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GMS Infectious Diseases

Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Infektionstherapie e.V. (PEG) (PEG)

ISSN 2195-8831

Brauchen wir die Grippemittel Tamiflu und Relenza?

Expert's Opinion

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  • author Michaela Schmidtke - Universitätsklinikum Jena, Institut für Virologie und Antivirale Therapie, Jena, Deutschland
  • corresponding author Thomas Mertens - Universitätsklinikum Ulm, Institut für Virologie, Ulm, Deutschland
  • Gesellschaft für Virologie e.V. (GfV)
  • Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e.V. (DVV)
  • Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. (PEG)

GMS Infect Dis 2014;2:Doc06

doi: 10.3205/id000014, urn:nbn:de:0183-id0000141

Veröffentlicht: 25. August 2014

© 2014 Schmidtke et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

In der jüngsten Vergangenheit gab es einige Pressemeldungen und auch eine parlamentarische Anfrage zur Frage der Wirksamkeit von Neuraminidasehemmern (NAH, Oseltamivir und Zanamivir) für die Therapie der Influenza. Die unglückliche Informationspolitik der Hersteller hat dazu geführt, dass im Zusammenhang mit der neuesten Analyse der Cochrane Collaboration die Meinung entstanden ist und verbreitet wurde, dass die Neuraminidasehemmer völlig unwirksam seien.

Dies ist aus Sicht der drei wissenschaftlichen Fachgesellschaften (GfV, DVV und PEG) eine unzulässige und auch gefährliche Vereinfachung. Zum einen bestätigt auch die neueste Analyse der Cochrane Collaboration eine signifikant verkürzte Krankheitsdauer bei Kindern (Tamiflu) und Erwachsenen (Tamiflu und Relenza. Zum anderen berücksichtigt die Analyse der Cochrane Collaboration aufgrund von grundsätzlichen methodischen Vorgaben die Ergebnisse von Beobachtungsstudien nicht. In diesen konnte gezeigt werden, dass gerade bei Risikopatienten durchaus ein positiver Effekt der Neuraminidasehemmer nachweisbar ist. So lange keine besseren antiviralen Substanzen gegen Influenzaviren zur Verfügung stehen, müssen daher die Möglichkeit der Anwendung der verfügbaren Neuraminidasehemmer in den jeweiligen Situationen geprüft und diese zum Wohl der Patienten auch eingesetzt werden.

Abstract

Lately, several press releases as well as a parliamentary inquiry questioned the effectiveness of the neuraminidase inhibitors (NAI, oseltamivir and zanamivir) in concerns of therapy of influenza. However, in combination with the unfortunate data communication by the pharma industry after the latest analysis by the Cochrane Collaboration an opinion evolved and was spread supporting the view that the neuraminidase inhibitors are in fact not effective at all.

All three scientific expert societies (GfV, DVV and PEG) are considering this point illegitimate and also dangerous simplification. On the one hand, the recent analysis by the Cochrane Collaboration confirms a significant reduction in time to first alleviation of symptoms in children (oseltamivir) and adults (oseltamivir and zanamivir). On the other hand, due to basic methodical specifications, the analyses of the Cochrane Collaboration does not include any results of observational studies revealing that especially with patients at risk, indeed, there was a positive effect of neuraminidase inhibitors. As long as there is no availability of any better antiviral substances against influenza viruses, the possibility of applying the existing neuraminidase inhibitors must be considered carefully for each respective situation and used for the good of the patients as well.


Hintergrund

Am 30.04.2014 hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag kritische Fragen an die Bundesregierung gerichtet: Tamiflu (Roche) und Relenza (GlaxoSmithKline) seien die derzeit meistverkauften Grippemittel, jedoch sei die Wirksamkeit der beiden Medikamente laut neuer veröffentlichter Studien zweifelhaft [1]. Vor diesem Hintergrund seien der weitere Einsatz der Mittel und auch die Bevorratung deutlich zu hinterfragen [1].

In dieser „Kleinen Anfrage“ spiegeln sich auch die Zweifel in der Bevölkerung an der Wirksamkeit der derzeitig verfügbaren antiviralen Medikamente gegen Influenzavirusinfektionen wider, nachdem im April 2014 von einer Gruppe unabhängiger internationaler Wissenschaftler und Ärzte (Cochrane Collaboration) ein Übersichtsartikel zum Thema „Neuraminidasehemmer (NAH) zur Prophylaxe und Therapie der echten Grippe (Influenza) bei gesunden Erwachsenen und Kindern“ [2] publiziert wurde. Die Anfrage drückt die verständliche Besorgnis darüber aus, dass öffentliche Gelder für nicht oder nur unzureichend wirksame Medikamente ausgegeben werden. Die Zweifel an der Wirksamkeit von NAH sowie am Sinn der Bevorratung von Tamiflu für einen Grippeausbruch wurden in den letzten Wochen zudem durch Beiträge in der Tagespresse verstärkt, in denen die Grippe (Influenza) teilweise als harmlose Krankheit und die Grippemittel Tamiflu und Relenza als Plazebos bezeichnet wurden.

Nachfolgend sollen die medizinische Bedeutung der Influenza sowie die derzeitigen Vorbeugungs- und Behandlungsmöglichkeiten dargestellt, die Ziele und Ergebnisse der Cochrane Collaboration für NAH zusammengefasst, und dazu Stellung genommen werden.


Die medizinische Bedeutung der Influenza und derzeitige Prophylaxe- und Therapieoptionen

Bei der Influenza handelt es sich um eine akute, saisonal auftretende Viruserkrankung mit Beteiligung der unteren Atemwege, die lebensbedrohlich verlaufen kann. Schwere, zum Teil tödliche Verläufe mit Lungenentzündungen werden vor allem bei Kleinkindern, älteren Menschen, Schwangeren sowie immungeschwächten Patienten beobachtet [3]. Im Durchschnitt sterben pro Jahr in Deutschland 5.000–8.000 [4] und weltweit 250.000–500.000 Menschen an Influenzaerkrankungen oder deren Folgen während der jährlich wiederkehrenden Influenzawelle [3]. Prinzipiell variiert die Anzahl der Influenzaerkrankungen von Saison zu Saison. Das Auftreten eines neuen Influenzavirus kann zur weltweiten Ausbreitung der Influenza (Pandemie) mit stark erhöhten Fallzahlen führen.

In Deutschland wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) zur Influenza-Vorbeugung die jährliche Impfung für alle Personen ab 60 Jahre, für Schwangere ab dem 2. Schwangerschaftsdrittel, für Personen mit bestimmten Grundleiden (s. STIKO-Empfehlung) sowie für Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen empfohlen [4]. Außerdem sollten Personen mit erhöhter Infektionsgefährdung sowie jeder, der als mögliche Infektionsquelle für von ihm betreute Risikopersonen fungieren könnte (z.B. medizinisches Personal), geimpft werden. Zur Vermeidung problematischer Doppelinfektionen mit verschiedenen Virusstämmen sollten Personen mit direktem Kontakt zu Geflügel oder Wildvögeln ebenso geimpft werden. Aufgrund unzureichender Impfraten in Deutschland besteht jedoch selbst in Risikogruppen ein relativ schlechter Impfschutz [5]. Die verschreibungspflichtigen NAH Tamiflu (Oseltamivir) und Relenza (Zanamivir) ergänzen die therapeutischen Möglichkeiten zur Vermeidung schwerer Influenzaerkrankungen und können in besonderen Situationen zur Influenzavorbeugung und -therapie eingesetzt werden. Tamiflu wurde darüber hinaus im Rahmen der Pandemieplanung als „Notfallmedikament“ eingestuft und von vielen Regierungen weltweit in großen Mengen bevorratet [6].


Ziele und Ergebnisse der Cochrane Collaboration für NAH

Die Cochrane Collaboration setzt sich das Ziel, systematische Übersichten zur Bewertung der Wirksamkeit von Therapien zu erstellen, diese regelmäßig zu aktualisieren und zu veröffentlichen. Dabei soll durch stringente Studienauswahl und Anwendung adäquater statistischer Methoden eine Verzerrung der Ergebnisse, wie sie bei der zusammenfassenden Nachauswertung von Studien (=Metaanalysen) auftreten kann, ausgeschlossen werden. Letztendlich sollen aktuelle Informationen zur Wirksamkeit von Medikamenten unter Nutzung der besten verfügbaren Evidenz allgemein zugänglich gemacht werden, um Ärzten Entscheidungen zu erleichtern und um Patienten aufzuklären.

Im Jahr 1999 erfolgte die erste Auswertung der Daten und eine Einschätzung der Effektivität von Oseltamivir und Zanamivir bei Erwachsenen ohne Grunderkrankung durch die Cochrane Collaboration [7]. Sie basierte auf den bis dahin in biomedizinischen Zeitschriften publizierten Daten randomisierter Plazebo-kontrollierter Studien, sowie auf unveröffentlichten Studiendaten, die von den pharmazeutischen Unternehmen zur Verfügung gestellt wurden. Folgende Parameter wurden dabei ausgewertet:

  • Schutz vor Erkrankung,
  • Einfluss auf die Dauer und Schwere der Erkrankung,
  • Dauer bis zur Gesundung,
  • Nebenwirkungen,
  • Dauer der Virusausscheidung im Nasensekret (Virustiter).

Zum Einfluss auf die Schwere der Erkrankung sowie auf die Virusausscheidung war basierend auf den vorhandenen Daten keine Aussage möglich. Bezüglich der anderen Parameter fiel die Bewertung der Wirksamkeit beider NAH insgesamt positiv aus. Demnach verhinderte eine vorbeugende Gabe vor einer experimentellen Infektion in 60% und bei natürlicher Infektion in 74% der Fälle eine Influenzaerkrankung. Die Behandlung bereits Erkrankter konnte die Krankheitsdauer um ca. einen Tag verkürzen. Übelkeit (Oseltamivir) und Beschwerden des Magen-Darm-Trakts (Oseltamivir und Zanamivir) waren die häufigsten Nebenwirkungen.

In die nachfolgenden Analysen durch die Cochrane Collaboration wurden bis 2010 [8], [9] einerseits weitere Studien u.a. mit weiteren Zielparametern in die Auswertungen einbezogen (z.B. zum Einfluss der NAH-Dosierung). Andererseits erfolgte, bedingt durch strengere Auswahlkriterien, ein Ausschluss von Studien, die zuvor mit ausgewertet wurden (z.B. wenn Originaldaten von veröffentlichten klinischen Studien nicht oder nur inkomplett zugänglich gemacht wurden). Letzteres betraf beispielsweise Studien, in denen der Einfluss von NAH auf Komplikationen (u.a. Bronchitis, Mittelohr-, Nasennebenhöhlen- und Lungenentzündungen) untersucht wurde [10]. Bei der Auswertung der danach noch verfügbaren Studiendaten erwies sich der Einfluss der NAH auf das Auftreten der Komplikationen als nicht statistisch signifikant. Kritisiert wurde das unvollständige Melden von Daten durch die pharmazeutischen Unternehmen zum Thema zentralnervöser Nebenwirkungen [8].

Außerdem wurde kritisch darauf hingewiesen, dass randomisierte klinische Studien hinsichtlich der Wirkung von NAH auf die Virusausbreitung bei pandemischer Influenza gänzlich fehlten.

Im Jahr 2012 wurde die Datenbasis erneut stark verändert [11]. In diese Metaanalyse wurden nunmehr nur noch randomisierte Plazebo-kontrollierte Studien eingeschlossen, die den Zulassungsbehörden für ihre Bewertung vorlagen. Die Auswertung dieser Daten durch die Cochrane Collaboration bestätigte nun eine statistisch signifikante Verkürzung der Symptomdauer um 21 Stunden nach Oseltamivirbehandlung [11]. Es folgte der Hinweis, dass aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten ein Einfluss von NAH auf die Virusausbreitung oder Influenza-bedingte Komplikationen nicht bewertet werden konnte. Gleichzeitig wurde das Vorgehen von Zulassungsbehörden und Herstellern von Oseltamivir und Zanamivir kritisiert und eine vollständige Offenlegung aller Daten aus klinischen Studien gefordert.

Nachdem 2013, wie von der Cochrane Collaboration gefordert, Daten aus 74 von Roche gesponserten Studien zu Tamiflu offengelegt wurden, folgte 2014 eine weitere Auswertung der NAH-Wirkung [2]. Diese basierte nun auf den jetzt komplett vorliegenden Herstellerdaten.

Andere Plazebo-kontrollierte randomisierte klinische Studien, die nicht von den NAH-Herstellern finanziert wurden, existieren nicht [2]. Alle Beobachtungstudien, und somit eine große Menge an Anwenderdaten, wurden von der Auswertung ausgeschlossen. Als Zielparameter zur Einschätzung der Oseltamivir- und Zanamivirwirkung wurden die Verkürzung der Symptomatik, der Schweregrad der Influenzaerkrankung, Komplikationen, Krankenhauseinweisung und Nebenwirkungen eingeschlossen.

Auch unter diesen neuen Bedingungen der Daten-Zusammenstellung und Auswertung von 20 Studien zu Oseltamivir wurde nach Behandlung eine signifikant verkürzte Krankheitsdauer bei Kindern (Ausnahme: asthmatische Kinder) und Erwachsenen um ca. einen Tag (16,7 Stunden bei Erwachsenen, 29 Stunden bei Kindern) festgestellt. Die Analyse von 26 Studien zu Zanamivir ergab bei Erwachsenen, nicht jedoch bei Kindern, eine verkürzte Symptomdauer nach Behandlung um 14,4 Stunden. Die Auswertung der Daten zur Oseltamivirbehandlung ergaben keinen signifikanten Effekt auf die Rate der Krankenhaus-Einweisungen. Für Zanamivir standen vergleichbare Daten nicht zur Verfügung. Inkomplette Berichte in Bezug auf Lungenentzündung, Bronchitis, Mittelohr- und Nasennebenhöhlenentzündung bzw. kleine Fallzahlen oder unklare Definitionen einer Lungenentzündung erschwerten laut Cochrane Collaboration die Beurteilung des Effekts von NAH auf Influenzakomplikationen. Insgesamt wurde der therapeutische Nutzen von Oseltamivir und Zanamivir bei Erwachsenen und bei Kindern ohne Asthma als gering und unspezifisch eingeschätzt.

Bei vorbeugender Gabe konnte jedoch mit beiden Medikamenten ein signifikanter Schutz vor einer Influenzainfektion festgestellt werden.

Als Nebenwirkungen von NAH wurden Übelkeit, Erbrechen und psychiatrische Symptome (nur Oseltamivir) genannt.

Die Autoren des Cochrane Übersichtsartikels fordern dazu auf, aufgrund ihrer Ergebnisse die Empfehlungen zu einer Therapie mit NAH zu überarbeiten.


Stellungnahme(n) zur aktuellen Datenlage

Die Schlussfolgerungen der Cochrane Collaboration wurden in den letzten Wochen in internationalen Fachzeitschriften wie z.B. Nature und British Medical Journal, von den Pharmaunternehmen Roche und GlaxoSmithKline sowie in den USA von den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) kommentiert. Die Cochrane Collaboration zieht für die Bewertung nur Plazebo-kontrollierte randomisierte Studien und somit Daten von ansonsten gesunden Probanden heran. Im Gegensatz dazu beziehen die CDC in ihrer aktuellen Stellungnahme [12] auch die Ergebnisse von Metaanalysen nichtrandomisierter klinischer Beobachtungsstudien ein, in denen Daten von Patienten mit Begleiterkrankungen enthalten sind. Insbesondere die kürzlich publizierte Arbeit von Muthuri et al. [13], in der Daten von mehr als 29.000 hospitalisierten Patienten aus 38 Ländern ausgewertet wurden, findet hier Beachtung. Sie zeigt, dass eine frühzeitige Oseltamivirbehandlung die schweren Folgeerkrankungen sowie die Sterblichkeit bei der Infektion mit weltweit zirkulierenden pandemischen A(H1N1)pdm09-Influenzaviren signifikant senkte. Die CDC bleiben bei ihrer Empfehlung zum Einsatz von NAH in Ergänzung zur Impfung. Sie empfehlen weiterhin den schnellstmöglichen Beginn der NAH-Behandlung, bei schwerkranken Influenzapatienten und solchen, die ein erhöhtes Risiko für Komplikationen tragen (Kleinkinder; Menschen, die älter als 65 Jahre sind, Schwangere und Personen mit chronischen Grunderkrankungen).

Dieser Stellungnahme der CDC schließen sich die Gesellschaft für Virologie (GfV), die Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) und die Paul Ehrlich Gesellschaft für Chemotherapie (PEG) an.

  • Die GfV, DVV und PEG befürworten den gezielten Einsatz von NAH zur Vorbeugung der Influenza bei Ausbruchsgeschehen, da alle Studien inklusive der letzten Publikation der Cochrane Collaboration deren Wirksamkeit belegen.
  • Die Indikation zur Behandlung von Patienten mit unkomplizierten Influenzavirusinfektionen ohne Grunderkrankungen und/oder ohne Risikofaktoren mit NAH kann auf Basis der derzeit verfügbaren Studiendaten nicht generell, sondern allenfalls individuell durch den behandelnden Arzt gestellt werden.
  • Die Behandlung mit NAH von Influenza-Patienten mit Grunderkrankungen und/oder Risikofaktoren ist indiziert, da in Beobachtungstudien, die nicht von der Cochrane Collaboration erfasst wurden, ein positiver Effekt auf die Verhinderung von Komplikationen in diesen Gruppen gezeigt wurde. Auch sollten mangels fehlender Alternativen alle Patienten behandelt werden, die bereits einen schweren klinischen Verlauf (z.B. Pneumonie, ARDS) aufweisen. Diese Behandlung ist am wirksamsten, wenn sie möglichst frühzeitig einsetzt, ihr Beginn erscheint aber aufgrund der Datenlage auch noch nach mehr als zwei Tagen eine Wirksamkeit zu zeigen.

Auf den Einsatz von Oseltamivir und Zanamivir kann erst verzichtet werden, wenn neue, wirkungsvollere Medikamente zur Verfügung stehen. Die Erfahrung aus der Therapie von HCV- und HIV-Infektionen zeigt, dass mit Hilfe einer entsprechenden Förderung der antiviralen Grundlagenforschung und der Initiative der Pharmaindustrie die Entwicklung einer Vielzahl wirkungsvoller und nebenwirkungsarmer Medikamente erreicht werden kann.

Bei künftigen klinischen Studien mit neuen Wirkstoffen gegen Influenzaviren wären eine strengere Studienplanung, eine detailliertere Datenerhebung und genauere klinische Definitionen sehr wünschenswert. Die grundsätzliche ethische Problematik Plazebo-kontrollierter Studien insbesondere bei einer schweren Influenza bleibt zu bedenken [14]. So stellt sich die Frage, ob eine Plazebogabe überhaupt zu rechtfertigen ist, wenn Folgeerkrankungen verhindert werden können und die Sterblichkeit gesenkt werden kann. Die Diskussion um die Wirksamkeit von NAH zeigt aber auch die Bedeutung der kompletten Offenlegung aller erhobenen klinischen Daten vor der Zulassung eines Medikaments gegenüber den Zulassungsbehörden und der Öffentlichkeit [15]. Dem trägt eine neue EU-Vorgabe Rechnung: Voraussichtlich ab 2016 sind alle Daten zu veröffentlichen, die in klinischen Studien mit neuen Medikamenten erhoben wurden [16].

In der Beantwortung der „Kleinen Anfrage“ der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen am 15.05.2014 stellte auch die Bundesregierung klar, dass sie derzeit keinen Anlass sieht, die Vorsorge mit Hilfe verfügbarer antiviraler Medikamente infrage zu stellen [17]. In der Antwort wird darauf verwiesen, dass die Zulassungsbehörden die in Deutschland genutzten antiviralen Grippemedikamente nach wie vor mit einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis bewerten. Die Bundesregierung weist zudem darauf hin, dass die Vorbereitung auf eine mögliche Influenzapandemie ein kontinuierlicher Prozess und die Aktualisierung des nationalen Pandemieplans Teil des Prozesses sei. Der nationale Pandemieplan wird derzeit gemeinsam vom Bund und den Ländern überarbeitet.


Anmerkungen

Autorenschaft

Diese Stellungnahme wurde von der gemeinsamen Kommission für Antivirale Therapie der GfV, DVV und PEG erarbeitet.

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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