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GMS Zeitschrift zur Förderung der Qualitätssicherung in medizinischen Laboratorien

Gesellschaft zur Förderung der Qualitätssicherung in medizinischen Laboratorien e. V. (INSTAND e. V.)

ISSN 1869-4241

Internationale Standardisierung bei ISO und CEN und Ringversuche

Übersichtsarbeit

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GMS Z Forder Qualitatssich Med Lab 2009;1:Doc03

doi: 10.3205/lab000003, urn:nbn:de:0183-lab0000033

Veröffentlicht: 20. Oktober 2009

© 2009 Reinauer.
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Einleitung

In der Europäischen Union wurde die Standardisierung auf nationaler Ebene zugunsten der Standardisierung auf europäischer oder internationaler Ebene beendet.

DIN, als nationale Standardisierungsorganisation, ist Mitglied in den internationalen Standardisierungsgremien, unterhält Spiegelgremien zu Standardisierungsarbeiten auf internationaler Ebene, koordiniert die Standardisierungsarbeiten auf nationaler Ebene (Behörden, wissenschaftliche Fachgesellschaften und Industrieverbände), erstellt aber keine DIN-Normen mehr. DIN kann u.a. auch das zentrale Sekretariat für Technical Committees von ISO (Internationale Organisation für Standardisierung) oder CEN (European Committee for Standardization) übernehmen, wie es jüngst für CEN/TC 140 erfolgreich geschehen ist.

Um die Ziele der internationalen Standards von ISO und CEN bei der externen Qualitätssicherung in medizinischen Laboratorien und deren Verbindlichkeit zu verstehen, sollen in Kürze die Aktivitäten der beiden Standardisierungsorganisationen dargestellt werden.


ISO – Internationale Organisation für Standardisierung

ISO nahm seine Tätigkeit 1947 auf. Die Zahl der Mitgliedsländer ist seither massiv angestiegen, und 2006 waren bereits 158 Länder mit ihren nationalen Standardisierungsorganisationen an der ISO-Arbeit beteiligt (Abbildung 1 [Abb. 1]).

Das Ziel von ISO ist die Erstellung von internationalen Normen, die Produkte, Dienstleistungen, Analyseverfahren, Konformitätsbewertungen, organisatorische und Managementstandards betreffen (Abbildung 2 [Abb. 2]).

Die ISO-Struktur besteht, wie in der Abbildung 3 [Abb. 3] dargestellt, aus der Generalversammlung, aus dem Council, dem Zentralen Sekretariat in Genf. Die wesentlichen Arbeiten zur Erstellung von Standards werden in den Technical Committees und unter dieser Koordination in den einzelnen Arbeitsgruppen (Working-Groups) durchgeführt.

Es gibt 185 aktive Technical Committees bei ISO, und in den zahlreichen Working-Groups sind mittlerweile 17.000 Normen entstanden (Abbildung 4 [Abb. 4]). Das zentrale Sekretariat in Genf hat 155 Mitarbeiter, die diese Standardisierungsbemühungen koordinieren und fördern. Jährlich entstehen etwa 1000 neue Standards, was eine erhebliche administrative und koordinierende Arbeit erfordert.

Die erste Frage: Was ist ein/e Standard/Norm und wozu brauchen wir diese große Zahl von internationalen Normen? Eine mögliche Antwort ist in der Abbildung 5 [Abb. 5] zusammengestellt. Es geht um die Förderung der Globalisierung des Handels, der Dienstleistungen und des Vertriebes von Produkten. Es geht auch wesentlich um Verbraucher- und Umweltschutz und die Standardisierung von neuen Technologien sowie Innovationen.

Die zweite Frage: Was ist eine Norm und welche Verbindlichkeit haben die Normen für die Mitgliedsländer?

In der Abbildung 6 [Abb. 6] ist die Definition der Norm bzw. des Standards dargestellt. Es ist ein öffentlich zugängliches Dokument, das unter Beteiligung aller interessierten Gremien und Parteien und auf dem letzten Stand der Wissenschaft und Technik erstellt worden ist.

Ein wesentliches Statement zu den ISO-Normen ist:

  • ISO-Normen sind technische Leitlinien, deren Verwendung freiwillig ist (Abbildung 7 [Abb. 7]).

Verbindlichkeit erhalten ISO-Normen dann, wenn nationale Gesetze oder Verordnungen eine oder mehrere dieser Normen zum Bestandteil von nationalen Regelwerken erklären. So ist zum Beispiel ISO 15189 in wesentlichen Teilen verbindlich geworden durch Teil A der neuen Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung, die ein Qualitätsmanagement-System für die medizinischen Laboratorien vorschreibt.

Die Philosophie der ISO-Standardisierung zielt primär auf horizontale Standards ab, die fundamentale Konzepte, Prinzipien und Anforderungen betreffen (Abbildung 8 [Abb. 8]).

Im Gegensatz zu den horizontalen Normen sind vertikale Standards in der Regel nicht der Gegenstand von Standardisierungsbemühungen bei ISO (Abbildung 9 [Abb. 9]).

Unter vertikalen Standards versteht man detaillierte Darstellungen von Produkten und Prozessen, auch von analytischen Verfahren. In diese Klasse würden u.a. die Referenzmessverfahren für Enzyme, die Standards für die Durchführung von Gerinnungsanalysen fallen. Erst 2009 ist der Antrag zur Überarbeitung der Referenzmethode für die Analyse von Hämoglobin (Ferricyanid Methode) von ISO/TC 212 abgelehnt worden, weil es ein typischer vertikaler Standard ist.

Die Initiative zur Erstellung eines Standards geht in der Regel über die nationale Standardisierungsorganisation, in Deutschland über DIN.

DIN leitet die nationale Initiative von Behörden, wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Industrieverbänden weiter an CEN oder ISO, wo das zuständige Technical Committee darüber abstimmt, ob eine Working Group zur Erstellung eines Standards eingerichtet werden soll oder nicht. So war zum Beispiel durch Initiative von INSTAND e.V. auf nationaler Ebene ein Konsens erzielt worden, die Beschreibung von Referenzmessverfahren zu standardisieren. In diesem Fall war die Initiative zunächst bei CEN gelandet und wurde danach ISO 15193.

Wenn das zuständige Technical Committee dem Projekt zugestimmt und die Finanzierung geklärt ist, beginnt die Arbeit in einer Working Group, zu der sich Vertreter aus den nationalen Standardisierungsorganisationen melden können.

Sie wählen aus ihrer Reihe einen Koordinator (Convenor). Die Arbeiten in der Working Group laufen über mehrere Jahre und das Produkt, ein schriftliches Dokument, erhält in Abhängigkeit vom Entwicklungsstadium, verschiedene Abkürzungen, die erkennen lassen, auf welcher Stufe der Bearbeitung das Dokument ist. In Abbildung 10 [Abb. 10] sind diese Abkürzungen dargestellt.

Das Endergebnis ist ein ISO-Standard, abgekürzt IS, dem alle Beteiligten nationaler Standardisierungsorganisationen mehrheitlich zugestimmt haben.

Neben den internationalen Standards werden bei ISO auch andere abgestimmte Dokumente erstellt, zum Beispiel technische Spezifikationen (Abbildung 11 [Abb. 11]).

Eine typische technische Spezifikation (TS) ist ISO/DTS 25680 „Medical Laboratories: Calculation and expression of measurement uncertainty“.

ISO/TC 212

Für die medizinischen Laboratorien ist das Technical Committee TC 212 zuständig.

TC 212 befasst sich mit Analysen in klinischen Laboratorien und mit in-vitro-Diagnostik-Systemen. Das Sekretariat von ISO/TC 212 ist bei CLSI. Die Zahl der teilnehmenden Ländern ist 32. Genaue Zielsetzung von ISO/TC 212 ist in Abbildung 12 [Abb. 12] dargestellt. Derzeit sind 4 Working Groups bei ISO/TC 212 etabliert (Abbildung 13 [Abb. 13]).

Aus diesen Working Groups sind wichtige internationale Standards hervorgegangen, wie aus Abbildung 14 [Abb. 14] ersichtlich wird.

Ringversuche

Zur Organisation von Ringversuchen sind bei ISO mehrere Dokumente erstellt worden, so zum Beispiel ISO Guide 43-1, ISO Guide 43-2. Diese werden zur Zeit zusammengefasst in einem ISO/TC 0063 mit der Dokumenten Nr. DIN/ EN /ISO/IEC 17043.


CEN/CENELEC

In der Europäischen Union sind eigene Europäische Standardisierungsorganisationen entstanden, das European Committee for Standardization (CEN) und das European Committee for Electrotechnical Standardization (Abbildung 15 [Abb. 15]). Das Sekretariat von CEN und CENELEC ist in Brüssel. Die Standardisierungsarbeiten in der EU werden ebenfalls in Technical Committees organisiert. Für die medizinischen Laboratorien zuständig ist CEN/TC 140. Bei CEN/TC 140 sind 9 Working Groups tätig (Abbildung 16 [Abb. 16]).

Auch bei CEN und bei CENELEC werden Analog den ISO-Normen u.a. freiwillige Standards erstellt. Daneben gibt es mandardierte harmonisierte Normen, die eine Verbindung zur In-vitro Diagnostic Medical Device Directive (98/79 EC) haben (vgl. Article 11) und somit eine regulative Funktion haben.

Die Standardisierung von Ringversuchen ist in CEN/TC 140, Working Group 9, bearbeitet worden. Aus diesen Arbeiten ist eine Europäische Norm EN 14136:2004 hervorgegangen (Abbildung 17 [Abb. 17]). Das Mandat zu dieser EN-Norm wurde von der EC erteilt (Abbildung 18 [Abb. 18]).

Diese EN-Norm entstand zum Vollzug des Artikels 11 der IVMD-Richtlinie (Beobachtungs- und Meldeverfahren). Den Ringversuchsorganisationen kommt eine besondere Rolle bei der Marktbeobachtung von IVMDs zu. Daher wurde von der EC das Mandat an CEN erteilt, eine harmonisierte Norm mit dem Titel:

„Use of external quality assessment schemes in the assessment of the performance in vitro diagnostic examination procedures“.

Die wesentlichen Inhalte dieser EN-Norm sind in Abbildung 19 [Abb. 19] zusammengefasst.

In dieser Norm ist auch festgelegt, dass die Ringversuchsorganisation ein Qualitätsmanagement einrichten und pflegen sollen.

Da die IVDMD-Direktive in das Medizin-Produktegesetz übernommen worden ist, gibt es im § 8 MPG auch eine nationale Regelung zu harmonisierten Normen in der EU (Abbildung 20 [Abb. 20]).

Damit werden zwei verschiedene internationale Normen über Ringversuche nebeneinander bestehen, wobei ISO/CASCO/EC 17043 eine reine Empfehlung darstellt, während EN 14136 aufgrund der Mandatierung und Harmonisierung regelnden Charakter hat.

Die juristische Deutung dieser Normen mag schwierig sein, es bleibt aber festzuhalten, dass EN 14136 eine gewisse Verbindlichkeit in der EU hat.

Es gibt einige wesentliche Unterschiede in der Formulierung zwischen EN 14136 und ISO/IEC DIS 17043. So ist die Passage über die Anforderungen an die Ringversuchsorganisationen unterschiedlich, wie in Abbildung 21 [Abb. 21] dargestellt.

Der Hintergrund dieser unterschiedlichen Formulierungen ist auf die Aktivität der EDMA (European Diagnostic Manufacturers Association) zurückzuführen, die nicht akzeptieren wollen, dass die Ringversuchsorganisationen unabhängig von kommerziellen, finanziellen und anderen Interessen sein sollen. Letztlich geht es darum, ob die Hersteller von Medizinprodukten als Ringversuchsorganisationen zugelassen werden können.

Diesem steht zumindest in der Europäischen Union die EN 14136 entgegen. Nicht nur EN 14136, sondern auch ILAC/G-13 (International Laboratory Accreditation Cooperation) stellt fest, dass die Ringversuchsorganisation nicht kommerziell ausgerichtet sein soll.

In der BRD fordert auch die Richtlinie der Bundesärztekammer, dass die Ringversuchsorganisationen unabhängige, gemeinnützige, wissenschaftliche Organisationen sein müssen, die von der Bundesärztekammer benannt und überwacht werden.

Eigentümlicherweise nimmt die Richtlinie der Bundesärztekammer bisher keinen Bezug zu EN 14136:2004, was aber sicherlich noch nachgeholt werden könnte.


Zusammenfassung

1.
Die nationale Normungsarbeit in den Ländern der EU ist beendet. Normungsprojekte können nur bei ISO oder CEN bearbeitet werden.
2.
Die Normungsinitiative erfolgt über die nationale Standardisierungsorganisation, und die Spiegelgremien sind bei DIN.
3.
Alle ISO-Normen und viele EN-Normen sind keine verbindlichen Dokumente.
4.
Normen können verbindlich werden, wenn nationale Institutionen mit Entscheidungsbefugnis diese Normen im Rahmen eines Regelwerkes vorschreiben.
5.
Verbindlich sind in der EU die mandatierten und harmonisierten Normen. Sie ergänzen die EU-Richtlinie 98/79 EC über in vitro Diagnostika (vgl. § 8 MPG).
6.
EN 14136:2004 ist eine mandatierte und harmonisierte Norm und sollte daher in den nationalen Regelungen über Ringversuche verankert werden.

Literatur

1.
ISO/IEC 17000:2004. Conformity assessment – Vocabulary and general principles. 2004.
2.
DIN EN ISO/IEC 17043:2009: Konformitätserklärung – Allgemeine Anforderungen an Eignungsprüfungen (ISO/IEC DIS 17043:2008). 2009.
3.
ISO/DTS 25680. Medical Laboratories – Calculation and expression of measurement uncertainty. ISO/TC 212/N231.
4.
EN 14136:2004. Use of external quality assessment schemes in the assessment of the performance in vitro diagnostic examination procedures. Official Journal of the European Union; 15.11.2006.
5.
Bundesärztekammer. Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen. Dtsch Ärztebl 2008;105:A341-355.