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GMS German Medical Science — an Interdisciplinary Journal

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)

ISSN 1612-3174

Gemeinsame Empfehlungen zur Gesamtleistungsrechnung als Baustein zur Vereinfachung der Vertragsgestaltung

Übersichtsarbeit Medizinische Forschungsmethodik

  • Insa Bruns - Koordinierungszentren für Klinische Studien (KKS-Netzwerk e.V.), Berlin, Deuschland
  • Carmen Schade-Brittinger - Koordinierungszentrum für Klinische Studien Marburg (KKS Marburg), Philipps University Marburg, Deutschland
  • Frank Wissing - MFT Medizinischer Fakultätentag der Bundesrepublik Deutschland e.V., Berlin, Deutschland
  • Thorsten Ruppert - Verband forschender Arzneimittelhersteller e.V. (vfa), Berlin, Deutschland
  • Martin Trillsch - Verband der Universitätsklinika Deutschlands e.V. (VUD), Berlin, Deutschland

GMS Ger Med Sci 2019;17:Doc10

doi: 10.3205/000276, urn:nbn:de:0183-0002767

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/gms/2019-17/000276.shtml

Eingereicht: 22. Januar 2019
Veröffentlicht: 24. Oktober 2019

© 2019 Bruns et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Klinische Prüfungen haben zum Ziel, die in der Grundlagenforschung gewonnenen Erkenntnisse auf den Patienten zu übertragen und innovative Behandlungsansätze zu schaffen. Neben der Grundlagenforschung bilden die Ergebnisse klinischer Prüfungen damit einen Kernbereich medizinischen Fortschritts. Derzeit ist Deutschland als Standort für die Durchführung klinischer Prüfungen gut aufgestellt und international wettbewerbsfähig. Dies zeigt sich an seiner Position als Nummer 2 in Europa und Nummer 2 weltweit – hinter den USA bzw. UK – bei klinischen Prüfungen von Arzneimitteln [1]. Diese gute Positionierung des Studienstandortes zu erhalten und weiter zu verbessern, liegt im gemeinsamen Interesse aller Beteiligten im Bereich der klinischen Forschung, der Patienten, der Studienzentren und der Sponsoren klinischer Prüfungen.

Für Patienten bieten klinische Prüfungen die Möglichkeiten, frühzeitig Zugang zu innovativen Therapiemöglichkeiten zu erhalten. Neben dem wissenschaftlichen Interesse der medizinischen Fakultäten ist die klinische Forschung damit für die Universitätskliniken in Deutschland ein wichtiger Aspekt bei der Wahrnehmung ihres Auftrags der Krankenversorgung. Die Einbindung in klinische Prüfungen gibt den Ärzten frühzeitig die Möglichkeit, Erfahrungen mit neuen Behandlungsansätzen zu sammeln und an die Patienten weitergeben zu können. Klinische Forschung an einem Standort ist damit ein wichtiger Wettbewerbsfaktor auch im internationalen Vergleich. Die Industrie profitiert auf der anderen Seite von der guten Forschungsinfrastruktur in Deutschland, da diese einen schnellen Patienteneinschluss und eine sehr hohe Qualität der gewonnenen Ergebnisse gewährleisten und damit zu einer frühzeitigen Zulassung eines neuen Arzneimittels beiträgt. Aus Sicht der Verfasser ist es daher wichtig, dass der Standort Deutschland bei der Durchführung klinischer Prüfungen auch zukünftig wettbewerbsfähig bleibt, gerade weil die Zahlen klinischer Prüfungen insgesamt zurückgehen. Die Unternehmen stehen ihrerseits im internationalen Wettbewerb, so dass die Vorbereitung der Studiendurchführung und damit der Start einer klinischen Prüfung häufig einem gewissen zeitlichen Druck unterliegen. Um eine klinische Prüfung frühzeitig beginnen zu können, ist es unerlässlich, Studienverträge inklusive der darin enthaltenden Vergütung zwischen den Beteiligten schnell und einfach, dabei aber inhaltlich umfassend, transparent und nachvollziehbar in der Leistungsbeziehung abzuschließen. Die zügige Einigung der wesentlichen vertraglichen sowie budgetären Aspekte liegt damit im Interesse aller Beteiligten.

Vor diesem Hintergrund haben der Medizinische Fakultätentag (MFT), der Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD), die Koordinierungszentren für Klinische Studien (KKS-Netzwerk) und der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) gemeinsam einen wichtigen Aspekt im Hinblick auf die Vertragsverhandlungen diskutiert – die Kostenbetrachtung klinischer Prüfungen.

Als Ergebnis dieser Diskussionen haben diese Organisationen „Gemeinsame Empfehlungen zur Erstellung einer Gesamtleistungsrechnung der Vergütung bei der Durchführung einer klinischen Prüfung in einem Prüfzentrum“ erarbeitet und veröffentlicht [2], [3]. Die Beteiligten sind gemeinsam der Überzeugung, dass es vor dem beschriebenen Hintergrund hilfreich erscheint, wenn die potentiellen Vertragspartner in ihren jeweiligen Verhandlungen über Empfehlungen verfügen, die stetig wiederkehrende Kostenpositionen zur näheren Bestimmung der Vergütung im Rahmen der Durchführung einer klinischen Prüfung beispielhaft benennen.

Dieser Artikel erörtert die Hintergründe der „Gemeinsamen Empfehlungen zur Erstellung einer Gesamtleistungsrechnung der Vergütung bei der Durchführung einer klinischen Prüfung in einem Prüfzentrum“ [2], [3] und ermöglicht einen Überblick über deren Inhalt.


Ausgangslage

Die Durchführung patientenorientierter klinischer Prüfungen ist von herausragender Bedeutung. Klinische Forschung ist eine notwendige Voraussetzung für die erfolgreiche Entwicklung und Einführung neuer Arzneimittel und Therapieformen und bildet eine wesentliche Grundlage evidenzbasierter medizinischer Versorgung. Klinische Prüfungen verbessern die Qualität der ärztlichen Behandlung und schaffen die notwendigen Voraussetzungen und damit Entscheidungssicherheit für einen effizienten Einsatz von Arzneimitteln. Um die Qualität klinischer Prüfungen zu sichern, müssen bei deren Durchführung hohe nationale und internationale Richtlinien eingehalten werden. Diese betreffen sowohl die Patientenversorgung und -sicherheit, als auch die Qualifizierung der Ärzte und der teilnehmenden Kliniken, so beispielsweise die Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis (ICH-GCP) bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen fordert.

Die Investitionen der deutschen Hochschulmedizin, insbesondere aber auch die Förderprogramme des Bundesforschungsministeriums (BMBF) zum Aufbau von Koordinierungszentren für Klinische Studien (KKS) und anschließend zur Förderung von Klinischen Studienzentren, haben zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland beigetragen. Hinzu kommt, dass die 2004 EU-weit eingeführte Genehmigung der Anträge für klinische Prüfungen in Deutschland durch die Bundesoberbehörden, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), sach- und fristgerecht sowie wissenschaftlich fundiert erfolgt. Das ebenfalls seit 2004 geltende System der Bewertung von multizentrischen klinischen Prüfungen durch eine federführende Ethik-Kommission hat sich im Großen und Ganzen bewährt, auch wenn noch Verbesserungsbedarf im Detail (z.B. weitere Harmonisierung der Anforderungen der einzelnen Ethik-Kommissionen, Abbau bürokratischer Anforderungen) besteht.

Deutschland, der derzeit drittgrößte Markt für die pharmazeutische Industrie weltweit, verfügt grundsätzlich über gute Rahmenbedingungen für eine effiziente patientenorientierte Forschung. Mit 2,3 Fachärzten je 1.000 Einwohner hat Deutschland im Vergleich zu anderen Industriestaaten die höchste Facharztdichte [1], [4] ein Umstand, der eine wichtige Rahmenbedingung für die Durchführung klinischer Prüfungen darstellt. Deutschlands relativ hohe Bevölkerungsdichte mit einer damit verbundenen überdurchschnittlich großen Zahl an Patienten im Umfeld exzellent ausgestatteter medizinischer Versorgungseinrichtungen wie z.B. Universitätskliniken stellt eine weitere, gute Voraussetzung für die patientenorientierte Forschung dar. Als attraktiver Standort für klinische Prüfungen gilt Deutschland vor allem aber auch aufgrund der bestehenden hohen Qualitätsstandards in der Forschung und des grundlegenden wissenschaftlichen Know-hows der praktizierenden Ärzte.

Diese Faktoren haben gemeinsam dazu beigetragen, dass der Standort Deutschland von 2007 bis 2017 – bezogen auf die Zahl der durchgeführten klinischen Prüfungen – in Europa Platz 1 und weltweit nach den USA Platz 2 eingenommen hat – und erst 2017 hinter UK zurückgefallen ist [1]. Weiterhin belegt Deutschland mit insgesamt 7.359 Prüfstellen nach den USA (49.472) im internationalen Ranking Platz 2, deutlich vor seinen internationalen bzw. EU-Wettbewerbern (Frankreich (4.628), Kanada (4.186), Italien (3.246), UK (2.866) [4].

Diese gute Positionierung des Studienstandortes Deutschland zu erhalten und in kritischen Bereichen weiter zu verbessern, ist ein gemeinsames Anliegen aller interessierten Kreise und war Anlass für die Diskussionen zwischen dem Medizinischen Fakultätentag (MFT), dem Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD), den Koordinierungszentren für Klinische Studien (KKS-Netzwerk) und dem Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa).

Im Rahmen dieser Diskussionen haben die Verbände zwei Bereiche identifiziert, die aus Sicht der Gesprächsteilnehmer zu einer signifikanten Verkürzung der Vertragsverhandlungen im Vorfeld klinischer Prüfungen beitragen können: Die Erstellung von Mustervertragsklauseln und ein gemeinsames Verständnis der Gesamtleistungsrechnung. An beiden Aspekten wurde gemeinsam gearbeitet.

Ausgangspunkt bei der Diskussion um das Thema Gesamtleistungsrechnung waren die unterschiedlichen Erfahrungen der beteiligten Seiten, die in der Folge kurz zusammenfassend aus Sicht der jeweiligen Seite dargestellt werden sollen.


Aktuelle Probleme bei der Gesamtleistungsrechnung

Aus Sicht der Studienzentren ist die Deckung der Gemeinkosten bzw. standortspezifischen Kosten nicht immer gewährleistet. Bleiben diese Kosten im Rahmen klinischer Prüfungen unberücksichtigt, sehen die Studienzentren eine vollkostendeckende Vergütung, wie es auch das Beihilferecht vorsieht, nicht sichergesellt. Die Folge ist eine Unterfinanzierung der studienbegleitenden Forschungsinfrastruktur. Bei nicht ausreichender Finanzierung der studienbegleitenden Forschungsinfrastruktur bestände mittelfristig die Gefahr eines Qualitätsverlustes und damit einer Schwächung des Studienstandortes Deutschland. Aus administrativen Vereinfachungsgründen stellten die Studienzentren die Gemeinkosten bislang als pauschalierten Overheadaufschlag in Rechnung.

Aus Sicht der industriellen Sponsoren ist eine pauschalierte Abgeltung der Gemeinkosten in Form eines sogenannten Overheads problematisch, weil deren Berechnungsgrundlage aus ihrer Sicht die tatsächlichen Leistungsbeziehungen nicht ausreichend transparent abbildet. Wenn einzelne Standorte getrennte Verträge mit eigenen Budgets für studienunterstützende Leistungen (bspw. Radiologie, Apotheke etc.) verhandeln, führt dies häufig zu einem zeitlichen Verzug. Darüber hinaus werden zunehmend Forderungen nach Initiierungskosten (oft auch als „Set up“-Kosten bezeichnet) gestellt. Diese Forderungen sind aus Sicht der Mitgliedsunternehmen nur akzeptabel, solange sie tatsächlich erbrachten Leistungen entsprechen, nicht jedoch im Sinne einer „lost opportunity“ für den Fall eines Studienabbruchs oder geringer Rekrutierung. Insbesondere zeitliche Verzögerungen in der Studienvorbereitung, aber auch eine intransparente Kostenkalkulation sehen die Mitgliedsunternehmen des vfa als Wettbewerbsnachteil für die Durchführung klinischer Prüfungen in Deutschland an.

Die genannten Aspekte sind zunehmend Gegenstand von Diskussionen, was teilweise zu einer Verlängerung der Vertragsverhandlungen und damit zu Verzögerungen bei der Studieninitiierung führte. Die hohe Qualität der erbrachten Forschungsleistung im Rahmen klinischer Prüfungen in Deutschland ist im internationalen Wettbewerb hoch attraktiv. Es ist daher das Ziel der Beteiligten, sicherzustellen, dass Vertragsverhandlungen die Studienvorbereitung nicht unnötig verlängern, was eine Abwanderung von Studien in andere Regionen zur Folge haben könnte. Alle Beteiligten erhoffen sich von den gemeinsamen Empfehlungen zum Thema Gesamtleistungsrechnung eine weitere Stärkung des Studienstandortes Deutschland.


Die gemeinsamen Empfehlungen

Vor diesem Hintergrund haben sich Mitte 2016 erstmals Vertreter des Medizinischen Fakultätentags (MFT), des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD), der Koordinierungszentren für Klinische Studien (KKS-Netzwerk) und des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (vfa) zusammengesetzt und über die Kostenentwicklung bei klinischen Prüfungen diskutiert. Die Beteiligten hielten es für sinnvoll, „Gemeinsame Empfehlungen zur Erstellung einer Gesamtleistungsrechnung der Vergütung bei der Durchführung einer klinischen Prüfung in einem Prüfzentrum“ als Basis der zukünftigen Zusammenarbeit zu erarbeiten [2], [3]. In mehreren Sitzungen wurden die Empfehlungen gemeinsam erarbeitet, und parallel auch intensiv mit den jeweiligen Mitgliedern gesondert diskutiert.

Einigkeit bestand darin, dass eine Finanzierung aller durch die klinische Prüfung entstehenden Mehraufwände abgegolten werden müssen. Das umfasst auch die dafür erforderliche Forschungsinfrastruktur. Ebenfalls bestand Einigkeit darüber, dass dem Verbot der Doppelabrechnung folgend keine zusätzliche Vergütung der üblichen Behandlung („Standard of Care“) erfolgt, die bereits über die Kassen erstattet werden. Daran anknüpfend stellt sich die Frage der Abgrenzung des studienbedingten Mehraufwandes. Zu klären ist also, welche der durchzuführenden Maßnahmen bei protokollgemäßer Durchführung der klinischen Prüfung im Rahmen der üblichen Behandlung erforderlich wären, und welche Maßnahmen speziell in Zusammenhang mit der klinischen Prüfung zu erbringen sind.

Zu den so durch den Sponsor zu vergütenden Leistungen zählen alle Leistungen, die im Rahmen der klinischen Prüfung am bzw. mit dem Patienten erbracht werden, beispielsweise Beratungsgespräch (Aufklärung des Patienten), Blutentnahmen, körperliche und apparative Diagnostik, EKG etc. und auch das Erstellen studienspezifisch erforderlicher Dokumentation (Atteste, Gutachten). Somit kann auch das Patientenaufklärungsgespräch ebenso wie die Erläuterung und Begutachtung von Fragebögen einkalkuliert werden. Unter Umständen ist es erforderlich, die Vergütung pro Visite auf Einzelleistungen aufzuteilen, und jeweils nur die erbrachte Leistung zu vergüten. Es sollte a priori festgelegt werden, wie Leistungen im Rahmen des Patienten-Screenings vergütet werden, wenn der Patient nach erfolgtem Screening nicht in die klinische Prüfung aufgenommen werden kann. Ein falscher Anreiz zu „nutzlosem“ Screening aufgrund zu großzügiger Vergütung von Screening-Leistungen sollte dabei ebenso vermieden werden wie ungenügende Honorierung des tatsächlich erfolgten Screening-Aufwands.

Kosten für eine stationäre Aufnahme in die Klinik sind vom Sponsor dann zu übernehmen, wenn diese gemäß Studienprotokoll ausschließlich zum Zwecke korrekter und sicherer Studiendurchführung erforderlich sind. Zusätzlich zum patienten- und behandlungsspezifischen Aufwand müssen weitere Kosten bedacht werden, die am ehesten als Pauschale berücksichtigt werden können, wie z.B. Stromkosten, Telefon/Fax, Internet, Büromaterial sowie Nutzung anderer bereits vorhandener Materialien und Einrichtungen. Hierzu zählen auch eventuelle interne Transportkosten für Patienten, z.B. zu einem Diagnostikzentrum, wenn Röntgenuntersuchungen dort durchgeführt werden.

Solche Infrastrukturkosten (Gemeinkosten) lassen sich teilweise nur schätzungsweise beziffern, da Dokumentation und Überprüfbarkeit einzelner Abrechnungen einen unangemessen hohen Aufwand darstellen würden. Schätzsummen müssen aber trotzdem realistisch, belegbar und nachvollziehbar sein und in einem adäquaten Verhältnis zur zeitlichen Dauer der klinischen Prüfung stehen, sowie den Marktpreisen vor Ort entsprechen. Weiterhin sind Kosten zu berücksichtigen, die für Räumlichkeiten und Nutzung von Geräten veranschlagt werden. Hierzu gehören z.B. Räume für die Betreuung der Patienten, aber auch Räume, die den klinischen Monitoren zur Verfügung gestellt werden. Häufig werden diese Räume von den Kliniken vorgehalten und auch außerhalb klinischer Prüfungen genutzt. Dass die Nutzung abgegolten werden muss, ist unstrittig; wie eine transparente und nachvollziehbare anteilige Abrechnung jedoch mit vertretbarem administrativem Aufwand im Einzelfall erfolgen kann, ist keine triviale Frage.

Im Ergebnis ist es mit den „Gemeinsamen Empfehlungen zur Erstellung einer Gesamtleistungsrechnung der Vergütung bei der Durchführung einer klinischen Prüfung in einem Prüfzentrum“ [2], [3] gelungen, eine von beiden Seiten (universitären Studienzentren und Sponsoren kommerzieller klinischer Prüfungen) akzeptierte gemeinsame Basis zu entwickeln.

Unter Einbeziehung des jeweiligen Studienprotokolls und der vorliegenden gemeinsamen Empfehlung soll mit Hilfe dieser eine umfassende, auf dem Prinzip Leistung/Gegenleistung basierende Vergütung aller studienbedingten Kosten im Rahmen einer Gesamtleistungsrechnung unterstützt werden. Die Empfehlungen sind dabei ergänzend zu den im Studienprotokoll aufgeführten Leistungen/Tätigkeiten zu sehen. Kern der Empfehlungen ist zum einen eine Handreichung zur präziseren Kalkulation der direkten, aus dem Studienprotokoll ableitbaren Kosten. Darüber hinaus sind die Gemeinkosten in den jeweiligen Personalsätzen abzubilden. Neben der rein tariflichen Vergütung sollen diese die Gemeinkosten kalkulatorisch berücksichtigen, ähnlich wie auch bei anderen Dienstleistungen üblich. Standortspezifischen Gemeinkosten und möglicherweise weitere, betrieblich bedingte Kosten – sofern diese direkt mit der Durchführung der klinischen Prüfung in Zusammenhang stehen – müssen in der jeweiligen Gesamtleistungsrechnung mitberücksichtigt werden. Ein weiterer pauschalierter Aufschlag sollte dann in Zukunft aus Sicht der Beteiligten keine Anwendung mehr finden.

In jedem Fall ist darauf zu achten, dass eine vollständige Vergütung der erbrachten Leistung einer Prüfstelle sichergestellt ist. Die Beteiligung an klinischen Prüfungen kann und darf kein „Zuschussgeschäft“ für die universitären Studienzentren sein.

Für die Anwendung der gemeinsamen Empfehlungen sind folgende Aspekte und ihre Auswirkungen auf die Gesamtleistungsrechnung zu beachten.

  • An den aufgeführten Aktivitäten können verschiedene Mitglieder einer Prüfgruppe – auch gleichzeitig – beteiligt sein.
  • Tätigkeiten VOR Abschluss eines schriftlichen Vertrages sind nicht von diesen Empfehlungen erfasst. Für diese Tätigkeiten kann eine zusätzliche Vergütung in einem gesonderten schriftlichen Vertrag vereinbart werden (z.B. bei gesondertem Screening der Patientenpopulation im Rahmen von aufwendigen Feasibility-Aktivitäten).
  • Die in den Empfehlungen aufgeführten Tätigkeiten/Aufgaben sind jeweils studienspezifisch auf ihre Relevanz für die jeweilige klinische Prüfung hin zu prüfen. Eine Vergütung auf Basis der Gesamtleistungsrechnung erfolgt nach dem Leistungs-/Gegenleistungsprinzip.
  • Auf Basis der Gesamtleistungsrechnung wird eine Gesamtvergütung für ein klinisches Studienprojekt vorgeschlagen. Diese Gesamtvergütung schließt auch die studienbedingten Leistungen aller Teilleistungserbringer, z.B. der Radiologie oder Apotheken, mit ein. Dieser Vorschlag bildet die Basis für die Vertragsverhandlung.
  • Kosten, die von anderen Kostenträgern (z.B. Leistung der GKV) erstattet werden – z.B. Kosten aus der Standardtherapie/-diagnostik – können nicht nochmals mit Bezug auf eine klinische Prüfung geltend gemacht werden.
  • Diese gemeinsamen Empfehlungen können aus kartellrechtlichen Gründen keine bindende Wirkung entfalten, sollen aber für Mitglieder der Verfasser und sonstige Dritte eine gemeinsam verabschiedete Orientierungshilfe für Vertragsverhandlungen zur Durchführung klinischer Prüfungen darstellen.
  • Die Empfehlungen umfassen Aufgaben, die im Rahmen der Durchführung einer klinischen Prüfung projektabhängig erbracht werden können und die nicht, oder nur unzureichend, durch entsprechende Leistungsverzeichnisse abgebildet sind.

Fazit

Klinische Prüfungen sind eine unverzichtbare Voraussetzung für die Entwicklung und Einführung neuer Arzneimittel und Therapien. Sie bilden die Grundlage für eine evidenzbasierte medizinische Versorgung. Deutschland ist ein wichtiger und attraktiver Standort für die Durchführung klinischer Prüfungen.

Die Verfasser dieser gemeinsamen Empfehlungen [2], [3] eint das Interesse, den Studienstandort Deutschland im internationalen Wettbewerb attraktiv zu positionieren und die in Deutschland erreichten hohen Standards auch in Zukunft zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang ist eine sachgerechte, umfassende und am Prinzip der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung orientierte Finanzierung von klinischen Prüfungen unerlässlich. Die seitens des Medizinischen Fakultätentags (MFT), des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD), der Koordinierungszentren für Klinische Studien (KKS-Netzwerk) und des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (vfa) erarbeiteten gemeinsamen Empfehlungen bieten hier eine gute Basis zur Orientierung für die Diskussionen im Rahmen der Vertragsverhandlungen zur Durchführung klinischer Prüfungen an Universitätskliniken in Deutschland.


Anmerkungen

Danksagungen

Die gemeinsamen „Empfehlungen zur Erstellung einer Gesamtleistungsrechnung der Vergütung bei der Durchführung einer klinischen Prüfung“ wurden in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe im Jahr 2016/2017 erarbeitet und sind verfügbar in Englisch [2] und Deutsch [3]. An der Arbeitsgruppe waren insgesamt beteiligt:

  • Insa Bruns, KKS-Netzwerk e.V.†
  • Susanne Busta, Bristol-Myers Squibb GmbH & Co. KGaA
  • Dr. Annette Grüters-Kieslich, Charité Berlin
  • Ralf Heyder, Verband der Universitätsklinika e.V. (VUD)
  • Dr. Torsten Hoppe-Tichy, Universitätsklinikum Heidelberg
  • Dr. Sebastian John, Janssen-Cilag GmbH
  • Dr. Matthias Klüglich, Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG
  • Claudia Küchler, MSD SHARP & DOHME GMBH
  • Nina Reinwald, Universitätsklinikum Köln
  • Dr. Thorsten Ruppert, Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V.
  • Dr. Hagen Russ, Lilly Deutschland GmbH
  • Carmen Schade-Brittinger, KKS Marburg
  • Martin Trillsch, Universitätsklinikum Heidelberg, VUD
  • Dr. Frank Wissing, Medizinischer Fakultätentag der Bundesrepublik Deutschland e.V.

Nachruf Insa Bruns

Am 21. Januar 2018 ist Insa Bruns nach kurzer schwerer Krankheit verstorben. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe, die diese Empfehlungen erarbeitet haben, sind bestürzt und fassungslos, so plötzlich eine geschätzte Kollegin zu verlieren, die immer engagiert und voller Tatkraft war. Für ihre Kompetenz und ihr unermüdliches Engagement sind wir ihr alle sehr dankbar. Ihre Sachkenntnis und Beharrlichkeit im gemeinsamen Bestreben, qualitativ hochwertige medizinische Forschung zu unterstützen, wurde immer allseits geschätzt. Insa Bruns hat sich um die Belange der klinischen Forschung in Deutschland sehr verdient gemacht. Vielen von uns ist sie über die Jahre auch eine persönliche Freundin geworden.

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
vfa Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. Deutschland als Standort für Pharmaforschung und -entwicklung. 2019 Jan 29 [Accessed 2019 Oct 11]. Available from: https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/so-funktioniert-pharmaforschung/amf-standortfaktoren.html Externer Link
2.
KKS-Netzwerk e.V. – Netzwerk der Koordinierungszentren für Klinische Studien; MFT Medizinischer Fakultätentag der Bundesrepublik Deutschland e.V.; vfa Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. Recommendations for the preparation of a total services calculation for remuneration related to the conduct of a clinical trial in a trial center. 2017 Oct 12 [Accessed 2019 Oct 11]. Available from: https://www.vfa.de/download/empfehlungen-gesamtleistungsrechnung-en.pdf Externer Link
3.
KKS-Netzwerk e.V. – Netzwerk der Koordinierungszentren für Klinische Studien; MFT Medizinischer Fakultätentag der Bundesrepublik Deutschland e.V.; vfa Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. Gemeinsame Empfehlungen zur Erstellung einer Gesamtleistungsrechnung der Vergütung bei der Durchführung einer klinischen Prüfung in einem Prüfzentrum. 2017 Okt 12 [letzter Zugriff 2019 Okt 11]. Verfügbar unter: https://www.vfa.de/download/empfehlungen-gesamtleistungsrechnung-dt.pdf Externer Link
4.
Clinical Trial Magnifier. 2017 Feb [Accessed 2019 Oct 11]. Available from: http://www.clinicaltrialmagnifier.org/ Externer Link