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Intensivmedizinische Qualitätsindikatoren für Deutschland – dritte Auflage 2017
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Eingereicht: | 6. Juli 2017 |
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Veröffentlicht: | 1. August 2017 |
Gliederung
Zusammenfassung
Qualitätsverbesserung in der Medizin hängt von der Messung relevanter Qualitätsindikatoren ab. Die Qualitätsindikatoren für die Intensivmedizin der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivmedizin (DIVI) aus dem Jahre 2013 sind nun planmäßig nach drei Jahren überarbeitet und angepasst worden. Hierbei gab es deutliche Änderungen in einigen Indikatoren während einige nur minimal verändert wurden. Der Fokus auf intensivmedizinische Behandlungsprozesse wie interprofessionelle Visiten, Management von Analgesie und Sedierung, Beatmung und Weaning blieb ebenso bestehen wie die Gesamtzahl von 10 Indikatoren. Die Themenschwerpunkte blieben weitgehend bestehen außer der Frühmobilisation, welche anstatt der Hypothermie nach Reanimation eingeführt wurde. Infektionsprävention wurde als Ergebnisindikator hinzugefügt. Diese Qualitätsindikatoren werden im Peer Review Prozess der DIVI eingesetzt. Eine Gültigkeitsdauer von drei Jahren ist für diese Qualitätsindikatoren geplant.
Einleitung
Im Jahre 2010 wurde die erste Version der intensivmedizinischen Qualitätsindikatoren für Deutschland publiziert [1]. Nach der Aktualisierung 2013 [2] entstand nun 2017 die dritte Auflage der intensivmedizinischen Qualitätsindikatoren, die einige Änderungen beinhaltet. Die Neuformulierung nutzt das bislang etablierte Verfahren der Erstellung. Die Qualitätsindikatoren (QI) sind integraler Bestandteil des intensivmedizinischen Peer Review der DIVI, das zunehmende Akzeptanz entwickelt hat und als Verfahren des Qualitätsmanagements angenommen ist [3], [4]. Analysen aus den intensivmedizinischen Peer Reviews zeigen, dass die Umsetzung von QI fester Bestandteil von Qualitätsbestrebungen vieler Intensivstationen ist. Erste Berichte geben sogar Hinweise auf positive wirtschaftliche Auswirkungen [5]. Im Vergleich zu anderen qualitätsrelevanten Themen, wie z.B. Personalbesetzung und Organisation, werden die QI heute noch häufig weniger bedeutsam eingestuft und zeigen ebenso wie ein angemessenes Reporting eine noch unzureichende Verbreitung [3]. Dabei finden die QI auch auf politischer Ebene Beachtung; einzelne Indikatoren werden zunehmend als Kriterium der externen Qualitätssicherung betrachtet. Diese Entwicklung ist insgesamt positiv zu werten, dennoch sollten zentrale Aspekte der Indikatoren nicht für erlösrelevante ökonomische Fragestellungen instrumentalisiert werden. Die intensivmedizinischen Qualitätsindikatoren sollen in erster Linie helfen, relevante Bereiche der medizinischen und pflegerischen Qualität zu beschreiben, die dann in den Peer Reviews (oder auch z.B. stationsintern) bewertet werden und so in einen Zyklus der kontinuierlichen Verbesserung eintreten können (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Die in den QI angegebenen interprofessionellen und interdisziplinären Maßzahlen zur Bewertung sind formal keine Mindestanforderungen, auch wenn man sie so ebenfalls verstehen kann. Die weitere Verbreitung und vor allem Implementierung der Indikatoren ist das vordringliche Ziel der nächsten Jahre. Die zunehmende Anwendung und Beachtung der QI sind Belege dafür, dass die Anforderungen der RUMBA-Regel erfüllt werden:
- Relevant für das Problem
- Understandable (verständlich formuliert)
- Messbar sein, mit hoher Zuverlässigkeit und Gültigkeit
- Behaviourable (veränderbar durch das Verhalten)
- Achievable and feasible (erreichbar und durchführbar).
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die handhabbare Größe von zehn Indikatoren. Mit Beatmung, Analgesie, Sedierung und Delir-Behandlung, antiinfektiver Therapie, Ernährung, Hygiene und Kommunikation mit Patienten und Angehörigen sind relevante Kernprozesse des intensivmedizinischen Alltags abgebildet. Darüber hinaus wird die Personalbesetzung inklusive Qualifikation einer Intensivstation als Strukturkriterium aufgeführt. Ohne Kennzahlen dieser Art lässt sich die Qualität und ihre Veränderung nicht darstellen. Anspruch der QI ist die Förderung gelebter Qualität, die letztlich im intensivmedizinischen Peer Review ihre Anwendung findet.
Erstellung der dritten Version der intensivmedizinischen Qualitätsindikatoren
Da sich die wissenschaftliche Evidenz mit der Zeit verändert, ist es notwendig, die QI regelmäßig anzupassen und zu überprüfen [6]. Der nationalen Steuerungsgruppe für das intensivmedizinische Peer Review System ist durch die DIVI die Aufgabe übertragen worden, die intensivmedizinischen Qualitätsindikatoren in einem regelmäßigen Zyklus vor dem Hintergrund aktueller Leitlinien und neuer Evidenz in der Literatur zu überarbeiten. Im September 2015 wurde das Überarbeitungsverfahren eingeleitet. Zunächst wurden die in der DIVI organisierten Fachgesellschaften gebeten, Vorschläge für neue QI oder zur Überarbeitung der bestehenden QI zu unterbreiten. Diese Vorschläge wurden bis April 2016 aus den Fachgesellschaften zusammengetragen, redaktionell überarbeitet und anschließend in einer Delphi-Runde diskutiert. Nach Konsentierung innerhalb der in der DIVI zusammengeschlossenen Fachgesellschaften wurden die intensivmedizinischen Qualitätsindikatoren im Februar 2017 per Präsidiumsbeschluss der DIVI bestätigt und im Juni 2017 die Freigabe zur Publikation erteilt.
Intensivmedizinische Qualitätsindikatoren im Vergleich mit anderen Maßnahmen der Qualitätsverbesserung
Eine Task Force der European Society of Intensive Care Medicine (ESICM) hat 2012 ebenfalls eine Liste von Qualitätsindikatoren in der Intensivmedizin publiziert [7]. Diese beinhaltet Strukturindikatoren wie die Erfüllung nationaler Standards und ein „adverse event“-Reporting-System. Als Prozessindikatoren werden multidisziplinäre Visiten auf der Intensivstation in der Routine und ein standardisiertes Überleitungsverfahren auf die Normalstation betrachtet. Die gewählten Outcome-Indikatoren umfassen den Report der standardisierten Mortalitätsrate (SMR), der 48-stündigen Wiederaufnahmerate von Normalstation zurück auf eine Intensivstation, die Rate der katheterassoziierten Blutstrominfektionen und die Rate der ungeplanten Extubationen. Im Gegensatz zu den QI der ESICM legen die DIVI-Qualitätsindikatoren ihren Schwerpunkt vor allem auf die Prozessbetrachtung im Rahmen des Peer Reviews [4], [8]. Im Vergleich zu den DIVI-Qualitätsindikatoren werden in sieben weiteren Ländern und bei der ESICM hauptsächlich Ergebnisindikatoren genutzt [9]. Diese Outcome-Indikatoren sind zum Teil Gegenstand des deutschen intensivmedizinischen Kerndatensatzes (SMR und 48h-Wiederaufnahmerate). Der „adverse event“-Indikator „Dekubitus-Rate“ wird routinemäßig in den Qualitätsberichten aller deutschen Krankenhäuser dargestellt. Prozesse haben den größten Einfluss auf das tatsächliche Behandlungsergebnis. Daher erscheint im Vergleich der verschiedenen Indikatortypen ein prozessbasierter Ansatz naheliegend. Allerdings ist die regelmäßige Aktualisierung der Indikatoren der „Preis“, der hierfür gezahlt werden muss [6], [10].
Die deutschen intensivmedizinischen Qualitätsindikatoren sind im Kontext gemeinsam mit anderen qualitätsverbessernden Verfahren und Systemen zu sehen. Im pragmatischen Sinne muss daher explizit als Stärke der DIVI-Qualitätsindikatoren genannt werden, dass ihre Umsetzung auf den Intensivstationen unproblematisch und an keine tiefgreifenden Strukturveränderungen geknüpft ist. Es muss lediglich die Bereitschaft der Akteure zu einem im klinischen Alltag gelebten kontinuierlichen Verbesserungsprozess bestehen. Es bleibt die Kernintention der QI, die entscheidenden Prozesse entsprechend des aktuellen intensivmedizinischen Wissenstandes zu verändern, damit evidenzbasierte „good practice“ schneller den Weg an das Krankenbett findet [1].
Anwendung der intensivmedizinischen Qualitätsindikatoren
Evidenzbasierte Intensivmedizin sollte in ihrem Kern auf der Anwendung konsentierter Leitlinien und Empfehlungen beruhen, die sich in der neuesten Literatur wiederfinden. Die Implementierung dieser Leitlinien ist das eigentliche Ziel. Dies zu ermöglichen muss im Fokus der kommenden Jahre liegen. Neben innovativen Methoden der Leitlinienimplementierung wie „Blended Learning“-Konzepte (z.B. Onlineschulung kombiniert mit Simulatorschulungen und Supervisionen), Multiplikatorenschulungen [11] und Web-basierte Plattformen, ist die Überprüfung der Leitlinienanwendung durch QI ein wesentlicher Baustein. Auch wenn die QIs zunehmend Einzug halten, zeigen sich in der flächendeckenden regelmäßigen Anwendung noch Defizite. Ursachen hierfür können vielfältig sein und sind in Tabelle 1 [Tab. 1] [12] dargestellt.
Idealerweise werden die Indikatoren vollständig und regelmäßig erhoben und im Sinne der internen Qualitätsmanagements angewendet. Dies lässt sich aus unterschiedlichen Gründen nicht überall realisieren. Zum Beispiel sind Patientendaten-Management Systeme (PDMS), die ein Qualitätsmanagement mit Überprüfung der Indikatoren erleichtern können, nur in einem geringen Umfang auf deutschen Intensivstationen verbreitet. Selbst vorhandene PDMS-Systeme bieten diese Funktionalität nicht regelmäßig an, obwohl diese Funktion von einem überwiegenden Teil der Anwender der Systeme gewünscht ist [13]. Eine manuelle Erfassung ist aufwändiger als eine elektronische Dokumentation. Dies sollte aber aufgrund der relativ einfach gehaltenen Rechenregeln der Indikatoren kein unüberwindliches Hindernis sein. Zu Beginn einer Erfassung der Indikatoren sind zeitbegrenzte Stichproben (z.B. zweimal jährlich) sinnvoll, da das Peer Review-Verfahren eher im Sinne der Punktprävalenz vorgeht. Darüber hinaus ist eine retrospektive Erfassung im Regelfall möglich. Ein schrittweises Vorgehen mit zunehmender Indikatornutzung oder die abwechselnde Nutzung der Indikatoren ist ebenso sinnvoll. In Abbildung 1 [Abb. 1] ist eine Prozessbeschreibung ersichtlich, die schließlich in eine regelmäßige Qualitätsverbesserung im Sinne eines PDCA-Zyklus mündet. Der hierfür nötige Aufwand erscheint gemessen an den zu erwartenden positiven Effekten nicht zu hoch. Die Durchführung von intensivmedizinischen Peer Reviews nach den Empfehlungen der DIVI ist eine zusätzliche Möglichkeit, den Prozess der Erfassung von QI zu initiieren.
Die Zukunft der DIVI-Qualitätsindikatoren
Die intensivmedizinischen Qualitätsindikatoren der DIVI sind in ihrer Bedeutung in den letzten Jahren zunehmend gewachsen. Dabei ist ihr Wert nicht nur auf den beschriebenen medizinischen Prozess beschränkt. Vor allem die als Strukturindikatoren nutzbaren Elemente der QI werden auch abseits der Peer Reviews und des internen Qualitätsmanagements genutzt. So könnten sie z.B. den Kostenträgern dienen, um daraus Vorgaben für die Bezahlung einer Komplexpauschale abzuleiten. Dies ist kritisch zu sehen, da die Indikatoren nicht für diesen Zweck entwickelt und überprüft wurden. Diese Instrumentalisierung wird in Zukunft dazu führen, dass die Indikatoren bei Ihrer Formulierung noch stärker formalen Kriterien der QI-Erstellung folgen müssen [14], [15]. Der Zeitaufwand ist erheblich und es scheint angebracht, auch externe Expertise, wie sie z.B. bei der AWMF zu finden ist, in Anspruch zu nehmen. Diese Komplexität hat die DIVI dazu bewogen, eine eigene Sektion Qualitätsindikatoren zu gründen. Das Peer Review-Verfahren wird weiter ein sehr zentrales Element der Qualitätssicherung in der Intensivmedizin sein und die aus ihm entstandenen QI bleiben eine der Kernaufgaben der DIVI.
Die dritte Auflage der intensivmedizinischen Qualitätsindikatoren für Deutschland
Wie schon bei der Publikation der ersten beiden Versionen der intensivmedizinischen Qualitätsindikatoren wird auch in dieser dritten Version jeder ersetzte und geänderte QI erläutert. Die Liste der konsentierten QI folgt in tabellarischer Form im Anhang 1 [Anh. 1]. Weitere Vorschläge zu den QI, die aus unterschiedlichen Gründen nicht berücksichtigt sind, werden z.B. in den Peer Review Fragebogen integriert (http://www.divi.de/qualitaetssicherung/peer-review/erste-schritte.html).
QI I Tägliche multiprofessionelle und interdisziplinäre klinische Visite mit Dokumentation von Tageszielen
Die tägliche Festlegung von Tageszielen im multiprofessionellen Team, das mindestens aus ärztlichen und pflegerischen Mitarbeitern der Intensivstation besteht, wurde erstmals im Jahre 2003 publiziert. Die gemeinsame Festlegung von Tageszielen für den Patienten im Team verbessert nachweislich die Kommunikation des Behandlungsteams, macht die Behandlungsziele transparenter und erhöht die Patientensicherheit mit einem positiven Effekt auf das Patienten-Outcome [16]. Hierbei ist es wichtig, nicht nur das multiprofessionelle Team der Intensivstation einzubeziehen, sondern alle am Behandlungsverlauf beteiligten Berufsgruppen. Daher wurde der Indikator um den Begriff interdisziplinär erweitert. Hierbei wird nicht zwingend eine Gleichzeitigkeit der Visite gefordert. Allerdings sollte die interdisziplinäre Visite im Beisein von verantwortlich leitenden Fachpersonen (im Sinne des QI X) stattfinden. Die Standarddokumentationen, ob papiergestützt oder in elektronischer Form, muss diesem Indikator Rechnung tragen, um die Transparenz der täglichen Festlegungen zu sichern. Erreichte Ziele müssen ebenfalls nachprüfbar sein. Anbieter von Dokumentationsprodukten (papiergebunden oder elektronisch) sind aufgefordert, praxisnahe Lösungen anzubieten. Eine weitere Verbreitung elektronischer PDMS ist in diesem Zusammenhang wünschenswert [13].
QI II Management von Sedierung, Analgesie und Delir
Der QI II wird thematisch beibehalten. Durch die Anpassung der QI-Bezeichnung wird das Gewicht stärker auf das Ziel Therapie gelegt. Die aktuellen wissenschaftlichen Publikationen zu dem Thema zeigen eine unveränderte Brisanz. Das Ziel, Patienten möglichst gar nicht und so kurz wie möglich zu sedieren, ist neben der adäquaten Diagnostik und Therapie des Delirs mit seinen Ausprägungen Fokus des Indikators. Die aktuell publizierte S3-Leitlinie ist die wissenschaftlich fundierte Basis des Indikators [17]. Im Indikator ist eine mathematische Formel zur Erfassung der einzelnen Inhaltsbereiche (Delir, Analgesie und Sedierung) eingeführt worden. Von großer Bedeutung ist die Erfassung der empfohlenen Skalen mindestens alle 8 Stunden. Der Indikator umfasst das Vorliegen eines leitlinienbasierten Standards ebenso wie die Umsetzung des Prozesses. Optional wird das Erfassen eines Ergebnisindikators empfohlen.
QI III Patientenadaptierte Beatmung
Der Indikator ist in seinem Wesen unverändert geblieben wurde aber redaktionell überarbeitet. Die Evidenzlage für die lungenprotektive Beatmung ist unverändert und ihre Umsetzung im klinischen Alltag immer noch nicht ausreichend. Da sich bei den Beatmungsmodi eine Tendenz zur druckkontrollierten Beatmung sowie zu Spontanatemverfahren durchsetzt, sind fest vorgegebene Beatmungswerte in diesem Zusammenhang nicht zielführend. Es wird für die Stationen ein Standard verlangt der sich an den Leitlinien der Fachgesellschaften orientiert [18]. In dem Indikator wurde die Tabelle mit den empfohlenen PEEP-Werten vereinfacht. Beim Vorliegen eines schweren Lungenversagens wird die Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Zentrum empfohlen [19].
QI IV Frühzeitige Entwöhnung von einer invasiven Beatmung (Weaning)
Der QI IV wurde erneut modifiziert, bleibt aber mit seinem Schwerpunkt erhalten. Der QI und die Messformeln konzentrieren sich auf das möglichst rasche Beenden einer invasiven Beatmung. Die zuvor in dem Indikator beinhalteten Maßnahmen zur Prävention ventilator-assoziierter Pneumonien (VAP) gehen in den neu geschaffenen QI V (Infektionsprävention) ein. Insgesamt verfolgt auch dieser Indikator das Ziel der VAP-Prävention, fokussiert aber auf den Prozess der Entwöhnung, deren positiver Effekt auf die VAP-Vermeidung maßgeblich im Faktor „Dauer der Beatmung“ begründet ist. Das Weaning per se ist ein sehr komplexer Prozess und ist inhaltlich verknüpft mit dem Sedierungskonzept einer Intensivstation (siehe QI II) sowie einem Mobilisationskonzept zur Vermeidung von neuro-muskulärer Schwäche [20]. Letzteres wird durch den neuen QI IX (Frühmobilisation) adressiert, da eine Atrophie der Atemmuskulatur ein zentraler pathophysiologischer Faktor für ein Weaning-Versagen darstellt. Der Erfolg dieses Prozesses beruht daher auf sehr gut abgestimmte Standards, die im Sinne der Strukturqualität in einem Weaning-Standard abgelegt sein sollten [21].
QI V Überwachung der Maßnahmen zur Infektionsprävention
Dieser Indikator ist neu und wird dem ebenfalls neuen QI VI „Maßnahmen zum Infektionsmanagement“ vorangestellt. Die zunehmende Belastung durch multiresistente Erreger und anhaltend hohe Sterblichkeit bei Auftreten nosokomialer Infektionen [22], [23] ist Anlass den Indikator neu aufzunehmen. Der ursprüngliche Indikator IX „Händedesinfektionsmittelverbrauch“ wird in diesem Indikator weitergeführt. Das Vermeiden von Infektionen auf Intensivstationen ist eine der effektiven Maßnahmen zur Reduktion von Morbidität und Mortalität [24]. Im Indikator werden Struktur, Prozess- und Ergebnisvorgaben genannt. In der Messformel ist schließlich die Ergebnisqualität abgefragt. Die Qualitätsdimensionen umfassen bei den Strukturvorgaben das Hinterlegen geeigneter Verfahrensanweisungen und Standards zur Infektionsprävention [25], [26]. Dem Prozess der suffizienten Händehygiene wird hierbei eine fundamentale Bedeutung bei der Infektionsprävention beigemessen. Maßnahmen aus dem bisherigen Indikator zur VAP-Prävention sind weiter im Rahmen der Bündelstrategie enthalten, wobei nach wie vor die Bewertung einzelner solcher Maßnahmen schwierig ist. Beispielsweise lässt sich aufgrund eines aktuellen Cochrane Reviews aus dem Jahre 2016 festhalten, dass orale Hygienemaßnahmen (inklusive Chlorhexidin) die Inzidenz der VAP senken, aber derzeit kein Einfluss auf Letalität, Intensivaufenthalt und Beatmungstage nachweisbar ist [27]. Ein Effekt in Bezug auf die Letalität konnte bisher für SDD (Selektive Darmdekontamination) [28], [29] und SOD (Selektive Orale Dekontamination) [30] gezeigt werden. Maßzahlen der Ergebnisqualität sind einerseits der Händedesinfektionsverbrauch und andererseits die Rate einer der zwei Leitinfektionen ventilator-assoziierte Pneumonie (VAP) und ZVK-assoziierte Infektion (Central Line-Associated Bloodstream Infection; CLABSI). An diesen Leitinfektionen soll die Effektivität der Präventionsmaßnahmen nachgewiesen werden. Eine gleichzeitige Überwachung beider Leitinfektionen ist sinnvoll und wird empfohlen.
QI VI Maßnahmen zum Infektionsmanagement (ersetzt: Therapeutische Hypothermie nach Herzstillstand)
Der Indikator „Therapeutische Hypothermie nach Herzstillstand“ wurde gestrichen, da dieser Punkt in der aktuellen Literatur durchaus kontrovers diskutiert wird. Die aktuellen Leitlinien empfehlen jedoch weiter dringend ein Temperaturmanagement nach Reanimationen, das als zentrales Ziel die Vermeidung einer Hyperthermie hat [31]. Die Autoren halten es für sinnvoll, die Umsetzung des Temperaturmanagements nach Reanimationen in anderem Rahmen, z.B. bei der Fragebogenbewertung (s.o.) während eines Peer Reviews, nachzuprüfen.
Der neue Indikator „Maßnahmen zum Infektionsmanagement“ trägt dem Umstand Rechnung, dass die leitlinienbasierte Therapie v.a. bakterieller Infektionen nach wie vor problematisch ist. In den Peer Reviews zeigen sich offensichtliche Defizite in der Indikationsstellung, in der Auswahl und Dosierung geeigneter antiinfektiver Substanzen sowie in der adäquaten Dokumentation. Daher fragt der Indikator zwei wesentliche Aspekte der Behandlung ab: 1. die adäquate mikrobiologische Diagnostik und 2. die an aktuellen Leitlinien orientierte, indikationsgerechte und angemessene antiinfektive Therapie.
Für die Diagnostik stehen klinische Zeichen im Vordergrund, die im Jahre 2016 neu definiert wurden. Diese finden Ausdruck in den neuen Sepsiskriterien [32]. Die Überwachung der in diesen Publikationen definierten klinischen Zeichen (Vigilanz, Atemfrequenz und systolischen Blutdruck) und des SOFA-Scores ist in diesem Zusammenhang empfohlen. Zweiter wesentlicher Punkt in diesem Indikator ist die sachgerechte mikrobiologische Diagnostik. Dies findet Niederschlag in der Indikatorformel bezogen auf Blutkulturen pro 1.000 Patiententage [33]. Die Überprüfung des Therapieprozesses z.B. in den Peer Reviews konzentriert sich auf die Abfrage von transparenter Dokumentation, Indikation und Dauer der antiinfektiven Therapie. Es sollte eine Umsetzung der beschriebenen Struktur- und Prozessdeterminanten soweit möglich angestrebt werden. Diese beinhalten Leitlinienadhärenz, lokale SOPs [34], zeitnahen Therapiebeginn, multiprofessionelle Visiten (Mikrobiologe, klinischer Pharmazeut, Infektiologe usw.), transparente Dokumentation, therapeutisches Drug-Monitoring [35] und Antibiotic Stewardship (ABS) [36].
QI VII Frühe enterale Ernährung
Dieser Indikator wurde gering verändert. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Publikationen zum Thema Ernährung von Intensivpatienten erschienen. Die aktuellen Leitlinien der ASPEN sind bezüglich der Empfehlungen zur enteralen Therapie klar formuliert [37]. Die nicht mehr ganz aktuellen Leitlinien der ESPEN präferieren vor allem in Bezug auf den Zeitpunkt der Zufuhr von parenteralen Lösungen zur Erreichung einer angemessenen Kalorienzufuhr eher einen früheren Therapiebeginn [38], [39]. Das Ziel des Indikators trägt diesen Leitlinien sowie der aktuelleren Literatur Rechnung und empfiehlt eine Mindestkalorienmenge nach 48 Stunden. Insgesamt bleibt die frühe enterale Ernährung ein wichtiges Ziel [40]. Neben der Forderung, die Ernährung auf „natürlichem“ Wege anzubieten, ist die adäquate Nährstoffzusammensetzung und das Energieangebot für den Patienten zu beachten. Es wird dringend empfohlen patientenindividuelle Ernährungsziele zu definieren und einen entsprechenden Ernährungsstandard zu erstellen [41].
QI VIII Dokumentation einer strukturierten Patienten- und Angehörigenkommunikation
Dieser Indikator wurde ergänzt. Die Ausrichtung erfolgt stärker auf die Ermittlung des Patientenwillens [42]. Der Indikator beinhaltet auch Empfehlungen zur Berücksichtigung der Gesundheit von Angehörigen und Mitarbeitern. Die Auswertungen von Peer Reviews zeigen, dass die Dokumentation von Angehörigengesprächen auf Intensivstationen weiterhin nicht befriedigend umgesetzt ist. Die Inhalte der Dokumentation lassen häufig nicht erkennen, welche Themen mit den Angehörigen besprochen wurden und welche gemeinsamen Festlegungen im Interesse des Patienten getroffen wurden. Die Forderung nach angemessenen Dokumentationsvorlagen (z.B. Therapiebegrenzungsbogen) auf den Intensivstationen bleibt bestehen. Die Führung von Intensivtagebüchern und die Durchführung und Auswertung von Angehörigenbefragungen werden als wichtige ergänzende Maßnahmen gesehen. Die DIVI hat zu den Prozessen entsprechende Empfehlungen veröffentlicht [43], [44].
QI IX Frühmobilisation (ersetzt: QI IX Händedesinfektionsmittelverbrauch)
Der bisherige „QI IX Händedesinfektionsmittelverbrauch“ wurde Teil des neuen QI V „Infektionsprävention“, da die Brisanz des Themas Händedesinfektion in keiner Weise geringer geworden ist.
Der Indikator „Frühmobilisation“ wurde neu in die QI aufgenommen. Vor dem Hintergrund steigender Zahlen langfristig beatmeter Patienten ist jede Maßnahme zur Vermeidung langfristiger Beatmungsabhängigkeit nützlich (siehe auch QI II und IV). Der positive Effekt einer frühen Mobilisation von Intensivpatienten ist in diversen Publikationen nachgewiesen [45], [46], [47], [48], [49]. Der Indikator betont einen frühen Beginn der Mobilisationsmaßnahmen, der auf den Intensivstationen in festgelegten Standards hinterlegt sein muss [50]. Die Sicherheit der Mobilisationsmaßnahmen wird gelegentlich angezweifelt. Hier können nationale und europäische Empfehlungen zur Definition der eigenen Standards genutzt werden [51]. Zusätzlich ist die Vermeidung der Immobilisation wichtig, welche nur auf explizierte Anordnung erfolgen sollte.
QI X Leitung der Intensivstation
Dieser Indikator wurde redaktionell verändert. Die Evidenzlage zu den Inhalten dieses Indikators ist weiterhin als sehr hoch zu bewerten. Zur adäquaten Versorgung von intensivmedizinischen Patienten ist die 24-stündige Präsenz eines erfahrenen und qualifizierten pflegerischen und ärztlichen Teams notwendig. Der Begriff Präsenz kann auch kurzfristige Einsätze außerhalb der Intensivstation z.B. zur Notfallversorgung von Patienten innerhalb des Krankenhauses beinhalten (Reanimationsdienst, MET), nicht aber Verpflichtungen in anderen klinischen oder außerklinischen Versorgungsbereichen. Die Studienlage zeigt, dass in der Kernarbeitszeit, d.h. in der Zeit, in der wichtige Entscheidungen im interdisziplinären und interprofessionellen Kontext zu treffen sind und die Verfügbarkeit aller Entscheidungsträger gegeben ist, die Präsenz eines Facharztes mit Zusatzbezeichnung (= erfahrener und qualifizierter Intensivmediziner) notwendig ist [52], [53]. Dieser erfahrene und qualifizierte Intensivmediziner darf keine wesentlichen anderen (klinischen) Aufgaben auf sich vereinen als die fachliche Leitung der Intensivstation.
Dies entspricht den maßgeblichen Anforderungen der DIVI [54]. Die Bewertung des Indikators erfolgt anhand der Strukturvorgaben der DIVI zur Intensivmedizin. Diese beinhalten eine adäquate Personalvorhaltung, die durch engen Kontakt zwischen ärztlicher, pflegerischer und geschäftlicher Leitung eines Krankenhauses zu gewährleisten ist. Die Personalvorhaltung orientiert sich an den strukturellen Notwendigkeiten einzelner Kliniken und kann z.B. auch von extern bereitgestellten Dienstleistungen (Dialyse, Transporte, Modulversorgung etc.) abhängen.
Anmerkungen
Interessenkonflikte
Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.
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