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GMS Onkologische Rehabilitation und Sozialmedizin

Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie e. V. (DGHO)

ISSN 2194-2919

Analyse von prognostischen Faktoren für Reha-Erfolg und „Return-to-work“ bei Brustkrebspatientinnen nach onkologischer Rehabilitation

Analysis of prognostic factors for treatment success and return to work after in-door rehabilitation for breast cancer

Originalarbeit

  • corresponding author Holger G. Hass - Paracelsus-Hospital, Scheidegg, Deutschland
  • Fritz Muthny - Institut für Medizinische Psychologie, Universität Münster, Deutschland
  • Jürgen Stepien - Paracelsus-Hospital, Scheidegg, Deutschland
  • Johannes Lerch - Paracelsus-Hospital, Scheidegg, Deutschland
  • Clarissa von der Marwitz - Paracelsus-Hospital, Scheidegg, Deutschland
  • Rudolf Schröck - Paracelsus-Hospital, Scheidegg, Deutschland
  • Dieter Berger - Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung, Bochum, Deutschland
  • Jürgen Tripp - Institut für Medizinische Psychologie, Universität Münster, Deutschland

GMS Onkol Rehabil Sozialmed 2016;5:Doc02

doi: 10.3205/ors000024, urn:nbn:de:0183-ors0000241

Veröffentlicht: 15. Juni 2016

© 2016 Hass et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Ziel der Studie: Die onkologische Rehabilitation ist seit über 20 Jahren in Deutschland gut etabliert, doch die prädiktiven Faktoren, mit denen sich evtl. Rehabilitationseffekte sowie die erfolgreiche Rückkehr zum Arbeitsplatz vorhersagen lassen, sind noch weitgehend unbekannt.

Methodik: 316 Patientinnen (Durchschnittsalter 47,5) wurden im Rahmen einer Schulungs- und Nachsorgestudie zu Beginn der Reha (T1), zu Reha-Ende (T2) und sechs Monate nach Reha-Ende (T3) mit einem Fragebogenpaket befragt, das u.a. als zentrale Outcome-Maße den IRES-24 Fragebogen und die HADS umfasste. Ziel war die Detektion möglicher prädiktiver Parameter für den langfristigen Reha-Erfolg sowie die erfolgreiche Rückkehr zum Arbeitsplatz („Return-to-work“; RtW).

Ergebnisse: Als signifikante Prädiktoren für den RtW erwiesen sich die subjektive Erwerbsprognose, die soziale Unterstützung, die Beanspruchung am Arbeitsplatz und die Dauer der Reha-Maßnahme. Mit diesen Prädiktorvariablen kann eine Varianzaufklärung von 30,8% erreicht werden und es kann für 76,8% der Patienten der RtW korrekt vorhergesagt werden. Des Weiteren ließ sich eine Varianzaufklärung von 33,9% für den IRES- sowie von 31,4% für den HADS-Gesamtwert erreicht werden. Unabhängig vom LZI-Ausgangswert lassen sich durch geringere Depressivität, höhere Arbeitszufriedenheit und ein höherer Wert auf der FKV-Skala „Religiosität und Sinnsuche“ eine stärkere Verbesserung bzw. geringere Verschlechterung der Lebenszufriedenheit im Verlauf vorhersagen.

Schlussfolgerung: Die erfolgreiche Rückkehr in die Erwerbstätigkeit hängt also wesentlich von Merkmalen der ausgeübten Tätigkeit und von der subjektiven Überzeugung ab und nicht von krankheitsbezogenen Variablen. Da es bisher noch kein evaluiertes Screening-Instrument für die Detektion von Patienten mit sog. „besonderen beruflichen Problemlagen“ (BBPL) in der Onkologie gibt, können diese Daten bei der Etablierung von berufsfördernden Maßnahmen hilfreich sein.

Abstract

Background: Oncological rehabilitation in Germany is well established over the last two decades, but potential predictive factors for a positive rehabilitation success, lifestyle changes or return to work are still under investigations.

Methods: 316 breast cancer patients (mean age 47.5 y) were evaluated by standardized questionnaire at T1 (start of inpatient rehabilitation), T2 (after 3 weeks/end of inpatient rehabilitation) and T3 (six months after inpatient rehabilitation) including IRES-24 and HADS questionnaire during in-patient rehabilitation.

Results: As significant predictors for a successful return to work a positive occupational forecast, social assistance, stress at workplace and the duration of the in-door rehabilitation were detected. Using these predictors a variance clarification up to 30.8% and a prediction for return to work in 76.8% were possible. A lower grade of depression, job satisfaction and higher value in FKV scale “religiousness” correlated with better life satisfaction or QoL. For the total score of IRES- and HADS questionnaire a variance clarification up to 33.9% and 31.4% was possible.

Conclusions: A successful return to work in breast cancer patients depends more on attributes of workplace and subjective conviction rather than direct cancer- or disease-related variables. Our data may help to establish a screening system for cancer patients with potential difficult return to work during oncological rehabilitation.

Keywords: return to work, breast cancer, oncological rehabilitation, IRES24, HADS


Einleitung

Auch wenn die Langzeit-Prognose vieler onkologischer Erkrankungen unverändert ernüchternd ist, gibt es zunehmend therapeutische Fortschritte und eine Zunahme von Langzeitremissionen bei einzelnen Krebserkrankungen, weswegen zunehmend die langfristigen wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die betroffenen Patienten an Bedeutung gewinnen.

So konnte gerade beim Mammakarzinom durch die Einführung des Mammographie-Screenings und zunehmender Etablierung einer multimodalen, zunehmend personalisierten Medizin gegenüber anderen Tumorerkrankungen zwischenzeitlich die kumulative 5-Jahres-Überlebensrate auf über 80% gesteigert werden [1].

Im Vergleich zu gesunden Frauen in der gleichen Altersgruppe, kommt es bei Patientinnen nach Brustkrebs häufiger zu einer reduzierten Erwerbsfähigkeit, entweder zeitlich begrenzt, gelegentlich jedoch auch infolge einer unbefristeten Frühberentung [2]. Neben dem Vorliegen einer chronischen Erkrankungssituation können v.a. chronische Folgestörungen (z.B. Fatigue) infolge der onkologischen Therapie oder psychische Belastungen die berufliche Re-Integration („Return-to-work“) erschweren [3]. Sowohl die reduzierte Erwerbsfähigkeit als auch vorzeitige Berentung bedeuten für die betroffenen Frauen und ihre Familien häufig teils massive finanzielle Einbußen [4], [5]. Des Weiteren belegen Studien, dass längere Fehlzeiten am Arbeitsplatz mit einer erschwerten beruflichen Wiedereingliederung bzw. einem erhöhten Risiko für ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben korrelieren [6].

Neben diesen rein wirtschaftlichen Gründen konnte allerdings auch gezeigt werden, dass die Rückkehr zur Arbeit einen positiven Einfluss auf die Rehabilitation bei Frauen nach Mammakarzinom hat, insbesondere auf die Lebensqualität (QoL) sowie die somatische und psychische Gesundheit [7], [8].

Im Rahmen dieser Nachsorgestudie sollte daher versucht werden, prognostische Faktoren für einen erfolgreichen „Return-to-work“ sowie für einen langfristigen Rehabilitationserfolg bei Brustkrebspatientinnen während und nach der onkologischen Anschlussrehabilitation zu ermitteln. Langfristiges Ziel ist anhand der ermittelten Daten ein spezifisches Screening sowie spezielles Reha-Konzept für Patientinnen nach Brustkrebs mit erschwerten Bedingungen für eine berufliche Re-Integration zu etablieren.


Patienten und Methoden

Studienkollektiv

Insgesamt wurden 316 Patientinnen (Durchschnittsalter 47,1; 27–54) während einer onkologischen Anschlussrehabilitation in der Paracelsus-Klinik in Scheidegg in eine Schulungs- und Nachsorgestudie eingeschlossen. Von diesen Patientinnen waren 184 Frauen (58,2%) zu Beginn (T1) der Rehabilitation berufstätig. Ein- und Ausschlusskriterien waren: berufstätige Patientinnen nach Mammakarzinom (keine sog. In-Situ-Karzinome), Alter ≤55, nur Erstmaßnahmen, keine Metastasen, keine schweren internistischen Begleiterkrankungen, ausreichende kognitive und körperliche Belastbarkeit und gutes Verständnis der deutschen Sprache. Die Teilnahme erfolgte nur nach schriftlicher Aufklärung und Einwilligung („Informed consent“) der Patientinnen und in Übereinstimmung mit der Deklaration von Helsinki.

Studiendesign und Methoden

Hauptziel der Studie war die Identifikation von prädiktiven Faktoren für den „Return-to-work“ sowie als Nebenziel die Detektion von Prädiktoren für die Verhaltensänderung („Stages-of-changes“) bzw. den Reha-Erfolg. Die Messungen erfolgen zu 3 Messzeitpunkten: T1 zu Reha-Beginn, T2 zum Ende der Reha und T3 ½ Jahr nach Reha-Ende (s. Abbildung 1 [Abb. 1]). Die hierzu eingesetzten Messinstrumente sind in Tabelle 1 [Tab. 1] aufgeführt.

Statistik

Die statistische Auswertung erfolgte mit Hilfe des Statistikprogramms PASW 18 (SPSS Inc., 2009).

Zur Identifizierung von relevanten Prädiktoren der Ergebnisse der Rehabilitation wurden schrittweise multiple Regressionsanalysen mit den Veränderungen im IRES-24, HADS und LZI im Verlauf (T3–T1) als vorherzusagende Kriterien berechnet. Die Vorhersagen wurden aufgrund psychosozialer, soziodemografischer, erwerbsbezogener und krankheitsbezogener Parameter, die zu Reha-Beginn erhoben wurden, erstellt, um relevante Einflussfaktoren auf den längerfristigen Erfolg der Rehabilitation zu identifizieren.

Um dem Einfluss der Regression zur Mitte zu kontrollieren und zu ermitteln, ob unabhängig vom Ausgangswert eines Ergebnisparameters noch andere Variablen Einfluss auf die Veränderung im Verlauf bei dieser Variable haben, wurden multiple Regressionsanalysen mit den Veränderungswerten des IRES-24, der HADS-Angst- und Depressionsskala und des Lebenszufriedenheitsinventars dargestellt.

Analyse von prädiktiven Faktoren für den Reha-Erfolg

Zur Vorhersage des Reha-Erfolgs bzw. der Veränderungen der zentralen Ergebnisparameter im Verlauf (Kriterium) werden als psychosoziale Prädiktorvariablen die Rehabilitationsbezogenen Kognitionen (REHAKOG), die Krankheitsverarbeitung (FKV), die soziale Unterstützung (F-Sozu-K7), die psychische Belastung (HADS), der Reha-Status (IRES-24), die Lebenszufriedenheit, die Belastung durch die Krebserkrankung (FBK-R10) und die Behandlungszufriedenheit zu Reha-Ende (BZI) einbezogen. Als soziodemografische Prädiktorvariable wird das Alter berücksichtigt. Als erwerbsbezogene Prädiktorvariablen kommen die subjektive Prognose der Erwerbsfähigkeit (SPE) und die IRES-3-Skalen Arbeitszufriedenheit, Beanspruchung am Arbeitsplatz und berufliche Sorgen hinzu. Als erkrankungs- und behandlungsbezogene Parameter wurden das Tumorstadium und die Dauer der stationären Rehabilitationsmaßnahme einbezogen.

Analyse von prädiktiven Faktoren für die Rückkehr zum Arbeitsplatz („Return-to-work“)

Zur Vorhersage für eine erfolgreiche Rückkehr an den Arbeitsplatz wurden folgende Parameter als Kriteriumsvariablen eingesetzt: Aktuelle Erwerbssituation (Krankschreibung JA/NEIN), Krankheitsdauer bis zur Katamnese, stufenweise Wiedereingliederung (JA/NEIN) und gestellter oder geplanter Rentenantrag (JA/NEIN). Die hier eingesetzten Fragen orientierten sich am Vorgehen bei Morfeld et al. [9].


Ergebnisse

Deskriptive Statistiken zu Reha-Verlauf

Es zeigen sich hier erwartungsgemäß vor allem signifikante Korrelationen zwischen den Ausgangswerten zu T1 und den Veränderungswerten im Verlauf desselben Fragebogens. So korrelieren die Ausgangswerte in den IRES-24 Unterskalen alle negativ mit der Veränderung im IRES-24. Die Richtung der Korrelation ist hier so zu interpretieren, dass geringe Ausgangswerte im IRES-24 (= schlechter Reha-Status) mit größeren Verbesserungen im IRES-24 im Verlauf einhergehen.

Auch im HADS und LZI zeigte eine negative Korrelation, dass hohe Ausgangsbelastung mit einer stärkeren Verringerung der Belastung im Verlauf korreliert. Neben diesen Korrelationen mit den Ausgangswerten zeigen sich bei den Brustkrebspatientinnen noch schwache aber signifikante Korrelationen im REHAKOG, die in der Richtung zu interpretieren sind, dass die Motivation für „aktive Mitarbeit für normales Leben“ mit geringeren Verbesserungen bzw. Verschlechterungen der Depressionswerte im Verlauf zusammenhängt und die Befürchtung unangenehmer Konfrontation mit Kranken eher mit Verbesserungen der Depressivität im Verlauf assoziiert ist.

In Tabelle 2 [Tab. 2] sind die Parameter der multiplen Regression zur Vorhersage der Veränderung im IRES-24-Gesamtwert von Reha-Beginn bis zur Katamnese dargestellt. Es konnte mit fünf Prädiktorvariablen eine Varianzaufklärung von 33,9% (korrigiertes R2) erzielt werden. Erwartungsgemäß ist auch hier ein hoher Ausgangswert im IRES-24 als stärkster Prädiktor mit einer größeren Verbesserung im Verlauf assoziiert. Die Ergebnisse sind so zu interpretieren, dass unabhängig vom Ausgangswert im IRES-24 eine stärkere Verbesserung (bzw. geringere Verschlechterung) im IRES-24 mit geringerer Beanspruchung am Arbeitsplatz, mit geringerer Motivation zu aktiver Mitarbeit für verbesserte Stimmung und mit höheren Werten auf der Skala Religiosität und Sinnsuche des FKV einhergeht.

Die Ergebnisse einer multiplen Regression zur Vorhersage der Veränderung im HADS-Angst-Wert von Reha-Beginn zu Reha-Ende sind in Tabelle 3 [Tab. 3] dargestellt. Insgesamt wird eine Varianzaufklärung von 31,4% erreicht. Auch hier ist ein hoher Ausgangswert der stärkste Prädiktor für eine Verringerung der Angst im Verlauf. Weiterhin prognostizieren eine schlechte subjektive Erwerbsprognose (hoher SPE-Wert), eine geringere Behandlungszufriedenheit bezogen auf die Rahmenbedingungen, stärkere Depressivität, geringeres Alter und höhere Werte auf der FKV-Skala „Bagatellisierung und Wunschdenken“ eine geringere Verbesserung bzw. eine größere Verschlechterung der HADS-Angst-Werte im Verlauf. Über den bereits vom Ausgangswert erklärten Varianzanteil hinaus werden durch diese weiteren Variablen jedoch nur 8,7% der Varianz aufgeklärt.

Mittels weiterer multipler Regressions-Analysen wurde die Vorhersage der Veränderung im HADS-Depressions-Wert von T1 zu T3 ermittelt. Auch hier klärte der HADS-D-Ausgangswert bereits 27,7 Prozent der Varianz auf. Die weiteren signifikanten Prädiktoren SPE, soziale Unterstützung und HADS-Angst klären noch 5,6% der Kriteriumsvarianz auf. So korreliert eine schlechtere subjektive Erwerbsprognose (P=0.001), eine geringere soziale Unterstützung (P=0.001) und stärkere Angst zu Reha-Beginn (P=0.012) mit einer geringeren Verbesserung bzw. größeren Verschlechterung der HADS-Depressions-Werte im Verlauf.

Auch zum Lebenszufriedenheitsinventar (LZI) wurde eine multiple Regressionsanalyse durchgeführt, in der durch den LZI-Ausgangswert 19,9% der Kriteriumsvarianz geklärt wurde; Depressivität (HADS), Arbeitszufriedenheit und Religiosität/Sinnsuche (FKV) erklären einen weiteren Varianzanteil von 17,8%. So zeigt sich, dass unabhängig vom LZI-Ausgangswert eine geringere Depressivität (P<0.001), höhere Arbeitszufriedenheit (P<0.001) und ein höherer Wert auf der FKV-Skala „Religiosität und Sinnsuche“ (P=0.011) eine stärkere Verbesserung bzw. geringere Verschlechterung der Lebenszufriedenheit im Verlauf vorhersagen.

Als weiteres vorherzusagendes Kriterium wurde die Behandlungszufriedenheit in eine multiple Regressionsrechnung einbezogen. Hierfür wurde der Gesamtwert der Behandlungszufriedenheit zu Reha-Ende als Kriterium eingesetzt, wobei mit sieben Prädiktorvariablen eine Varianzaufklärung von 23,5% erzielt werden konnte. Die Prädiktoren können so interpretiert werden, dass Patienten, die schon zu Reha-Beginn negativere Erwartungen bzw. Befürchtungen in Bezug auf die Reha haben (wie z.B. befürchtete unangenehme Konfrontation mit Kranken oder soziale Nachteile durch die Reha), zu Reha-Ende weniger zufrieden sind. Weiterhin korrelieren geringere soziale Unterstützung, eine geringere depressive Verarbeitung im FKV, eine geringere Arbeitszufriedenheit und eine bessere subjektive Erwerbsprognose mit einer geringeren Behandlungszufriedenheit.

Erwerbstätigkeit und Arbeitssituation

Wie in Tabelle 4 [Tab. 4] zu sehen ist, erwiesen sich als signifikante Prädiktoren für einen erfolgreichen „Return-to-work“ die subjektive Erwerbsprognose, die soziale Unterstützung, die Beanspruchung am Arbeitsplatz und die Dauer der Reha-Maßnahme. Mit den Gesamtscores des IRES und des HADS ließen sich hier allerdings keine Effekte auf eine erfolgreiche oder erschwerte Rückkehr in das Erwerbsleben dokumentieren. Es lässt sich so interpretieren, dass Patienten, die eine schlechtere subjektive Erwerbsprognose angeben, weniger soziale Unterstützung haben, eine stärkere Beanspruchung am Arbeitsplatz aufweisen und länger in der stationären Rehabilitation bleiben, eine geringere Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Rückkehr an den Arbeitsplatz haben. Mit diesen Prädiktorvariablen kann eine Varianzaufklärung (Nagelkerkes R2) von 30,8% erreicht werden und es kann für 76,8% der Patienten auf Grund dieser Prädiktorvariablen der „Return-to-work“ korrekt vorhergesagt werden.


Diskussion

Die Effekte der onkologischen Rehabilitation, insbesondere von den dabei durchgeführten psychosozialen Interventionen sind zunehmend belegt [10], [11], [12], allerdings gibt es noch wenig Evidenz zu möglichen prädiktiven Faktoren zum Thema „Reha-Erfolg“ sowie Re-Integration („Return-to-work“) bei onkologischen Patienten [13].

In dieser Studie wurden Prädiktoren des Erfolges der onkologischen Rehabilitation mittels Regressionsanalysen identifiziert. Der Erfolg der Rehabilitation wurde dabei durch die Veränderungen bis zur Katamnese im Reha-Status, bei Angst, Depressivität und Lebenszufriedenheit und durch das „Return-to-work“-Kriterium operationalisiert.

Bei der Frage, wodurch sich eine Verbesserung oder Verschlechterung des Befindens und des subjektiven Gesundheitszustandes sowie des Reha-Erfolges vorhersagen lässt, zeigte sich, dass bei allen betrachteten Ergebnisparametern die Ausgangsbelastung zu Reha-Beginn einen wesentlichen Beitrag zur Vorhersage der Verbesserung bzw. Verschlechterung des Befindens bzw. der Belastung leistete. Zu Reha-Beginn stärker belastete Patienten zeigten eine stärkere Verbesserung im Verlauf als weniger belastete Patienten. Unabhängig von diesem Phänomen konnten jedoch weitere Merkmale der Patienten als bedeutsame Vorhersagevariablen des Reha-Erfolgs identifiziert werden. So trugen zur Vorhersage der positiven Veränderung des Reha-Status die Beanspruchung am Arbeitsplatz, die Motivation zu „aktiver Mitarbeit für verbesserte Stimmung“ und eine stärker auf Religiosität und Sinnsuche orientierte Krankheitsverarbeitung bei. Wobei entgegen unserer Erwartungen die Motivation zu aktiver Mitarbeit eher mit geringeren Verbesserungen im Verlauf assoziiert zu sein schien. Bei der Prädiktion der Veränderungen des HADS-Angst-Wertes im Verlauf trugen neben dem Angst-Ausgangswert eine schlechtere subjektive Erwerbsprognose, geringere Behandlungszufriedenheit, stärkere Depressivität, jüngeres Alter und stärker ausgeprägtes Bagatellisieren und Wunschdenken als Coping zur Vorhersage einer geringeren Verbesserung der Angst im Verlauf bei. Eine geringere Verbesserung der HADS-Depressionswerte im Verlauf hing unabhängig vom Ausgangswert ebenfalls mit einer schlechteren subjektiven Erwerbsprognose, geringerer sozialer Unterstützung und einem höheren HADS-Angst-Wert zu Reha-Beginn zusammen. Bei der Lebenszufriedenheit tragen geringere Depressivität, höhere Arbeitszufriedenheit und eine stärker auf Religiosität und Sinnsuche bezogene Krankheitsverarbeitung zu einer stärkeren Verbesserung der Lebenszufriedenheit im Verlauf bei.

Bei der Vorhersage der Behandlungszufriedenheit zum Reha-Ende konnten 23,5% der Gesamtvarianz durch mehrere Prädiktorvariablen erklärt werden. So zeigte sich, dass negative Erwartungen oder Befürchtungen in Bezug auf die Reha mit einer geringeren Behandlungszufriedenheit assoziiert sind, weiterhin tragen geringere soziale Unterstützung, eine weniger depressive Krankheitsverarbeitung, eine geringere Arbeitszufriedenheit und eine bessere subjektive Erwerbsprognose zur Vorhersage einer geringeren Behandlungszufriedenheit bei. Es zeigt sich also, dass die Behandlungszufriedenheit durch sehr viele verschiedene Patientencharakteristika beeinflusst wird (und dass vermutlich auch einige andere hier nicht identifizierte Einflussgrößen eine Rolle spielen).

Gleichzeitig sagt jedoch auch eine höhere Depressivität, gemessen mit der HADS, und eine stärkere Schmerzbelastung eine Verschlechterung nach Reha-Ende voraus. Während das Ergebnis in Bezug auf die Schmerzbelastung gut nachvollziehbar ist, erscheint der Einfluss der Depressivität widersprüchlich. Hier ist wie auch bei anderen Prädiktoren, die in einer nicht erwartungskonformen Richtung in die Regressionsgleichung eingehen, zu berücksichtigen, dass diese Variablen auch als Suppressorvariablen wirken können, indem sie Fehlervarianz der anderen Vorhersagevariablen unterdrücken.

In Bezug auf erwerbsbezogene Probleme und Belastungen berichten die erwerbstätigen Patienten von deutlich höheren beruflichen Belastungen als in der gleichen Alters- und Geschlechtsgruppe der Normierungsstichprobe. So lagen sowohl bei der Beanspruchung am Arbeitsplatz, der Arbeitszufriedenheit als auch den berufsbezogenen Sorgen fast die Hälfte der Patientinnen unter einem T-Wert von 40. Die höchsten Ausprägungen zeigen sich bei den Brustkrebspatientinnen im Bereich berufliche Sorgen. In Anbetracht dieser deutlichen Ausprägungen von erwerbsbezogenen Problemen und Belastungen erscheint es verwunderlich, dass nur ein recht kleiner Teil der Krebspatienten berufs- bzw. erwerbsbezogene Ziele in den Zielfragebögen angibt. Hier kann vermutet werden, dass die Patienten zwar Belastungen und Schwierigkeiten im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Situation erleben, diese jedoch vielleicht als schwer beeinflussbar ansehen oder von der medizinischen Rehabilitation nicht erwarten, in diesem Bereich wirksame Unterstützung zu erhalten, weshalb sie gar nicht erst Zielvorstellungen für diesen Bereich entwickeln.

Generell ist die Datenlage, was die Analyse des „Return-to-work“ bei Patienten mit Brustkrebs betrifft, sehr gering, insbesondere mangelt es an Interventionsstudien mit Kontrollgruppen zur Evaluation spezifischer Interventionen mit dem Ziel einer verbesserten beruflichen Re-Integration der betroffenen Patientinnen.

Im Rahmen dieser Studie wurde u.a. ein neu konzipiertes Schulungsprogramm evaluiert, dass im Gegensatz mit dem Standard-Programm bzw. der Kontrollgruppe keine signifikante Verbesserung in Bezug auf den „Return-to-work“ erzielte [14].

Allerdings konnte unabhängig von dem durchgeführten Schulungs- und Informationskonzept der „Return-to-Work“ als Kriterium der erfolgreichen (Re-)Integration ins Erwerbsleben nach der Krebserkrankung und Behandlung am besten über die subjektive Prognose der Erwerbsfähigkeit, die soziale Unterstützung, die Beanspruchung am Arbeitsplatz und die Dauer der Rehabilitation erklärt werden. Dem gegenüber zeigen weder auffällige Werte des IRES- oder des HADS-Gesamtscores eine Korrelation mit der Rückkehr zur Arbeit. Die erfolgreiche Rückkehr in die Erwerbstätigkeit hängt also wesentlich von Merkmalen der ausgeübten Tätigkeit und von der subjektiven Überzeugung ab nicht mehr weiter arbeiten zu können, und nicht von krankheitsbezogenen Variablen. Dies bestätigt Ergebnisse von Mittag [15], [16] sowie eine aktuelle Meta-Analyse von 39 Studien, wonach die subjektive Beurteilung der Erwerbsfähigkeit und die individuelle Motivation, aber auch die Unterstützung und Flexibilität am Arbeitsplatz die wichtigsten Prädiktoren für einen erfolgreichen „Return-to-work“ sind [17].

Dass die Dauer der Rehabilitation ein relevanter Prädiktor ist, könnte darin begründet sein, dass Patienten mit einer schlechten sozialmedizinischen Prognose bereits in der Rehabilitation – auch ohne ein etabliertes Screening zur Detektion von Patientinnen mit beruflichen Problemlagen – schon gut identifiziert werden und häufiger eine Verlängerung der Rehabilitationsmaßnahme empfohlen und bewilligt bekommen.

Daher sollten spezielle Interventionskonzepte für einen „Return-to-work“ interdisziplinär konzipiert werden [18] und v.a. motivationsfördernde Maßnahmen sowie gezielte Eingliederungshilfen beinhalten. Da alle Daten die große Bedeutung von unterstützenden Maßnahmen direkt am Arbeitsplatz belegen, sollte eine auf berufliche Integration ausgerichtete onkologische Rehabilitation (z.B. MBOR-Konzept der Dt. Rentenversicherung) idealerweise auch die Zusammenarbeit mit Arbeitgebern und Betriebsärzten beinhalten.

Mit allgemeinen Rehabilitationsmaßnahmen zur Linderung therapie- und krankheitsbedingter Folgestörungen oder standardisierten Schulungskonzepten, die die individuelle berufliche Situation sowie hemmende Faktoren (v.a. Motivation) der Patientinnen nicht berücksichtigen, wird sich – nach Meinung der Autoren – keine Steigerung der beruflichen Eingliederung bei onkologischen Patienten erreichen lassen.


Anmerkung

In memoriam Professor Fritz Muthny.


Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Förderung

Diese Studie wurde gefördert durch die Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung NRW (ARGE).


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