimpern (Trichiasis), verstärkten Tränenfluß, entzündliche Vernarbungen bis hin zur Erblindung. Daneben werden die Patienten von Schlafstörungen und Albträumen geplagt (29%) und leiden unter der Angst vor Medikamenteneinnahme (65%), die zu Vermeidungsverhalten führt (56%), welches negative Konsequenzen haben kann. Nur wenige Patienten haben professionelle psychologische Unterstützung erhalten (9%), obwohl sich die meisten hierfür aussprachen (54%).

Die vorliegende Untersuchung zeigt, daß SJS/TEN schwere Erkrankungen sind, die in der Mehrzahl der Fälle Langzeitschäden zur Folge haben. Daher ist nicht nur in der Akutphase der Erkrankung ein interdisziplinäres Vorgehen wichtig, sondern auch im späteren Verlauf. Regelmäßige Nachuntersuchungen sind angezeigt, damit ggf. die geeigneten Spezialisten für diese seltenen aber schweren Reaktionen ermittelt und hinzugezogen werden können.