gms | German Medical Science

6. Alterstraumatologie Kongress 2024

18.06. - 19.06.2024, Essen

Einfluss der proximalen Humerusfraktur auf Pflegegrad und Selbstständigkeit bei älteren Patient*innen – operativ vs. konservativ

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Janette Iking - Universitätsklinikum Münster, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Münster, Deutschland
  • Jeanette Köppe - Universität Münster, Institut für Biometrie und Klinische Forschung, Münster, Deutschland
  • Karen Fischhuber - Universität Münster, Institut für Biometrie und Klinische Forschung, Münster, Deutschland
  • Michael Johannes Raschke - Universitätsklinikum Münster, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Münster, Deutschland
  • Josef Stolberg-Stolberg - Universitätsklinikum Münster, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Münster, Deutschland
  • Jan Christoph Katthagen - Universitätsklinikum Münster, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Münster, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Geriatrie e.V. (DGG). Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. (DGU). 6. Alterstraumatologie Kongress 2024. Essen, 18.-19.06.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc34

doi: 10.3205/24altra34, urn:nbn:de:0183-24altra347

Veröffentlicht: 17. Juni 2024

© 2024 Iking et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Fragestellung: Die proximale Humerusfraktur (PHF) ist eine der häufigsten Frakturen bei älteren Menschen. Inwieweit eine PHF die Selbständigkeit einschränken und damit auch zu einer Erhöhung des Pflegegrades (PG) beitragen kann, wurde bisher noch nicht systematisch untersucht. Ziel dieser Studie ist es, die Pflegebedürftigkeit nach PHF zu analysieren und zu untersuchen, ob Unterschiede zwischen Behandlungsmethoden beobachtet werden können.

Methodik: Retrospektive Krankenkassendaten der BARMER aus den Jahren 01/17–09/22 wurden analysiert. Patient*innen über 65 Jahre wurden anhand des bereits bestehenden PG (Kein PG, PG I-V) gruppiert. Primäre Endpunkte waren Anstieg des PG und die Notwendigkeit einer stationären Betreuung in einer Pflegeeinrichtung nach Fraktur. Die Endpunkte wurden über Aalen-Johansen-Schätzer (Time-to-Event-Analysen) abgebildet. Das individuelle Profil der Patient*innen wurde durch multivariable Modelle berücksichtigt, um adjustiert potentielle Unterschiede zwischen den Behandlungsmethoden (konservativ, winkelstabile Plattenosteosynthese (WPO), inverse Schulterendoprothese (ISE)) sichtbar machen zu können.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Insgesamt wurden 55.862 Patient*innen (medianes Alter 79 Jahre; 84% Frauen) mit PHF in die Studie eingeschlossen. Bei 68% lag vor der PHF kein PG vor (PG I 3%, PG II 12%, PG III 11%, PG IV 6%, PG V 1%). 8% der Patient*innen erhielten bereits vor PHF eine stationäre Betreuung. Innerhalb des ersten Jahres nach PHF kam es bei 26% (95%CI 26–27%) zu einer Zunahme des PGs, benötigten 9,6% (95% CI 9,3–9,9%) eine stationäre Betreuung. Mit zunehmendem PG steigt der Anteil an Patient*innen mit konservativer Therapie (kein PG 52%, PG I 53%, PG II 61%, PG III 64%, PG IV 71%, PG V: 76%). Nach Adjustierung auf das gesamte Patient*innen-Profil und stratifiziert nach PG vor Fraktur zeigten sich Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen: Die WPO zeigte ein leicht geringeres Risiko für die Zunahme des PGs im Vergleich zur konservativen Therapie (Hazard Ratio [HR] 0,93; 95%CI 0,88–0,98; p<0,001). Die Behandlung mit ISE war mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für die Zunahme des PGs im Vergleich zur konservativen Therapie assoziiert (HR 1,37; 95%CI 1,31–1,43; p<0,001). Im Gegensatz dazu wurde bei der WPO eine geringere Wahrscheinlichkeit für eine stationäre Pflege nach PHF beobachtet (p<0,001); für die ISE zeigt sich im Vergleich zur konservativen Therapie kein Unterschied (p=0,061).

Die PHF hat einen entscheidenden Einfluss auf die Selbstständigkeit und den PG bei älteren Menschen. In dieser Studie konnte dieser Einfluss erstmals systematisch beschrieben werden. Die Erhöhung des Pflegegrades geht nicht nur mit einer Einschränkung der Lebensqualität der Patient*innen einher, sondern auch mit einer enormen finanziellen Belastung für unser Gesundheitssystem. Eine individuelle, risiko-adaptierte Behandlung der PHF ist daher ein erstrebenswertes Ziel für die kommenden Jahre.