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Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Infektionen: Einführung und Antibiotika
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Veröffentlicht: | 26. März 2020 |
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Gliederung
Zusammenfassung
Dies ist das erste Kapitel der von der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. (PEG) herausgegebenen S2k Leitlinie „Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – Update 2018“ in der 2. aktualisierten Fassung.
Bei der vorliegenden Leitlinie handelt sich um die Überarbeitung der 2010 erschienenen Empfehlungen unter Berücksichtigung neuerer Substanzen und Studien. Wie bei früheren Überarbeitungen werden hierbei die aktuelle Resistenzsituation der Erreger und die Ergebnisse neuer klinischer Studien berücksichtigt. Das Ergebnis sind die vorliegenden Empfehlungen zur parenteralen kalkulierten Initialtherapie bakterieller Infektionen beim Erwachsenen. Werden mehrere Therapieoptionen genannt, sind sie in ihrem mikrobiologischen Wirkungsspektrum nicht immer gleichwertig. Therapiealternativen bieten die Möglichkeit, die Erregerepidemiologie zu berücksichtigen, Antibiotika-Unverträglichkeiten zu umgehen oder situationsadaptiert eine Therapie zu eskalieren oder zu deeskalieren. Der vorliegende Beitrag beschreibt die verschiedenen Therapiemöglichkeiten.
Einleitung
Bei der vorliegenden Leitlinie handelt sich um die Überarbeitung der 2010 [1] erschienenen Empfehlungen unter Berücksichtigung neuerer Substanzen und Studien. Wie bei früheren Überarbeitungen werden hierbei die aktuelle Resistenzsituation der Erreger und die Ergebnisse neuer klinischer Studien berücksichtigt und die Substanzen in tabellarischer Form zusammengefasst.
Die Therapieempfehlungen werden mit Empfehlungsgraden versehen. Es gelten die in Tabelle 1 [Tab. 1] dargestellten Empfehlungsgrade.
Das Ergebnis sind die vorliegenden Empfehlungen zur parenteralen kalkulierten Initialtherapie bakterieller Infektionen beim Erwachsenen. Werden mehrere Therapieoptionen genannt, sind sie in ihrem mikrobiologischen Wirkungsspektrum nicht immer gleichwertig. Therapiealternativen bieten die Möglichkeit, die Erregerepidemiologie zu berücksichtigen, Antibiotika-Unverträglichkeiten zu umgehen oder situationsadaptiert eine Therapie zu eskalieren oder zu deeskalieren. Der behandelnde Arzt kann damit seine Therapieentscheidung dem Risikoprofil des einzelnen Patienten besser anpassen. Die Empfehlungen der PEG fokussieren auf die Initialtherapie bakterieller Infektionen. Im Rahmen der Etablierung von Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Therapie – im englischen Sprachraum als Antibiotic Stewardship (ABS) bezeichnet – spielt die leitliniengerechte Wahl der Initialtherapie eine entscheidende Rolle. Sie ist eine der ABS-Kernstrategien und Bestandteil der Qualitätssicherung von ABS-Maßnahmen. Eine falsche Initialtherapie hat negative klinische und ökonomische Auswirkungen.
Somit stehen die aktualisierten Empfehlungen im Einklang mit den Anforderungen an ABS in Deutschland.
Bewertung der zugelassenen Indikationen für die einzelnen Antibiotika
Bedingt durch unterschiedliche Zulassungsbedingungen im Rahmen der Fortentwicklung des Arzneimittelgesetzes haben viele ältere Antibiotika ein deutlich breiteres zugelassenes Indikationsspektrum als die Substanzen, die in den letzten 15–20 Jahren vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder European Medicines Agency (EMA) zugelassen wurden. Wegen der in diesem Zeitraum erheblich erhöhten Anforderungen an die klinische Entwicklung und den damit verbundenen Kosten besteht bei neueren Substanzen oft eine Zulassung nur für ein oder zwei Anwendungsgebiete. Sie werden bei schweren oder durch multiresistente Erreger verursachten Infektionen jedoch auch außerhalb des mit der Zulassung genehmigten Gebrauchs eingesetzt (Off-Label-Gebrauch).
Bezüglich der rechtlichen Aspekte des Off-Label-Gebrauchs existiert eine Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19. März 2002 (B 1 KR 37/00 R), nach der Verordnungen außerhalb der behördlich zugelassenen Indikationen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen erstattet werden, wenn
- es sich um schwerwiegende Erkrankungen handelt,
- keine andere Therapie verfügbar ist und
- aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht.
Die Probleme und offenen Fragen für die medizinische Praxis sind in einer Stellungnahme im Bundesgesundheitsblatt dargelegt worden.
Jeder Arzt hat seine Therapieentscheidung gemeinsam mit einem individuellen Patienten zu treffen. Der Arzt wird sich für die Therapie mit der besten zur Verfügung stehenden Evidenz entscheiden. Er muss jedoch prüfen, ob das Ergebnis seiner Entscheidungsfindung tatsächlich auf den individuellen Patienten, für den er die Therapieentscheidung zu treffen hat, übertragbar ist (Integration mit interner Evidenz). Insbesondere in der Infektionstherapie mit parenteralen Antibiotika ist wegen der problematischen Resistenzsituation auf Intensivstationen und im hämato-onkologischen Bereich der Einsatz unterschiedlicher Antibiotika-Gruppen zur Verminderung des Selektionsdruckes zwingend notwendig, so dass der Off-Label-Gebrauch von mikrobiologisch aktiven Substanzen in bestimmten Situationen gerechtfertigt ist, z.B. bei der Behandlung von Infektionen bei kritisch kranken Patienten oder Infektionen durch Erreger, die eine Resistenz gegen die zugelassenen Antibiotika erworben haben.
Charakterisierung der Antibiotika
Beta-Lactame
Beta-Lactame üben einen bakteriziden Effekt aus und zeigen eine zeitabhängige Tötungskinetik. Aus diesem Grund gilt die Zeitdauer des Wirkstoffspiegels oberhalb der minimalen Hemmkonzentration (T>MHK) als wichtigste Kenngröße für die Wirksamkeit von Beta-Lactam-Antibiotika.
Penicilline
Die Einteilung der parenteralen Penicilline in Gruppen erfolgt nach ihrer Struktur in Benzylpenicillin, Aminopenicilline, Acylaminopenicilline und Isoxazolylpenicilline. Verbunden mit diesen Struktureigenschaften zeigen Penicilline ein sehr unterschiedliches Verhalten gegenüber Erregern und Beta-Lactamasen. Der postantibiotische Effekt ist, soweit vorhanden, nur von kurzer Dauer. Informationen zur Applikation der Penicilline finden sich in Kapitel 3 [2].
Die pharmakokinetischen Eigenschaften der Penicilline zeigen untereinander keine große Variabilität. Die Verteilung erfolgt vornehmlich extrazellulär, das relative Verteilungsvolumen liegt bei 0,2–0,4 l/kg Körpergewicht. Die Liquorgängigkeit der Penicilline ist bei entzündeten Meningen und adäquater Dosierung ausreichend. Die Plasmahalbwertszeiten betragen bei nierengesunden Patienten 1–2 Stunden, die Elimination erfolgt meist unverändert renal. Die Plasmaproteinbindung ist sehr unterschiedlich und kann Werte von >90% bei den Isoxazolylpenicillinen erreichen. Das antibakterielle Wirkungsspektrum der Penicilline ist je nach Gruppe schmal bis sehr breit und das wichtigste Auswahlkriterium für den klinischen Einsatz.
Benzylpenicillin (Penicillin G)
Das Wirkungsspektrum von Penicillin G umfasst die meisten Streptokokken, Pneumokokken, Meningokokken, Spirochäten und einige anaerobe Erreger wie Clostridien und Actinomyces-Arten. Benzylpenicillin ist gegen Staphylokokken wegen der Produktion von Beta-Lactamasen oder veränderter Bindeproteine nur in wenigen Fällen wirksam. Die Zulassung von Penicillin G erlaubt einen Einsatz bei nahezu allen systemischen und lokalen Infektionen, unabhängig von der Infektlokalisation, wenn die Infektion durch Penicillin-empfindliche Erreger verursacht wird. Da das Wirkungsspektrum sehr schmal ist, sollten schwere Infektionen vor Erregernachweis initial nicht in Monotherapie behandelt werden. Beim Erysipel und bei Monoinfektion durch Streptokokken und Pneumokokken gilt Penicillin G jedoch wegen der günstigen Gewebepenetration, der sehr guten Verträglichkeit und den in Deutschland niedrigen Resistenzraten (Daten zur aktuellen Resistenzsituation in Deutschland finden sich in Kapitel 2 [3]) als das Mittel der ersten Wahl. Bei Patienten aus diversen anderen Ländern (z.B. Spanien) muss mit deutlich höheren Resistenzraten bei den Pneumokokken gerechnet werden.
In der Depotform liegt Benzylpenicillin mit organischen Basen als schwerlösliches Salz für die intramuskuläre Injektion vor. Die Plasmakonzentrationen sind niedrig und die Spitzenkonzentrationen werden mit erheblicher Verzögerung erreicht. Indikationen des Depot-Penicillins sind u.a. die Rezidivprophylaxe des rheumatischen Fiebers und des Erysipels sowie die Therapie der primären Syphilis (Lues I).
Isoxazolylpenicilline: Flucloxacillin, Oxacillin
Sie besitzen ein schmales Wirkungsspektrum im grampositiven Bereich und haben eine gute Wirkung auf Staphylokokken, einschließlich Penicillinase-produzierender Stämme. Gegen Methicillin-resistente Staphylokokken sind auch diese Penicillin-Derivate unwirksam. Gegenüber anderen grampositiven Erregern wirken sie schwächer als Benzylpenicillin. Sie sollten daher nur zur gezielten Therapie von Infektionen durch Methicillin-sensible Staphylokokken eingesetzt werden.
Im Vergleich zu den anderen Penicillinen zeigen Isoxazolylpenicilline eine hohe Plasmaeiweißbindung von mehr als 90%.
Aminopenicilline: Ampicillin, Ampicillin/Sulbactam, Amoxicillin/Clavulansäure
Das antibakterielle Spektrum der Aminopenicilline umfasst grampositive sowie einige gramnegative Erreger. Die Wirkung gegen Streptokokken, einschließlich der Pneumokokken, ist gut und gegen Enterococcus faecalis sowie Listerien im Vergleich zu Penicillin G sogar stärker. Die Wirkung gegen Staphylokokken und gramnegative Erreger, vor allem Vertreter der Enterobacteriaceae, Moraxella catarrhalis und Bacteroides fragilis, ist wegen zunehmender Resistenz der Erreger durch die Bildung von Beta-Lactamasen sehr eingeschränkt. Bis zu 80% der Stämme zeigen eine verminderte Empfindlichkeit. Die Kombination mit einem Beta-Lactamase-Inhibitor (BLI) kann das Spektrum der Aminopenicilline auf zahlreiche Beta-Lactamase-produzierende grampositive und gramnegative Erreger sowie Anaerobier erweitern, so dass eine kalkulierte Therapie möglich ist. Ampicillin besitzt eine Zulassung für die Behandlung akuter und chronischer bakterieller Infektionen mit nachgewiesen empfindlichen Erregern, unabhängig von der Infektlokalisation und dem Schweregrad der Erkrankung, einschließlich Endokarditis, Meningitis und Sepsis. Zugelassen ist es zur Therapie von Infektionen der oberen und unteren Atemwege, der Nieren und ableitenden Harnwege, des Bauchraumes, der Geschlechtsorgane, der Haut- und Weichgewebe und für die perioperative Antibiotika-Prophylaxe. In fixer Kombination sind Amoxicillin/Clavulansäure und Ampicillin/Sulbactam auf dem Markt erhältlich. Sulbactam steht auch zur freien Kombination zur Verfügung.
Häufigste unerwünschte Wirkungen der Aminopenicilline sind pseudoallergische Hautreaktionen. Ein morbilliformes Exanthem tritt meist 5–10 Tage nach Behandlungsbeginn auf. Betroffen sind vor allem Patienten mit gleichzeitiger Virusinfektion (z.B. infektiöser Mononukleose).
Acylaminopenicilline: Mezlocillin, Piperacillin, Piperacillin/Tazobactam, Kombinationen mit Sulbactam
Das Wirkungsspektrum der Acylaminopenicilline umfasst grampositive und gramnegative Erreger. Piperacillin erfasst auch Pseudomonas aeruginosa. Aufgrund der hohen Rate Beta-Lactamase-bildender Staphylokokken, aber auch von Enterobacteriaceae und wichtigen Anaerobiern, ist die Wirkung der Acylaminopenicilline alleine allerdings häufig eingeschränkt. Auch hier lässt sich durch Kombination mit einem Beta-Lactamase-Inhibitor das Wirkungsspektrum auf Beta-Lactamase-produzierende Erreger erweitern, so dass sich die Acylaminopenicillin/BLI-Kombinationen zur kalkulierten Initialtherapie auch schwerer nosokomialer Infektionen eignen. Zur Wahl stehen die fixe Kombination von Piperacillin mit Tazobactam und die freie Kombination von Mezlocillin oder Piperacillin mit Sulbactam. Tazobactam ist in vitro der effektivere Inhibitor. Für die fixe Kombination (Piperacillin/Tazobactam) sprechen unter dem Aspekt einer evidenzbasierten Antibiotika-Therapie gut dokumentierte Studien, praktische Vorteile in der Zubereitung und pharmakokinetische Aspekte, da insbesondere bei niereninsuffizienten Patienten die Kinetik von Piperacillin und Sulbactam divergiert, während Piperacillin und Tazobactam weitgehend parallel aufgenommen, verteilt und ausgeschieden werden. Das zugelassene Einsatzgebiet der Acylaminopenicilline ist umfassend und beinhaltet systemische und lokale Infektionen durch empfindliche Erreger (grampositiv, gramnegativ, aerob, anaerob, Mischinfektionen), HNO-Infektionen (nur Piperacillin), schwere systemische Infektionen wie z.B. Sepsis, bakterielle Endokarditis, Meningitis, Atemwegsinfektionen, intraabdominelle Infektionen, Infektionen der Nieren und der ableitenden Harnwege, gynäkologische Infektionen, Haut- und Weichgewebeinfektionen (einschließlich Verbrennungen), Knochen- und Gelenkinfektionen (einschließlich Osteomyelitis) sowie die perioperative Prophylaxe.
Cephalosporine
Die parenteralen Cephalosporine werden in Deutschland nach den Empfehlungen der PEG z.Zt. in 5 Gruppen eingeteilt. Die bisherige Gruppe 5 beinhaltete als einzigen Vertreter Cefoxitin. Da der Vertrieb von Cefoxitin in Deutschland eingestellt wurde, wurde die dadurch frei gewordene Position von Ceftarolin und Ceftobiprol, zwei neuen Cephalosporinen mit MRSA-Aktivität (siehe Gruppe 5), übernommen. Die pharmakodynamischen Eigenschaften der Cephalosporine entsprechen denen der Penicilline. Bei den pharmakokinetischen Parametern zeigen sich bei einzelnen Substanzen erhebliche Unterschiede in der Elimination. Die meisten Cephalosporine werden überwiegend unverändert renal ausgeschieden. Die durchschnittliche Plasmahalbwertszeit bei nierengesunden Patienten liegt bei ca. 2 Stunden. Davon abweichende pharmakokinetische Eigenschaften zeigt Ceftriaxon mit einer durchschnittlichen Halbwertszeit von ca. 8 Stunden und überwiegend biliärer Elimination. Cephalosporine verteilen sich extrazellulär wie die Penicilline mit einem relativen Verteilungsvolumen von 0,2–0,4 l/kg Körpergewicht.
Cephalosporine werden im Allgemeinen sehr gut vertragen. Allergische Reaktionen sind weniger häufig als bei den Penicillinen. Kreuzallergien zu den Penicillinen sind eher selten (<10%). Aktuelle Resistenzdaten finden sich in Kapitel 2 [3]. Bei der Einteilung der Cephalosporine wurde ausschließlich die antibakterielle Aktivität des Antibiotikums berücksichtigt.
Cephalosporine der Gruppe 1: Cefazolin
Cefazolin wirkt vorwiegend gegen Staphylokokken und Streptokokken. Bei Methicillin-resistenten Staphylokokken ist Cefazolin, wie alle anderen Cephalosporine, jedoch mit der Ausnahme von Ceftobiprol und Ceftarolin (siehe Cephalosporine Gruppe 5), unwirksam. Der Anteil empfindlicher Enterobacteriaceae (wie Escherichia coli, Klebsiella spp. etc.) hat in den letzten Jahren abgenommen. Cefazolin ist vor allem zur Therapie von Infektionen durch Methicillin-empfindliche Staphylokokken sowie für die perioperative Prophylaxe geeignet.
Cephalosporine der Gruppe 2: Cefuroxim
Cefuroxim besitzt gegenüber Cefazolin ein erweitertes Spektrum im gramnegativen Bereich, das auch Haemophilus influenzae einschließt. Zudem zeigt es eine gute Aktivität gegen Methicillin-sensible Staphylokokken. Bei AmpC-produzierenden Enterobacteriaceae, wie Enterobacter spp. und Citrobacter spp. sowie bei Morganella morganii und Proteus vulgaris muss mit hohen Resistenzraten gerechnet werden. Die Zulassung umfasst Infektionen durch empfindliche Erreger bei einem breiten Spektrum von Erkrankungen, wie z.B. Haut-/Weichgewebeinfektionen, Knochen- und Gelenkinfektionen, Atemwegsinfektionen, Infektionen der Nieren und der ableitenden Harnwege. Die Sequenztherapie mit der oralen Darreichungsform (Cefuroximaxetil) wird bei schweren Infektionen aufgrund der geringen Bioverfügbarkeit und der im Vergleich zur parenteralen Gabe reduzierten Dosis nicht empfohlen.
Cephalosporine der Gruppe 3
- 3a: Cefotaxim, Ceftriaxon
- 3b: Ceftazidim (± Avibactam)
- 3c: Ceftolozan (nur in Kombination mit Tazobactam)
Cephalosporine der Gruppe 3 haben ein breites Wirkungsspektrum mit einer ausgeprägten antibakteriellen Aktivität gegenüber gramnegativen Bakterien. Eingeschränkt wird ihr Wirkungsspektrum allerdings durch die Ausbreitung von Enterobacteriaceae mit „Extended-Spektrum“-Beta-Lactamasen (ESBL), die auch die Cephalosporine der Gruppe 3 inaktivieren. In Kombination mit einem Beta-Lactamase-Inhibitor werden jedoch auch ESBL-Bildner erfasst (siehe unten). Ceftriaxon wird zu 40–50% hepatobiliär ausgeschieden und übt einen vergleichsweise hohen Resistenzselektionsdruck auf das gastrointestinale Mikrobiom aus. Die In-vitro-Aktivität von Cefotaxim und Ceftriaxon gegenüber Staphylokokken ist im Vergleich zu den Cephalosporinen der Gruppen 1 und 2 schwächer, die von Ceftazidim und Ceftolozan unzureichend. Für die Behandlung von Infektionen, bei denen Staphylokokken vermutet oder nachgewiesen werden, sind diese beiden Cephalosporine nicht geeignet. Ceftazidim und Ceftolozan sind im Gegensatz zu Cefotaxim und Ceftriaxon auch gegenüber Streptokokken und Pneumokokken klinisch unwirksam. Cefotaxim und Ceftriaxon (Gruppe 3a) zeigen dafür keine, Ceftazidim (Gruppe 3b) und Ceftolozan (Gruppe 3c) hingegen eine sehr gute Pseudomonas-Wirksamkeit. Die zugelassenen Indikationen der Cephalosporine der Gruppen 3a und 3b umfassen Erkrankungen aller Organsysteme, soweit sie durch empfindliche Erreger verursacht werden. Die neue Gruppe 3c umfasst das neue Cephalosporin Ceftolozan, welches in fixer Kombination mit dem Beta-Lactamase-Inhibitor Tazobactam erhältlich ist.
Ceftolozan/Tazobactam
Ceftolozan/Tazobactam hat eine gute antibakterielle Aktivität gegen Pseudomonas aeruginosa, ebenso gegenüber Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae, inklusive der meisten ESBL-produzierenden Stämme. Ceftolozan/Tazobactam ist unwirksam gegenüber Staphylokokken und Anaerobiern (außer Bacteroides fragilis) und es besitzt keine Aktivität gegen Carbapenem-resistente Bakterien, die Serin-Carbapenemasen (z.B. KPC, OXA) oder Metallo-Beta-Lactamasen (z.B. VIM, NDM) produzieren. Die derzeitig zugelassenen Indikationen sind komplizierte intraabdominelle Infektionen, akute Pyelonephritis und komplizierte Harnwegsinfektionen. Zulassungsstudien in der Indikation HAP werden zurzeit durchgeführt.
Ceftazidim/Avibactam
Avibactam, ein neuer Beta-Lactamase-Inhibitor, hemmt Beta-Lactamasen der Ambler-Klassen A und C sowie einige Enzyme der Klasse D, jedoch nicht Enzyme der Klasse B (d.h. Metallo-Beta-Lactamasen). In der fixen Kombination mit dem Cephalosporin der Gruppe 3b Ceftazidim verbessert Avibactam die Wirksamkeit gegenüber Stämmen von Pseudomonas aeruginosa, Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae, die ESBL-Enzyme, AmpC-Beta-Lactamasen und bestimmte Carbapenemasen wie KPC oder OXA-48 produzieren. Ceftazidim/Avibactam ist seit dem 1. Juli 2016 zugelassen zur Behandlung von Patienten mit komplizierten intraabdominellen Infektionen (cIAI), komplizierten Harnwegsinfektionen (cUTI) und nosokomialen Pneumonien (einschließlich VAP).
Eine weitere zugelassene Indikation ist die Behandlung von Infektionen durch aerobe gramnegative Erreger mit begrenzten Behandlungsoptionen. Die zugelassene Dosis beträgt 3x 2,5 g Ceftazidim/Avibactam i.v. mit einer Infusionsdauer von 2 Stunden.
Cephalosporine der Gruppe 4: Cefepim
Cefepim hat eine den Cephalosporinen der Gruppe 3a vergleichbare Staphylokokken-Aktivität und eine dem Ceftazidim vergleichbare Pseudomonas-Wirksamkeit. Cefepim ist zudem in vitro wirksam gegenüber Erregern, die AmpC-Beta-Lactamasen überexprimieren (vor allem Enterobacter spp., Citrobacter freundii), was es von den Cephalosporinen der Gruppe 3 unterscheidet. ESBL-bildende Erreger sind jedoch resistent.
Cephalosporine der Gruppe 5: Ceftarolin, Ceftobiprol
Das Wirkspektrum von Ceftarolin entspricht dem der Cephalosporine der Gruppe 3a. Darüber hinaus besitzt Ceftarolin eine Wirksamkeit gegenüber Methicillin-resistenten Staphylokokken. Die zugelassenen Indikationen sind komplizierte Haut- und Weichgewebeinfektionen und die ambulant erworbene Pneumonie. Ceftobiprol zeigt eine den Cephalosporinen der Gruppe 4 vergleichbare Aktivität gegen gramnegative Erreger und ist zusätzlich gegen Methicillin-resistente Staphylokokken aktiv. Zudem ist Ceftobiprol in vitro gegen einen Teil der Stämme von Enterococcus faecalis aktiv. Die derzeitige Zulassung umfasst schwere Haut- und Weichgewebeinfektionen sowie nosokomiale Pneumonien außer beatmungsassoziierten Pneumonien (VAP). Die Einhaltung der vorgegebenen Infusionsdauer von 2 Stunden ist zur Vermeidung unerwünschter Wirkungen notwendig [4].
Carbapeneme
Carbapeneme sind gut verträgliche Beta-Lactam-Antibiotika, die aufgrund ihres Wirkungsspektrums in 2 Gruppen eingeteilt werden. Sie zeigen ein sehr breites Wirkungsspektrum im grampositiven und gramnegativen Bereich, einschließlich Anaerobier und ESBL-bildender Erreger. In den letzten Jahren wurde bei nosokomialen Infektionen über Carbapenemase-bildende Stämme berichtet. Carbapeneme zeigen bei diesen Erregern keine bzw. nur eine verminderte Aktivität. Stenotrophomonas maltophilia ist von Natur aus gegenüber Carbapenemen resistent. Ebenso besitzen die Carbapeneme keine Aktivität gegen Methicillin-resistente Staphylokokken sowie gegen Enterococcus faecium. Zur Gruppe 1 zählen Imipenem (in Kombination mit Cilastatin) und Meropenem. Cilastatin ist ein Inhibitor der renalen Dehydropeptidase-I, die Imipenem metabolisiert. Die Gruppe 2 beinhaltet Ertapenem. Ertapenem weist im Gegensatz zur Gruppe 1 keine klinische Wirksamkeit gegenüber Pseudomonas spp. und Acinetobacter spp. auf.
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal sind die pharmakokinetischen Parameter. Die Verteilung der Carbapeneme erfolgt extrazellulär, das relative Verteilungsvolumen liegt zwischen 0,1 l/kg KG (Ertapenem) und 0,2 l/kg KG (Imipenem, Meropenem). Die Bindung an humane Serum-Proteine beträgt für Ertapenem >90%, für Imipenem/Cilastatin ca. 20/40% und für Meropenem etwa 2%. Alle Carbapeneme werden teilweise metabolisiert und vorzugsweise renal eliminiert. Die Halbwertszeit bei nierengesunden Patienten liegt bei den Carbapenemen der Gruppe 1 bei etwa einer Stunde. Ertapenem hat eine längere Halbwertszeit (ca. 4 Stunden) und wird 1x täglich dosiert. Imipenem/Cilastatin und Meropenem sind dosisäquivalent. Bei weniger empfindlichen Erregern und schweren Infektionen wird eine längere Infusionsdauer für Meropenem empfohlen. Die Stabilität von Imipenem reicht für eine prolongierte Infusionsdauer oder eine kontinuierliche Gabe nicht aus. Bei allen Carbapenemen (wie bei allen Penicillinen) ist eine dosisabhängige epileptogene unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) bekannt. Unter Imipenem werden solche UAW am häufigsten berichtet (Imipenem >Ertapenem >Meropenem). Die Substanz ist zur Behandlung von ZNS-Infektionen nicht geeignet. Meropenem ist als einziges Carbapenem zur Therapie der Meningitis zugelassen.
Monobactame: Aztreonam
Aztreonam zeigt ein den anderen Beta-Lactamen ähnliches pharmakokinetisches und pharmakodynamisches Verhalten. Es wirkt ausschließlich gegen gramnegative Erreger, einschließlich Pseudomonas aeruginosa. Acinetobacter spp., Stenotrophomonas maltophilia sowie ESBL-bildende Enterobacteriaceae sind resistent. Dem gegenüber sind Metallo-Beta-Lactamase (MBL)-bildende Stämme sensibel. Aufgrund der Strukturunterschiede zu den anderen Beta-Lactam-Antibiotika ist kaum mit einer Kreuzallergie zu rechnen. Die klinische Relevanz von Aztreonam ist (noch) gering. Es kann als Kombinationspartner mit Antibiotika eingesetzt werden, die nur im grampositiven Bereich wirken. In der Zukunft könnte Aztreonam aber an Bedeutung gewinnen, denn die Kombination mit Avibactam, die sich z.Zt. in der klinischen Entwicklung befindet, ist auch gegen Bakterienstämme wirksam, die bestimmte Serin-Carbapenemasen wie KPC oder OXA-48 produzieren.
Fluorchinolone
Die Einteilung der Fluorchinolone erfolgt nach den Empfehlungen der PEG in 4 Gruppen. Da nur in den Gruppen 2–4 parenteral verfügbare Substanzen vertreten sind, werden hier nur diese Gruppen berücksichtigt. Fluorchinolone weisen eine konzentrationsabhängige Bakterizidie auf. Das Wirkungsspektrum ist breit. Auf die Unterschiede zwischen den Gruppen wird in den nachfolgenden Abschnitten hingewiesen. Die hohen Resistenzraten von Escherichia coli und anderen Enterobacteriaceae schränken den Einsatz der Fluorchinolone in Monotherapie als kalkulierte Initialtherapie vor allem bei nosokomialen Infektionen deutlich ein. In der Regel besteht eine Kreuzresistenz zwischen allen Fluorchinolonen. Die Fluorchinolone verteilen sich extra- und intrazellulär. Sie haben ein hohes relatives Verteilungsvolumen von meist 2–4 l/kg KG und penetrieren gut in viele Gewebe. Die Proteinbindung liegt meist unter 40%. Levofloxacin wird nahezu ausschließlich renal eliminiert, Ciprofloxacin auch biliär und transintestinal ausgeschieden. Moxifloxacin wird zum größten Teil durch Konjugationsreaktionen eliminiert. Die Halbwertszeit beträgt 3–4 Stunden für Ciprofloxacin, 7–8 Stunden für Levofloxacin und mehr als 10 Stunden für Moxifloxacin, was die unterschiedliche Applikationshäufigkeit erklärt.
Unerwünschte Wirkungen treten bei etwa 4–10% der behandelten Patienten auf, meist als Störung des Magen-Darm-Trakts, ZNS-Reaktion in Form von Schlaflosigkeit und Benommenheit oder Hautreaktion. Die EMA hat auf Initiative des BfArM im Februar 2017 für Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone und Chinolone ein Verfahren gestartet, das alle Berichte über schwerwiegende Nebenwirkungen, die zu starken Einschränkungen und potentiell bleibenden Beeinträchtigungen führen können, neu bewertet. So soll u.a. die Frage beantwortet werden, ob das Risiko für die bereits bekannten schwerwiegenden Nebenwirkungen Auswirkungen auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis hat. Dies gilt insbesondere bei der Anwendung der Arzneimittel für die Behandlung von weniger schwerwiegenden Infektionen wie akuter bakterieller Sinusitis, akuter Exazerbation der chronischen Sinusitis, akuter Exazerbation der chronischen Bronchitis oder unkomplizierten Harnwegsinfektionen. Die amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) hatte bereits 2016 eine Anpassung der Warnhinweise und Produktinformationen vorgenommen, damit Fluorchinolone bei bestimmten Infektionen restriktiver verordnet werden.
Fluorchinolone der Gruppe 2: Ciprofloxacin, (Ofloxacin)
Ciprofloxacin hat eine sehr gute Wirksamkeit gegen gramnegative Enterobakterien und Haemophilus influenzae, eine gute Wirksamkeit gegen Pseudomonas aeruginosa, eine schwächere Wirkung gegen Staphylokokken und eine klinisch nicht ausreichende Wirkung gegen Pneumokokken und Enterokokken. Die Wirksamkeit gegenüber Chlamydien, Legionellen und Mykoplasmen ist schwächer ausgeprägt als die der Fluorchinolone der Gruppen 3 und 4. Zugelassene Indikationen sind unkomplizierte und komplizierte Infektionen der Nieren und/oder der ableitenden Harnwege, des HNO-Bereichs, der Atemwege (nicht bei Pneumokokken), des Bauchraums, der Genitalorgane, der Knochen und Gelenke, der Haut und Weichgewebe, die Sepsis sowie Infektionen bei neutropenischen Patienten.
Der Einsatz von Ofloxacin wird nicht mehr empfohlen (siehe unten).
Fluorchinolone der Gruppe 3: Levofloxacin
Levofloxacin ist das linksdrehende Enantiomer und damit der wirksame Anteil des Razemates Ofloxacin. Damit verfügt Levofloxacin gegenüber Ofloxacin über eine doppelt so hohe antibakterielle Aktivität. Zudem kann es in einer höheren Dosierung verabreicht werden als Ofloxacin. Es hat im Vergleich mit Ciprofloxacin eine höhere Aktivität gegen grampositive Erreger wie Staphylokokken, Streptokokken, Pneumokokken sowie gegenüber Legionellen, Chlamydien und Mykoplasmen. Die Aktivität gegen gramnegative Erreger ist vergleichbar mit der von Ciprofloxacin, allerdings etwas geringer gegen Pseudomonas aeruginosa.
Levofloxacin ist zugelassen zur Therapie ambulant erworbener Pneumonien, komplizierter Harnwegsinfektionen und von Haut- und Weichgewebeinfektionen.
Fluorchinolone der Gruppe 4: Moxifloxacin
Moxifloxacin besitzt strukturbedingt eine im Vergleich zu den Fluorchinolonen der Gruppen 2 und 3 deutlich höhere Aktivität gegenüber grampositiven Erregern wie Staphylokokken und Streptokokken, einschließlich Pneumokokken. Auch die Aktivität gegenüber Legionellen, Chlamydien und Mykoplasmen ist noch einmal gesteigert. Moxifloxacin wirkt als einziger Vertreter der Fluorchinolone gegen grampositive und gramnegative Anaerobier. Gegen Pseudomonas aeruginosa hingegen besitzt es keine ausreichende Wirksamkeit.
Moxifloxacin ist zugelassen zur Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie sowie zur Behandlung von komplizierten Haut- und Weichgewebeinfektionen.
Makrolide und Azalide: Erythromycin, Clarithromycin, Azithromycin
Makrolide besitzen eine gute antibakterielle Wirksamkeit gegen Mykoplasmen, Legionellen und Chlamydien sowie gegen Streptokokken, einschließlich Pneumokokken, und Bordetella pertussis. Die Resistenzraten der Pneumokokken lagen bereits über 20%, zeigen aber eine rückläufige Tendenz. Angaben hierzu finden sich in Kapitel 2 [3]. Die klinische Wirksamkeit der Makrolide gegen Haemophilus influenzae ist, wenn überhaupt, nur in hoher Dosierung ausreichend. Die mikrobiologische Wirksamkeit von Clarithromycin und seines aktiven Metaboliten sowie von Azithromycin ist zwar höher als die von Erythromycin, wird aber hinsichtlich der klinischen Wirksamkeit ebenfalls als unzureichend angesehen. Makrolide sind zumeist bakteriostatisch wirksam, können aber bei höheren Konzentrationen auch einen bakteriziden Effekt entfalten. Der pharmakodynamische Effekt ist zeitabhängig. Makrolide verteilen sich intra- und extrazellulär. Bei den Makroliden wird über ihre antibakterielle Aktivität hinaus auch ein immunmodulatorischer Effekt diskutiert. Die pharmakokinetischen Parameter der Makrolide sind abhängig von der Dosis und bei Erythromycin auch von der Art des Derivats. Die Halbwertszeit liegt für Erythromycin unter 2,5 Stunden, für Clarithromycin zwischen 2 und 5 Stunden, für Azithromycin über 14 Stunden. Auch bei den Verteilungsvolumina werden erhebliche Unterschiede angegeben: Erythromycin ca. 0,7 l/kg KG, Clarithromycin ca. 4 l/kg KG, Azithromycin ca. 25 l/kg KG. Die Makrolide unterliegen einer ausgeprägten Metabolisierung über die Leber und werden vorzugsweise biliär ausgeschieden. Die häufigsten Nebenwirkungen der Makrolide sind gastrointestinale Störungen und ein Anstieg der Leberenzyme. Problematisch sind das hohe Interaktionspotenzial von Erythromycin und Clarithromycin sowie die Verlängerung der QTc-Zeit, die durch alle Makrolide einschließlich Azithromycin verursacht wird.
Zugelassene Indikationen sind Atemwegsinfektionen (insbesondere durch Chlamydophila pneumoniae oder Legionellen) sowie die Behandlung von Keuchhusten, Diphtherie, Scharlach und Erysipel.
Glykopeptide
Vancomycin, Teicoplanin
Der Wirkungsmechanismus der Glykopeptide beruht auf der Inhibition der Zellwandsynthese, charakterisiert durch die Bindung an den D-Ala-D-Ala Terminus der Peptidseitenkette. Vancomycin und Teicoplanin wirken ausschließlich im grampositiven Bereich. Ihr Wirkungsspektrum umfasst Staphylokokken, einschließlich Methicillin-resistenter Stämme, Streptokokken, Enterokokken, einschließlich Enterococcus faecium, Corynebakterien und Clostridium difficile. Eine Glykopeptid-Resistenz bei Staphylococcus aureus wurde weltweit bislang nur in Einzelfällen berichtet, bei den Koagulase-negativen Staphylokokken kommen Teicoplanin-resistente Stämme vor. Die Glykopeptide sollten nur dann eingesetzt werden, wenn aufgrund der Resistenzsituation oder wegen einer Allergie besser verträgliche Substanzen nicht in Frage kommen, da sie bei empfindlichen Erregern klinisch schlechter wirksam sind als Beta-Lactame. Glykopeptide wirken zeitabhängig mit einem nur langsam einsetzenden therapeutischen Effekt. Das Verteilungsvolumen von Vancomycin liegt bei 0,4–0,9 l/kg KG, das von Teicoplanin bei 1 l/kg KG. Die pharmakokinetischen Parameter unterliegen sehr starken inter- und intraindividuellen Schwankungen. Die Plasmahalbwertszeit von Vancomycin beträgt meist 4–6 Stunden, die von Teicoplanin 70–100 Stunden. Auch die Proteinbindung ist unterschiedlich: bei Vancomycin 55%, bei Teicoplanin 90%. Die Elimination der Glykopeptide erfolgt überwiegend renal in unveränderter Form. Glykopeptide haben ein substanzabhängiges nephro- und ototoxisches Potenzial. Ein therapeutisches Drug Monitoring (TDM) ist daher bei Vancomycin erforderlich. Bei Patienten mit Niereninsuffizienz sollten alternative Substanzen eingesetzt werden. Bei der Infusion von Vancomycin ist auf die vorgeschriebene Verdünnung und Infusionszeit zu achten, um einem Red-Man-Syndrom vorzubeugen. Die zugelassenen Indikationen umfassen die Sepsis, die Endokarditis, Infektionen der Knochen und Gelenke, der Atemwege, der Haut und Weichgewebe sowie der Nieren und ableitenden Harnwege.
Oritavancin, Telavancin, Dalbavancin
In der Gruppe der Glykopeptid-Antibiotika gibt es eine neue Subgruppe, die sogenannten komplex halbsynthetisch hergestellten Lipoglykopeptide Oritavancin, Telavancin und Dalbavancin. Es besteht für diese Präparate ein bakterizider Effekt gegenüber grampositiven Kokken wie Staphylokokken (einschließlich Methicillin-resistenter Stämme) und Enterokokken (teilweise einschließlich Vancomycin-resistenter Stämme). Die Wirkung der Lipoglykopeptide beruht nicht nur auf der Hemmung der Zellwandsynthese, sondern auch auf der Destabilisierung der bakteriellen Zytoplasmamembran.
Oritavancin ist zugelassen für die Behandlung von akuten bakteriellen Haut- und Weichgewebeinfektionen verursacht durch Methicillin-resistente Stämme (MRSA), aber auch Vancomycin-resistente Staphylococcus aureus (VRSA), Vancomycin-intermediär empfindliche Staphylococcus aureus (VISA) sowie heterogene VISA (hVISA). Im Vergleich zum Vancomycin besitzt Oritavancin eine 4- bis 6-mal höhere Aktivität gegen Streptokokken und Enterokokken einschließlich der Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE). Die Wirksamkeit von Oritavancin gegen VRE schließt sowohl Stämme mit dem VanA-Typ als auch Stämme mit dem VanB-Typ ein. Weiterhin zeigt Oritavancin eine potente Wirksamkeit gegen Clostridium difficile, die dem Metronidazol und Vancomycin überlegen ist. Durch die sehr lange Halbwertzeit von 393 Stunden kann dieses Antibiotikum als „single shot“ Therapie eingesetzt werden.
Telavancin ist ebenfalls ein Vancomycin-Analogon, das zur Behandlung von im Krankenhaus erworbenen MRSA Pneumonien zugelassen ist. Dieses Präparat ist aber nicht für die „first-line Therapie“ indiziert, sondern nur dann anzuwenden, wenn andere Therapien nicht geeignet oder fehlgeschlagen sind. Unerwünschte Wirkungen sind arrhythmogene, nephrotoxische, vermutlich teratogene und ototoxische Effekte. Telavancin sollte bei schweren Nierenerkrankungen und während der Schwangerschaft nicht angewendet werden. Es ist ebenfalls wirksam bei Infektionen mit VRSA, VISA und hVISA sowie VRE vom Typ VanB, aber nicht gegen solche vom Typ VanA. Weiterhin zeigt es eine sehr gute Aktivität (unabhängig von einer Penicillin-Resistenz) gegen Corynebacterium spp., Peptostreptococcus spp. und Clostridium spp.
Dalbavancin ist ein Teicoplanin-Analogon und ist zur Behandlung von komplizierten Haut- und Weichgewebeinfektionen zugelassen. Die Halbwertzeit beträgt 187 Stunden. Aus diesem Grund muss dieses Antibiotikum nur zweimalig verabreicht werden. Eine neuere Studie weist aus, dass auch eine einmalige Gabe in höherer Dosis ausreichend ist [5]. Das Wirkspektrum von Dalbavancin umfasst Staphylokokken (MSSA und MRSA), Koagulase-negative Staphylokokken (CoNS), VISA und hVISA, aber nicht VRSA. Dalbavancin ist aktiv gegenüber Enterokokken sowie Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) der Typen VanB und VanC, aber nicht gegen VanA. Es besteht ebenfalls eine gute Wirksamkeit gegenüber Penicillin-resistenten Streptococcus pneumoniae (PRSP). Eine sehr gute Wirkung besteht auch gegen andere grampositive aerobe und anaerobe Mikroorganismen wie z.B. Corynebacterium spp., Listeria spp. und Bacillus spp. sowie Peptostreptococcus spp.
Aminoglykoside: Amikacin, Gentamicin, Tobramycin
Sie sind wirksam im gramnegativen Bereich, vor allem gegen Enterobacteriaceae. Tobramycin und Amikacin besitzen gegen Pseudomonas aeruginosa eine bessere Wirksamkeit als Gentamicin. Die Wirkung gegen grampositive Erreger ist wenig ausgeprägt. Sie werden aber z.B. bei Infektionen mit Enterokokken in Kombination mit Beta-Lactam-Antibiotika eingesetzt, um deren Wirkung zu verstärken.
Aminoglykoside zeigen eine ausgeprägte, schnell einsetzende, konzentrationsabhängige Bakterizidie. Die Serum- beziehungsweise Gewebekonzentration sollte dabei nach Möglichkeit mindestens das 10-fache der minimalen Hemmkonzentration (MHK) des Erregers überschreiten. Der postantibiotische Effekt der Aminoglykoside kann in Abhängigkeit von der Serumkonzentration, dem Kombinationspartner und dem Immunstatus des Patienten mehrere Stunden andauern. Die Wirkung der Aminoglykoside ist vom pH-Wert abhängig. Im sauren und anaeroben Milieu sind sie unwirksam. Aminoglykoside verteilen sich extrazellulär und werden unverändert renal eliminiert. Das relative Verteilungsvolumen liegt bei ca. 0,25 l/kg KG mit einer Schwankungsbreite von 0,1–0,8 l/kg KG. Die Plasmahalbwertszeit liegt bei nierengesunden Patienten bei ca. 2 Stunden, doch können bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion deutlich längere Zeiten erreicht werden. Insbesondere bei Risikopatienten muss daher die Kreatinin-Clearance berücksichtigt werden; ein TDM ist erforderlich. Vor allem in der Kombinationstherapie mit Beta-Lactam-Antibiotika sollte einer einmal täglichen Gabe der Gesamttagesdosis der Vorzug gegenüber der konventionellen 3x täglichen Dosierung gegeben werden, um eine möglichst hohe Spitzenkonzentration zu erreichen. Für die 1x tägliche Dosierung gibt es Hinweise auf eine geringere Toxizitätsrate mit günstigeren klinischen Erfolgen. Innerhalb eines 24-Stunden-Dosierungsintervalls werden als therapeutische Zielbereiche Talkonzentrationen von <1 mg/l und (extrapolierte) Spitzenkonzentrationen von 15–20 mg/l für Gentamicin und Tobramycin und ca. 60 mg/l für Amikacin bei Patienten mit normaler Nierenfunktionsleistung angestrebt. Aminoglykoside sind Antibiotika mit einem ausgeprägten oto- und nephrotoxischen Potenzial, die nur nach strenger Indikationsstellung eingesetzt werden sollen. Bei sachgerechter Anwendung (1x täglich, kurze Behandlungsdauer, TDM) sind sie als Antibiotika mit akzeptabler Verträglichkeit anzusehen (siehe Kapitel 4 [6]). Zugelassene Indikationen sind schwere (nosokomiale) Infektionen durch gramnegative Stäbchen, Fieber bei Neutropenie und Pseudomonas-Infektionen bei zystischer Fibrose. Aminoglykoside dürfen für diese Behandlungen niemals in Monotherapie gegeben werden. Sie werden in der Regel mit einem Beta-Lactam-Antibiotikum kombiniert. In der Kombination mit Aminopenicillinen werden sie für die Therapie der Enterokokken-Endokarditis und bei Infektionen durch Listerien verwendet. In der Regel werden die Aminoglykoside nur zur Kurzzeittherapie (3–5 Tage) eingesetzt.
Oxazolidinone: Linezolid, Tedizolid
Die Oxazolidinone wirken nur gegenüber grampositiven Erregern. Sie zeigen eine gute Aktivität gegenüber grampositiven Kokken wie Staphylokokken (einschließlich Methicillin-resistenter Stämme) und Enterokokken (einschließlich Vancomycin-resistenter Enterokokken, VRE). Es besteht ein bakterizider Effekt gegenüber Streptokokken und ein bakteriostatischer Effekt gegenüber Staphylokokken und Enterokokken. Das relative Verteilungsvolumen von Linezolid wird mit ca. 0,6 l/kg KG angegeben, die Proteinbindung liegt bei 30%, die Halbwertszeit bei 5–7 Stunden. Die Elimination erfolgt hauptsächlich renal.
Linezolid ist zugelassen für die Behandlung ambulant erworbener und nosokomialer Pneumonien sowie komplizierter Haut- und Weichgewebeinfektionen. Während der Therapie müssen Blutbildkontrollen wegen einer möglichen Thrombozytopenie durchgeführt werden. Die Therapiedauer sollte 28 Tage nicht überschreiten.
Tedizolid ist ein Oxazolidinon der 2. Generation und zeigt in vitro eine 4- bis 8-fach höhere Aktivität gegenüber grampositiven Erregern als Linezolid. Die Substanz ist zur Therapie von akuten bakteriellen Haut- und Weichgewebeinfektionen zugelassen. In der Zulassungsstudie wurden unter Tedizolid bei einer Therapiedauer von 6 Tagen bei gleicher Wirksamkeit statistisch weniger gastrointestinale Nebenwirkungen und Thrombozytopenien beobachtet als unter Linezolid bei einer Therapiedauer von 10 Tagen.
Lincosamide: Clindamycin
Clindamycin zeigt eine vorwiegend bakteriostatische, zeitabhängige Wirkung auf Staphylokokken, Streptokokken, Bacteroides-Arten, Corynebakterien und Mycoplasma pneumoniae. Aufgrund seines Wirkungsmechanismus hemmt Clindamycin die Toxinproduktion bei Staphylokokken und Streptokokken und ist damit ein wichtiger Kombinationspartner bei Infektionen, bei denen die Toxinwirkung klinisch im Vordergrund steht. Das relative Verteilungsvolumen beträgt ca. 0,6 l/kg KG, die Halbwertszeit liegt bei 2–3 Stunden. Clindamycin wird zu mehr als 80% in aktive Metabolite umgewandelt. Zugelassene Indikationen sind die Behandlung von Infektionen durch Clindamycin-empfindliche Erreger der Knochen und Gelenke, einschließlich der septischen Arthritis, Infektionen im Zahn-, Kiefer-, HNO-Bereich, der tiefen Atemwege, im Becken- und Bauchraum, der Haut, Hautanhangsgebilde und Weichgewebe sowie Scharlach, Sepsis und Endokarditis.
Tetracycline: Doxycyclin
Das Wirkungsspektrum von Doxycyclin umfasst grampositive und gramnegative Erreger sowie Chlamydien und Mykoplasmen. Doxycyclin wirkt primär bakteriostatisch und zeigt sowohl extra- als auch intrazelluläre antimikrobielle Aktivität. Das relative Verteilungsvolumen liegt bei 0,8 l/kg KG, die Halbwertszeit beträgt etwa 10–22 Stunden. Doxycyclin wird in geringem Umfang metabolisiert und überwiegend biliär, aber auch renal eliminiert. Die zugelassenen Indikationen für Doxycyclin sind sehr allgemein gefasst und beinhalten die Behandlung von Infektionen durch empfindliche Erreger, vorzugsweise im Bereich Hals-Nasen-Ohren, der Atemwege, des Urogenital- und Magen-Darm-Trakts, der Gallenwege sowie die Borreliose. Doxycyclin intravenös ist heute Mittel der Wahl u.a. der Therapie der Rickettsiose, Pest, Brucellose und des Q-Fiebers.
Glycylcycline: Tigecyclin
Tigecyclin hat ein breites Wirkungsspektrum, das auch multiresistente grampositive Erreger wie MRSA und VRE sowie multiresistente gramnegative Erreger wie ESBL-bildende Enterobacteriaceae und multiresistente Acinetobacter baumannii umfasst. Weiterhin gehören Anaerobier sowie Chlamydien, Mykoplasmen und Legionellen zum Wirkungsspektrum der Substanz. Tigecyclin ist nicht wirksam gegen Pseudomonas aeruginosa, Proteus spp., Morganella morganii und Providencia spp. Die Wirkungsweise ist primär bakteriostatisch. Bei einigen Erregern, wie Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae, konnte auch ein bakterizider Effekt gezeigt werden [7], [8]. Das Verteilungsvolumen beträgt 7–9 l/kg. Die durchschnittliche terminale Halbwertszeit liegt bei 42 Stunden. Die Elimination erfolgt zu 59% über Galle und Fäzes und zu 33% über den Urin. Die zugelassenen Indikationen sind komplizierte Haut- und Weichgewebeinfektionen sowie komplizierte intraabdominelle Infektionen.
Ansamycine: Rifampicin
Rifampicin wirkt in vitro u.a. gut gegen Mykobakterien, Staphylokokken, einschließlich Methicillin-resistenter Stämme, Streptokokken und Enterococcus faecalis. Der Effekt auf proliferierende Zellen ist stark bakterizid bis bakteriostatisch, je nach Dosierung und Aktivität des Erregers. Wegen der hohen Wahrscheinlichkeit einer schnellen Resistenzentwicklung darf Rifampicin nicht in Monotherapie gegeben werden. Rifampicin ist zu 70–90% proteingebunden. Die Substanz ist gut membrangängig und reichert sich intrazellulär an. Das relative Verteilungsvolumen beträgt >1 l/kg KG. Die Halbwertszeit ist abhängig von der Therapiedauer. Bei Langzeitbehandlung werden durch Autoinduktion der Metabolisierung Werte von 2–3 Stunden erreicht. Rifampicin wird biliär und renal eliminiert. Bei der Anwendung von Rifampicin bei Patienten bei Nierenersatzverfahren muss mit einer relevanten Arzneistoffadsorption am Filter gerechnet werden. Ob und bei welcher Arzneistoffmenge eine Sättigung dieser Adsorption am Dialysefilter eintritt, ist bisher nicht detailliert untersucht. Diese relevanten Gesichtspunkte sollten beim Einsatz von Rifampicin, insbesondere bei kritisch kranken Patienten, berücksichtigt werden [9].
Häufigste unerwünschte Wirkungen sind Leberfunktions- und gastrointestinale Störungen. Blutbildveränderungen sind möglich. Rifampicin ist ein starker Induktor des Enzym-Systems Cytochrom P450 und hat somit ein hohes Interaktionspotenzial.
Nitroimidazole: Metronidazol
Das Wirkungsspektrum umfasst anaerobe grampositive und gramnegative Bakterien, mit der Ausnahme von Propionibakterien und Actinomyzeten. Metronidazol zeigt eine konzentrationsabhängige bakterizide Wirkung. Das relative Verteilungsvolumen beträgt ca. 0,5 l/kg KG, die Halbwertszeit 6–8 Stunden. Metronidazol ist zu 10–20% an Plasmaproteine gebunden. Es wird metabolisiert und hauptsächlich renal ausgeschieden. Metronidazol ist zugelassen für die Behandlung nachgewiesener oder vermuteter Infektionen durch Anaerobier in unterschiedlicher Lokalisation (einschließlich Hirnabszess) und zur perioperativen Prophylaxe. Metronidazol wird in der Regel in Kombination mit anderen Antibiotika zur Behandlung von aerob-anaeroben Mischinfektionen oder zur Monotherapie der Clostridium-difficile-assoziierten Erkrankung eingesetzt.
Unerwünschte Wirkungen sind selten periphere und zentrale Neuropathien.
Phosphonsäuren: Fosfomycin
Das Wirkungsspektrum ist breit und umfasst grampositive und gramnegative Erreger, einschließlich MRSA, ESBL-bildende Enterobacteriaceae und Pseudomonas aeruginosa. Die Wirkungsweise ist bakterizid. Fosfomycin ist nicht an Plasmaproteine gebunden und wird unverändert renal ausgeschieden. Die Halbwertszeit liegt bei 2 Stunden. Die Penetration in unterschiedliche Gewebe ist sehr gut. Fosfomycin ist zur Behandlung zahlreicher Infektionen zugelassen, einschließlich schwerer Infektionen wie Sepsis, Meningitis, Hirnabszess, Endokarditis, Knochen- und Gelenkinfektionen, Atemwegsinfektionen, Haut-/Weichgewebeinfektionen, Infektionen der Nieren und der ableitenden Harnwege sowie Infektionen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich. Fosfomycin ist nicht für die Monotherapie schwerer Infektionen geeignet. Es kann aber mit einer Vielzahl anderer Antibiotika kombiniert werden.
Häufigste unerwünschte Wirkungen sind mit dem hohen Natriumgehalt und der verstärkten Kaliumexkretion assoziiert.
Folsäuresynthese-Inhibitoren: Cotrimoxazol
Cotrimoxazol ist die Kombination von Sulfamethoxazol mit Trimethoprim. Das Wirkungsspektrum ist breit und umfasst grampositive und gramnegative Erreger sowie einige Protozoen und Pneumocystis jiroveci. Die Verteilung erfolgt bei beiden Substanzen extra- und intrazellulär. Die Substanzen werden in der Leber metabolisiert. Die Halbwertszeit beträgt für aktives Sulfamethoxazol im Mittel 6,4 Stunden, für nicht metabolisiertes Trimethoprim 7,8 Stunden. Die Ausscheidung erfolgt überwiegend über die Nieren und zum Teil hepatobiliär. Cotrimoxazol ist, wie viele ältere Antibiotika, für eine Vielzahl von Indikationen zugelassen. Sinnvolle Indikationen sind die Pneumocystis-Pneumonie, Infektionen durch Stenotrophomonas maltophilia und die Nocardiose. Insbesondere bei längerer Anwendung treten reversible Knochenmarksdepressionen oder allergische Reaktionen (bis zum Stevens-Johnson- oder Lyell-Syndrom) auf.
Fusidinsäure (parenterale Formulierung derzeit in Deutschland nicht verfügbar)
Fusidinsäure hat eine ausgezeichnete Aktivität gegen Staphylokokken, jedoch eine unzureichende gegen Streptokokken und keine gegen gramnegative Bakterien. Zur Vermeidung einer Resistenzentwicklung unter Therapie wird bei längerdauernder Therapie (z.B. Osteomyelitis) eine Kombination mit einem zweiten gegen Staphylokokken wirksamen Antibiotikum empfohlen. Die derzeitige Standarddosierung beträgt 3- bis 4-mal täglich 500 mg peroral oder intravenös. Es kann zu einem passageren Anstieg der Alkalischen Phosphatase kommen. Die parenterale Gabe muss jeweils über mindestens vier Stunden erfolgen, da die Substanz venenwandreizend ist.
Zyklische Lipopeptide: Daptomycin
Daptomycin ist ausschließlich gegen grampositive Bakterien wirksam, einschließlich multiresistenter Erreger wie MRSA und VRE. Die Wirkungsweise ist bakterizid, sowohl in der Wachstumsphase als auch in der stationären Phase der Erreger. Die Halbwertszeit liegt bei 8–9 Stunden, die Proteinbindung beträgt 92%. Das Verteilungsvolumen wird mit 0,1 l/kg KG angegeben. Die Substanz wird überwiegend renal eliminiert; 5% werden mit den Fäzes ausgeschieden. Daptomycin ist zur Therapie der Bakteriämie, der Endokarditis und von Haut-/Weichgewebeinfektionen zugelassen [10], [11], [12]. Es eignet sich nicht zur Therapie von pulmonalen Infektionen, da Daptomycin durch Surfactant inaktiviert wird.
Polymyxine: Colistin
Colistin wirkt ausschließlich auf gramnegative Erreger und hier auch auf multiresistente Stämme von Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumannii sowie ESBL- oder Carbapenemase-bildende Enterobacteriaceae. Resistent sind Proteus spp., Morganella morganii, Serratia marcescens, Burkholderia-cepacia-Komplex, Neisseria spp. und Moraxella catarrhalis. Die Wirkungsweise ist bakterizid. Aktuelle Daten zur Pharmakokinetik und Pharmakodynamik liegen inzwischen in größerem Umfang vor, so dass die Dosierungsregime angepasst werden konnten. Die früher häufig berichteten Nebenwirkungen Nephrotoxizität und Neurotoxizität werden in neueren Fallserien und Studien seltener berichtet. Colistin in parenteraler Form ist nur zur Therapie von Infektionen durch multiresistente gramnegative Erreger geeignet [13].
Anmerkung
Dies ist das erste Kapitel der von der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. (PEG) herausgegebenen S2k Leitlinie „Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – Update 2018“ in der 2. aktualisierten Fassung.
Interessenkonflikte
Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.
Literatur
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