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Jahrestagung der Vereinigung Bayerischer Augenärzte BayOG 2022

Vereinigung Bayerischer Augenärzte

13. - 14.05.2022, Veitshöchheim

Das Pachychoroid-Disease-Spektrum und retinale Venenverschlüsse

Meeting Abstract

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  • L. Keidel - LMU München

Vereinigung Bayerischer Augenärzte. Jahrestagung der Vereinigung Bayerischer Augenärzte BayOG 2022. Veitshöchheim, 13.-14.05.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22bayog12

doi: 10.3205/22bayog12, urn:nbn:de:0183-22bayog122

Veröffentlicht: 14. November 2022

© 2022 Keidel.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Prävalenz pachychoroidaler Phänotypen in Patienten mit retinalem Venenverschluss (RVO) ist bisher nicht beschrieben worden. Im Vortrag sollen die Untersuchungsergebnisse einer retrospektiven Querschnittsstudie der Ludwig-Maximilians-Universität in München präsentiert werden, in der die subfoveale Aderhautdicke (SFCT) und die Prävalenz pachychoroidaler Merkmale in Partneraugen von Patienten mit RVO systematisch untersucht wurde. Es sollen pathophysiologische Erklärungsansätze beleuchtet werden und in diesem Zusammenhang auf weitere Studien der LMU Augenklinik und anderer Arbeitsgruppen zur Messung der Skleradicke in Augen mit CCS eingegangen werden.

Methodik: Bei jedem Patienten wurde eine vollständige bilaterale augenärztliche Untersuchung inklusive Enhanced-depth-OCT durchgeführt. Die jeweiligen Partneraugen ohne RVO-Anamnese wurden bezüglich der Aderhaut mit einer nach Alter und sphärischem Äquivalent gematchten Kontrollgruppe verglichen. Das Augenmerk lag dabei besonders auf dem Vorhandensein pachychoroidaler Merkmale (SFCT, Pachyvessel, Pachychoroidale Pigmentepitheliopathie (PPE), Chorioretinopathia centralis serosa (CCS), Pachychoroidale Neovaskulopathie (PNV), Pachychoroidale aneurysmale Typ 1 CNV (PAT1/PCV)).

Ergebnisse: Insgesamt wurden 312 Augen von 312 Patienten in diese Studie eingeschlossen, davon 162 Augen in der RVO- und 150 Augen in der Kontrollgruppe. Beide Gruppen zeigten vergleichbare Werte hinsichtlich mittleren Alters (66,2 ± 13,8 (22 bis 87) vs. 66,3 ± 16,5 (23 bis 95) Jahre; p=0,96) und sphärischen Äquivalents (0,21 vs. 0,01 Dioptrien; p=0,20). Die RVO-Gruppe zeigte eine signifikant höhere mittlere SFCT (310.3 ± 72.5 (94 to 583) µm) als die Kontrollgruppe (237.0 ± 99.0 (62 to 498); p<0.00001). Darüber hinaus wurden in der RVO-Gruppe signifikant mehr Fälle mit symptomatischem Pachychoroid gefunden (22 vs. 9 Augen; Odds Ratio: 2,46; 95 CI: 1,10 bis 5,53; p=0,029), das sich in 86,4% der Fälle als PPE, in 9,1% als CSC und in 4,5% als PNV darstellte.

Diskussion: Man geht davon aus, dass der Verschluss der Zentralvene wahrscheinlich durch eine Thrombusbildung bei ihrem Durchtritt durch die Lamina cribrosa bedingt ist. Das Risiko eines thrombotischen Ereignisses ist durch die Kompression der Vene und den somit entstehenden turbulenten Strömungen in diesem Segment erhöht. Jeder Faktor, der zu einer weiteren Verengung der Vene beiträgt, stellt nach dem Virchow-Gesetz einen Risikofaktor für die Entstehung eines Zentralvenenverschluss dar.

Trägt nun ein Pachychoroid zum Risiko bei, einen retinalen Venenverschluss zu erleiden? Nagia und Kollegen fanden 2016 ein vermehrtes Auftreten peripapillärer pachychoroidaler Merkmale in Partneraugen von Augen mit nicht arteriitischer anteriorer ischämischer Optikusneuropathie (nAION). Eine Aderhautverdickung könnte laut den Autoren zu einer Kompression und zu einem "Kompartmentsyndrom" des Sehnervs mit sekundärer Reduktion der Blutzufuhr führen.

Übertragen auf die Pathogenese retinaler Venenverschlüsse besteht die Möglichkeit, dass eine verdickte Aderhaut zu einer weiteren Verengung der Zentralvene im Bereich der Lamina cribrosa führt und somit für eine Thrombusbildung prädisponiert.

Da das Pachychoroid eine bilaterale Entität darstellt, könnte die erhöhte SFCT in Partneraugen von Augen mit retinalen Venenverschlüssen durchaus einen Risikofaktor für die Entstehung eines RVO darstellen oder Risikofaktoren mit der Entstehung eines RVO teilen.

Oder treten Pachychoroid und Zentralvenenverschluss parallel auf, aufgrund einer gemeinsamen Pathogenese?

Die derzeitige Hypothese ist, dass in Augen mit CCS eine signifikant verdickte Sklera vorliegt, die die Vortexvenen in ihrem Durchtritt durch die Sklera komprimiert. Es kommt somit durch einen venösen Rückstaumechanismus zu einer Aderhautverdickung und zur Entstehung der bekannten pachychoroidalen Entitäten, ähnlich der Pathophysiologie des uvealen Effusionssyndroms. In einer aktuellen, prospektiven Fall-Kontroll-Studie, die wir an der Ludwig-Maximilians-Universität München durchführten, sowie in Studien von Lee und Imanaga und Kollegen konnte eine signifikant verdickte anteriore Sklera in Augen mit CCS und PNV mittels Swept-Source-Anterior-Segment-OCT nachgewiesen werden. Auch konnten Adyeke und Kollegen 2020 eine signifikante Skleraverdickung in Augen mit Zentralvenenverschluss zeigen. Zusammenfassend könnte eine Skleropathie also sowohl zu einer Kompression der Vortexvenen, als auch der Zentralvene in ihrem Durchtritt durch die Sklera führen und dann einen Riskofaktor für die Entwicklung sowohl eines ZVV als auch einer Pachychoroid darstellen. Da eine ergänzende Therapie des Pachychoroids eventuell auch das Langzeitmanagement retinaler Venenverschlüsse optimieren könnte, sind weitere prospektive Studien nötig, um einen möglichen Zusammenhang eindeutig zu klären.