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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Die Newcomer: Literaturversorgung an den drei neuen Medizinstandorten Linz, Augsburg und Bielefeld

The newcomers: Literature supply at the three new medical schools Linz, Augsburg and Bielefeld

Fachbeitrag Medizinische Literaturversorgung im Umbruch

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GMS Med Bibl Inf 2022;22(1):Doc06

doi: 10.3205/mbi000524, urn:nbn:de:0183-mbi0005243

Veröffentlicht: 16. September 2022

© 2022 Krause et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Die Universitätsbibliotheken Linz, Augsburg und Bielefeld übernahmen in den letzten Jahren die Literaturversorgung für neu gegründete medizinische Fakultäten. Für den Bestandsaufbau gab es unterschiedliche Voraussetzungen in Bezug auf den bereits vor Ort vorhandenen Bestand und die Zusammenarbeit mit klinischen Partnereinrichtungen. Gleichzeitig bestehen als Gemeinsamkeiten die Dynamik der Aufbauphase der Forschung und Lehre an den neuen Standorten, die enge Zusammenarbeit mit den Fakultäten, komplexe Benutzergruppen, ein fast vollständig elektronischer Zeitschriftenbestand und zugleich ein bis auf weiteres hybrides Vorgehen in der Bereitstellung von Lehrbüchern und Monografien. In diesem Artikel beschreiben wir die Literaturversorgungskonzepte an unseren jeweiligen Standorten und gehen auf die sich dadurch ergebenden Aufgaben und Rollen der Bibliothek ein.

Schlüsselwörter: Medizinbibliotheken, neue Universitätsmedizinstandorte, Literaturversorgung, Digitalisierung

Abstract

New medical faculties have been established at the three universities of Linz, Augsburg, and Bielefeld in recent years. The university libraries are responsible for the literature supply. There were different prerequisites for the collection development regarding the already existing literature stock and licences, and the cooperation with clinical partner institutions. At the same time, commonalities exist including the dynamics of the establishment of research and teaching at the new campuses, close collaboration with the faculties, complex user groups, an almost entirely electronic journal collection, and at the same time a hybrid approach to the provision of textbooks and monographs. In this article, we describe the literature supply concepts at our respective locations and address the resulting tasks and roles of the library.

Keywords: medical libraries, new university medical centres, literature supply, digitisation


Einleitung

An den drei Universitäten Linz, Augsburg und Bielefeld wurden in den letzten Jahren neue medizinische Fakultäten gegründet. In diesem Artikel beschreiben wir die Besonderheiten, die sich aus dieser Aufbausituation für die Literaturversorgung und den Bestandsaufbau an unseren Standorten ergeben.

Standort Linz

Die Medizinische Fakultät an der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz wurde als erste der drei vorzustellenden Standorte im Jahr 2014 gegründet. Mit Gründung der Fakultät wurden das Allgemeine Krankenhaus der Stadt Linz, die Landes-Frauen- und Kinderklinik und die Landesnervenklinik zur Kepler Universitätsklinikum GmbH zusammengelegt. Das Universitätsklinikum ist nicht Teil der Universität, sondern eigenständig. Es gibt eine Kooperation mit der Universität als Ausbildungskrankenhaus und aktuell sind 20 Lehrstühle besetzt. Im Wintersemester 2014/15 startete der Studiengang Humanmedizin, wobei zunächst noch kein Lehrbetrieb in Linz stattfand. In einem kooperativen Modell mit der Medizinuniversität Graz, das noch einige Jahre bestehen wird, nahmen zunächst 60 Studierende ihr Studium in Graz auf. In einem Stufenmodell begann der Lehrbetrieb ab 2018/2019 auch in Linz. Seit dem Wintersemester 2021/2022 kann das Studium vollständig in Linz absolviert werden und die Zahl der Studierenden liegt bei 840 in Linz und bei 1.080 gemeinsam mit Graz. Im Endausbau (2028) werden es knapp 2.000 Studierende (Bachelor, Master, Doktorat) und ca. 30 Lehrstühle plus zusätzliche Assistenzprofessor*innen sein. Durch das Förderprogramm „Uni-Med-Impuls 2030“ des österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung könnten die Studierendenzahlen zukünftig weiter steigen.

Die Universitätsbibliothek (UB) Linz versorgt alle Universitätsangehörigen mit Literatur. Die Fakultätsbibliothek Medizin ist eine Zweigstelle der Universitätsbibliothek. Sie befindet sich am neuen medizinischen Campus am Krankenhausgelände im Zentrum der Stadt. Die Eröffnung des Bibliotheksgebäudes war im September 2021. Dagegen sind die Hauptbibliothek und die anderen Fachbibliotheken am Campus der Universität am Stadtrand gelegen. Vor Ort in der Zweigbibliothek Medizin gibt es eine Betreuung für Service und Erwerbung. Die Referentin und das E-Medienmanagement befinden sich hingegen am Hauptcampus.

Standort Augsburg

Die Medizinische Fakultät der Universität Augsburg wurde Ende 2016 gegründet und zum Jahr 2019 wurde das bisherige Klinikum Augsburg zum Universitätsklinikum umgewandelt. Als neue Studiengänge werden an der Universität Augsburg ein Modellstudiengang Humanmedizin, Studiengänge der Medizinischen Informatik (Bachelor und Master) sowie ab dem Jahr 2023 ein Bachelorstudiengang Hebammenwissenschaft angeboten. Seit dem Wintersemester 2019/2020 beginnen jeden Herbst 84 Studierende der Humanmedizin ihr Studium in Augsburg, so dass es derzeit drei Jahrgänge und damit insgesamt etwa 250 Medizinstudierende gibt. Bis Anfang August 2022 sind 42 Professuren und Lehrstühle berufen worden. In den kommenden Jahren werden weitere Berufungen folgen und die jährlichen Zulassungszahlen schrittweise ansteigen, sodass im Endausbau der medizinischen Fakultät etwa 100 Professor*innen und 1.500 Studierende der Humanmedizin angehören werden.

Die UB Augsburg übernimmt die Aufgabe der Literaturversorgung im Bereich Forschung und Lehre für die Universitätsmedizin. Das Bibliothekssystem der Universität Augsburg ist einschichtig organisiert und besteht aus der Zentralbibliothek und vier Teilbibliotheken. Die Teilbibliothek Medizin ist die jüngste Teilbibliothek und eröffnete zeitgleich mit dem Studienstart Humanmedizin im Jahr 2019. Sie befindet sich derzeit in einem Interimsstandort im Lehrgebäude der Medizinischen Fakultät. Voraussichtlich im Jahr 2025 wird die Teilbibliothek Medizin neue und größere Bibliotheksräume im neuen Lehrgebäude der Medizinischen Fakultät beziehen, das sich aktuell im Bau befindet.

Standort Bielefeld

Die Medizinische Fakultät an der Universität Bielefeld wurde 2018 gegründet und bezieht nach und nach neue Gebäude auf dem Campus in unmittelbarer Nähe zum Universitätshauptgebäude. Ein eigenes Universitätsklinikum wird von der Universität Bielefeld nicht betrieben. Stattdessen kooperiert sie mit ausgewählten Fachkliniken von drei regionalen Krankenhausträgern (Evangelisches Klinikum Bethel, Klinikum Bielefeld, Klinikum Lippe) die gemeinsam das „Universitätsklinikum OWL“ (Ostwestfalen-Lippe) bilden. Der personelle Aufbau der Fakultät begann 2019 und wird noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Aktuell (Anfang August 2022) sind bisher 30 klinische und theoretische Professuren besetzt worden, geplant sind zukünftig ca. 100 Professuren. Der Lehrbetrieb für den Modellstudiengang Humanmedizin wurde erstmals im Wintersemester 2021/22 mit 60 Studierenden aufgenommen. Perspektivisch wird die Zahl der Erstsemester steigen, so dass es im Endausbau ca. 2.000 Studierende der Medizin an der Universität Bielefeld geben wird. Den bereits immatrikulierten Studierenden des Modellstudiengangs Medizin wird der Erwerb eines zusätzlichen Studienabschlusses durch den Bachelorstudiengang „Interdisciplinary Medical Sciences“ angeboten.

Für die Literatur- und Informationsversorgung der neuen Medizinischen Fakultät ist die Universitätsbibliothek (UB) Bielefeld zuständig. Die UB Bielefeld ist eine einschichtige Bibliothek, die sich zentral im Universitätshauptgebäude (UHG) und einem weiteren Gebäude auf dem Campus befindet. Es ist eine Freihandbibliothek die nach Fachgebieten geordnet ist. Die neue Fachbibliothek Medizin gehört organisatorisch zur UB Bielefeld und fügt sich in das bestehende Bibliothekskontinuum ein. Räumlich befindet sie sich aktuell an einem Interimsstandort innerhalb der UB und wird perspektivisch ab ca. 2025 in einer neuen Erweiterungsfläche der UB untergebracht.


Institutionelle Rahmenbedingungen für den Bestandsaufbau und dessen organisatorisch-technische Umsetzung

Literaturbudget und Zusammenarbeit mit der medizinischen Fakultät

An allen drei neuen Standorten ist das Fach Medizin bisher nicht Teil des regulären Etatverteilungsmodells der UB. Stattdessen wird das Literaturbudget direkt von der medizinischen Fakultät zugewiesen. Dabei gibt es bisher kein festes jährliches Literaturbudget, sondern dessen Höhe wird jedes Jahr bedarfsabhängig in Absprache zwischen UB und Dekanat der medizinischen Fakultät festgesetzt. Wir gehen davon aus, dass dies noch mindestens einige Jahre so bleiben wird. Ob danach ein „Steady State“ und damit eine Planbarkeit der Kosten erreicht werden kann, ist mit Blick auf die Entwicklungen in der Informationslandschaft offen, genannt seien Preissteigerungen, Transformationsverträge, die zunehmende Bedeutung von Open-Access-Publikationsgebühren und damit auch die Entwicklung hin zum Informationsbudget. Für die Standorte Augsburg und Bielefeld ist zudem für die zukünftige Höhe des Literaturbudgets nicht zu vergessen, dass in nicht absehbarer Zeit eine größere Summe für einen Elsevier-Vertragsabschluss hinzukommen könnte.

Um den Bestandsaufbau und die Entwicklung des Bibliothekskonzepts zu begleiten, wurden an unseren Standorten Prozesse etabliert und zum Teil auch Gremien eingesetzt.

In Linz erfolgt die Zusammenarbeit zwischen UB und der Bereichsleitung im Dekanat der Medizinischen Fakultät, die wiederum weitere Personengruppen, wie die Dekane für Forschung und Lehre und Lehrstuhlinhaber*innen, in Entscheidungsprozesse miteinbezieht.

In Augsburg wurde vom Dekanat der Medizinischen Fakultät die Bibliotheks-AG Medizin eingerichtet, die sich aus Vertreter*innen von Medizinischer Fakultät, Universitätsklinikum, Rechenzentrum und UB zusammensetzt.

In Bielefeld gibt es eine Projektgruppe aus Fakultät, Rechenzentrum, UB und Projektleitung, die sich unter einem technischen und lizenzrechtlichen Blickwinkel mit der bedarfsgerechten Versorgung der Mitarbeitenden der Medizinischen Fakultät und des Universitätsklinikums OWL mit digitaler Literatur und Datenbanken befasst. Eingebettet ist diese Projektgruppe in einen größeren Lenkungskreis, der die Medizinische Fakultät beim Aufbau begleitet und generell Fragen zur Software, IT-Dienstleistungen, Aspekte des Studiums oder Prozessorientierung diskutiert.

Bibliothekarische Zusammenarbeit mit den klinischen Partnereinrichtungen

Insbesondere für den elektronischen Bestandsaufbau ist eine zentrale Frage, welche Personengruppen der Literaturversorgungsauftrag der Bibliothek umfasst. Die Entscheidung, welche Gruppen und Organisationseinheiten in Lizenzverträge aufgenommen werden, ist auch an etablierten Standorten nie einfach, beispielsweise mit Blick auf Kooperations- und Lehrkrankenhäuser, An-Institute, Gastwissenschaftler*innen oder Studierende anderer Universitäten im Praktischen Jahr. An den neuen Medizinstandorten stehen viele dieser Überlegungen jedoch gesammelt am Anfang, bevor mit der Verhandlung von Lizenzverträgen begonnen werden kann. Zudem kann nicht im gleichen Maße mit historischen Strukturen argumentiert werden. Stattdessen muss es eine klar festgelegte Strategie geben.

In Linz sind die Universität und das Universitätsklinikum zwei verschiedene Rechtsträger. Zunächst wurde versucht, die Kliniken mit Forschungsliteratur mitzuversorgen. Aufgrund der problematischen rechtlichen Situation musste man dies aber wieder auslaufen lassen. Der Grund dafür ist, dass die Universität keine Verträge für einen anderen Rechtsträger und keine Verträge zugunsten Dritter abschließen darf. Reine Klinikumsangestellte sind damit nicht Teil der Nutzerschaft der Universitätsbibliothek, außer sie schreiben sich in der Bibliothek ein. Wie andere externe Nutzergruppen haben sie damit Nutzungsmöglichkeiten im Rahmen eines Bibliotheksbesuchs, aber keinen Fernzugriff auf E-Ressourcen. Für die Lehre werden auch Lektor*innen eingesetzt, die – aufgrund ihrer Zuordnung zur JKU – Zugriff auf alle Ressourcen der Bibliothek erhalten. Unproblematisch ist hingegen die Gruppe jener Ärzt*innen, die einen Lehrstuhl innehaben und wissenschaftliche Mitarbeiter*innen sind. Sie sind Angehörige der JKU und haben damit vollen Zugriff auf alle Angebote der Bibliothek. Im Alltag führt dieser Unterschied bedauerlicherweise öfter zu unangenehmen Situationen. Es gibt immer wieder einmal Begehrlichkeiten hinsichtlich unbeschränktem Fernzugriff auf Datenbanken und E-Journals. Aber, so nachvollziehbar ein individueller Bedarf auch begründet sein mag, der Wunsch bleibt unerfüllbar, denn defacto haben nur jene Ärzt*innen Zugriff, die sich mit ihrer Personalnummer von der JKU einloggen können. Alle anderen sind auf die eigenen Lizenzen des Klinikums beschränkt.

In Augsburg wechselte mit der Umwandlung des bisherigen Klinikum Augsburg zum Universitätsklinikum die Trägerschaft von Stadt und Landkreis hin zum Freistaat Bayern. Das Universitätsklinikum Augsburg wird vom Freistaat Bayern als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit dem Recht zur Selbstverwaltung betrieben. Auch die anderen bayerischen Universitätsklinika haben diese Rechtsform, die im Jahr 2006 im Bayerischen Universitätsklinikagesetz festgeschrieben wurde (BayUniKlinG Art. 1 (1)). Historisch betrachtet waren die Kliniken in Bayern jedoch enger an die Universitäten angebunden. Die ab der Umwandlung zum Universitätsklinikum Augsburg eingestellten Ärzt*innen sind wissenschaftliche Mitarbeiter*innen des Freistaats Bayern mit Aufgaben in Forschung und Lehre. Es bestehen jedoch auch weiterhin Arbeitsverträge, die noch nicht auf dieses neue Modell umgestellt wurden. Eine Vorgabe für die elektronische Literaturversorgung der Universitätsmedizin Augsburg war es deswegen, dass im Universitätsklinikum keine „Zweiklassengesellschaft“ unter der Ärzteschaft entstehen sollte. Im Jahr 2019 gab es dazu einen wichtigen Beschluss der Universitätsleitung, der besagt, dass sämtlichem ärztlichen/wissenschaftlichen Personal am Universitätsklinikum Augsburg die Nutzung der über die UB bereitgestellten medizinisch-wissenschaftlichen elektronischen Zeitschriften und Datenbanken ermöglicht werden soll. Die UB Augsburg folgt diesem Beschluss in allen Lizenzverhandlungen mit Verlagen.

Die Universität Bielefeld betreibt kein eigenes Universitätsklinikum. Für die klinische Ausbildung und Forschung wurde mit drei Krankenhausträgern der Region ein Kooperationsvertrag geschlossen. Einzelne ausgewählte Fachkliniken dieser Krankenhausträger bilden gemeinsam das „Universitätsklinikum OWL“. Die drei Krankhausträger sind rechtlich und wirtschaftlich eigenständige Institutionen und können nicht über die Lizenzverträge der UB Bielefeld mitversorgt werden. Ausschließlich in Forschung und Lehre Mitarbeitende einer klinischen Arbeitsgruppe mit universitären Professor*innen können die Services inklusive Lizenzen der UB nutzen. Diese werden über ein spezielles Verfahren, kontrolliert von der Medizinischen Fakultät, im Identity Management unter einer neu geschaffenen Statusgruppe der Universität aufgenommen. Eine weitere Gruppe von hauptsächlich Lehrenden, die nicht zu einer der klinischen Arbeitsgruppen der Medizinischen Fakultät gehört, kann nicht pauschal die Services der UB nutzen. Für diese Gruppe gibt es Bestrebungen, sie mit speziell für die Lehre benötigten Lizenzen über Zusatzverträge zu versorgen. Diese Personengruppe soll zukünftig ausschließlich auf diese Inhalte zugreifen können.

Besonderheiten im Lizenzmanagement

Durch die differenzierten Benutzergruppen und gegebenenfalls das Lizenzmanagement für mehrere Standorte kommen neue Aufgaben für die Bibliothek hinzu, um die angestrebte Literaturversorgungsstrategie organisatorisch und technisch umzusetzen. Dies sind zunächst konzeptionelle Überlegungen: Welche Personengruppen der Universitätsmedizin erhalten welche Art von Kennungen des Rechenzentrums und/oder der Bibliothek? Über welche Authentifizierungs- und Autorisierungsverfahren kann der Literaturzugriff von außerhalb für die verschiedenen Benutzergruppen am besten abgebildet werden? Welchen Einfluss hat dies auf bestehende Benutzergruppen, Zugriffswege und Verträge der Universität? Hinzu kommt die konkrete Vertragsgestaltung: Wer schließt die Verträge? Wenn dies die UB in Vertretung für die Universität und das Universitätsklinikum übernimmt: Wie kann die UB für Standorte in den Kliniken im Bedarfsfall die Einhaltung der Nutzungsbedingungen einfordern? Welche IP-Bereiche und welche Vollzeitäquivalente für welche Statusgruppen müssen angegeben werden? Diese Informationen werden für bestehende Fächer meist zentral erhoben. Für die neuen Strukturen der Universitätsmedizin müssen sie jedoch oft separat bei der Fakultätsleitung oder der Personalabteilung des Universitätsklinikums erfragt werden. Wenn die Verträge geschlossen sind, müssen die verschiedenen Zugangswege für die unterschiedlichen Benutzergruppen und gegebenenfalls in den diversen IP-Bereichen und IT-Umgebungen getestet werden. Hinzu kommt der Support bei Benutzeranfragen und Zugriffsschwierigkeiten. Insgesamt nehmen diese Aufgaben viel Zeit in Anspruch, nicht nur zu Beginn des elektronischen Bestandsaufbaus, sondern immer, wenn neue Verträge hinzukommen, Zeitschriften den Verlag wechseln oder technische Änderungen an den Verlagsplattformen berücksichtigt werden müssen. Die Aufgaben werden aus unserer Erfahrung in enger Abstimmung zwischen Erwerbungsabteilung, Benutzung und Fachreferat Medizin wahrgenommen. Das Fachreferat Medizin übernimmt ebenfalls die Vermittlung der neuen Zugangswege in Gesprächen mit neuen Mitarbeiter*innen, Bibliotheksvorstellungen in den Kliniken, Online-Workshops und Informationsmaterialien.

In Linz können externe Benutzer*innen, zu denen wie oben erwähnt auch die reinen Klinikangehörigen zählen, nur vor Ort auf elektronische Ressourcen zugreifen. Zugänge von außerhalb sind über Shibboleth und einen HAN-Server nur für JKU-Angehörige möglich.

In Augsburg wird das Universitätsklinikum in Verträge für medizinische Literaturressourcen miteingeschlossen, so dass diese auch im IP-Bereich des Klinikums zugänglich sind. Dies gilt sowohl für Lizenzverträge mit rein medizinischen Verlagen als auch für große fachübergreifende Verträge, nicht jedoch für Lizenzverträge der Universität Augsburg für nicht-medizinische elektronische Ressourcen. Zudem wurde eine Zugriffsmöglichkeit von außerhalb speziell für Ärzt*innen und wissenschaftliche Mitarbeiter*innen des Universitätsklinikums geschaffen, der „E-Medien-Login“. Der E-Medien-Login basiert auf einem Reverse-Rewriting-Proxy (EZproxy der Firma OCLC), wobei die Anmeldung über die Bibliothekskennung geschieht. Der E-Medien-Login ist zunächst als Übergangslösung für einige Jahre angelegt. Er wird jedoch bereits jetzt auch von Personen geschätzt, die auch über Rechenzentrumskennung und VPN-Client zugreifen könnten, da keine Installation nötig ist und durch die Verwendung des Proxy-Servers weniger Zugriffsschwierigkeiten im Kliniknetz bestehen. Es sind nur E-Ressourcen über den E-Medien-Login abrufbar, für die das Universitätsklinikum in die Lizenzverträge mit aufgenommen wurde.

Aus den bereits genannten Gründen der besonderen Form des Universitätsklinikums OWL (UK OWL) ist die Frage nach den Berechtigungen für elektronische Lizenzen der UB Bielefeld eine Frage, die seit Gründung der Medizinischen Fakultät fortlaufend erörtert und angepasst wird. Am Beginn stehende Planungen und Überlegungen müssen oftmals geändert und überdacht werden, da sich mit voranschreitendem Aufbau der Medizinischen Fakultät und des UK OWL neue Bedingungen, Nutzergruppen und Bedarfe ergeben. Da sich die zugangsberechtigten klinischen Arbeitsgruppen auf drei eigenständige Krankenhausträger verteilen, kann kein Zugriff über IP-Adressen erfolgen, da diese nicht Teil der Universität sind. Der Lösungsansatz ist aktuell, dass die berechtigte Personengruppe ausschließlich über die Shibboleth-Authentifizierung auf die Lizenzen der UB zugreifen kann. Diese Lösung bringt den Nachteil mit sich, dass nicht alle relevanten Verlage/Inhaltsanbieter eine Authentifizierung über Shibboleth anbieten.


Bestandsaufbau: Print oder digital?

Am Anfang des Bestandsaufbaus an den neuen Medizinstandorten steht auch die Entscheidung, ob Literatur bevorzugt gedruckt oder elektronisch erworben werden soll. Für Zeitschriften stellte sich diese Frage an unseren Standorten fast nicht mehr: Es wurde von Beginn an wo immer möglich auf eine elektronische Variante gesetzt. Anders sieht es für Monografien und die Studienliteratur aus. Für diese gibt es an unseren Standorten unterschiedliche Herangehensweisen, wie stark beim Bestandsaufbau auf Online-Versionen gesetzt wird. Dabei spielt zum einen immer eine entscheidende Rolle, ob Erwerbungs- und Lizenzierungsmodelle für eine elektronische Variante überhaupt angeboten werden. Zum anderen muss jeweils abgewogen werden, inwieweit Bibliothek und Fakultätsleitung bereit sind, die angebotenen Modelle zu akzeptieren. Hier kommt der Bibliothek die Rolle zu, die jeweiligen Modelle mit Blick auf ihre praktische Bedeutung zu erläutern, beispielsweise in Bezug auf Einschränkungen durch Digital-Rights-Management (DRM) oder Geschäftsmodelle, aufgrund derer Titel nicht flexibel einzeln als E-Book erworben werden können, obwohl genau das meist inhaltlich gewünscht wäre.

In der Aufbauphase der neuen Studiengänge gibt es unserer Erfahrung nach einige Besonderheiten beim Aufbau der Studienliteratur. Zum einen sind viele Angebote, die das komplette vorklinische und klinische Programm eines Verlages umfassen, zu groß dimensioniert für einen Standort, an dem erst das erste Studienjahr oder wenige Studienjahre angelaufen ist bzw. sind. Zentral ist auch die Abwägung, welche elektronischen Angebote langfristig etabliert werden können. Hintergrund ist, dass Lizenzgebühren für E-Book- und Lernplattformen häufig basierend auf der Anzahl Medizinstudierender berechnet werden. Da diese Zahl in den ersten Jahren im zwei- bis niedrigen dreistelligen Bereich liegt, sind die jährlichen Lizenzgebühren der Plattformen anfangs für neue Standorte sehr günstig. Gleichzeitig ist von vorneherein klar, dass eine langfristige Finanzierung in vielen Fällen bei Erreichen des angestrebten Vollausbaus der medizinischen Fakultät nicht mehr möglich sein wird – und das bereits, ohne die Problematik stagnierender Bibliotheksetats bei jährlichen Preissteigerungen zu berücksichtigen. Zudem ist fraglich, ob die Nutzung gleich stark mit den pro Kopf berechneten Lizenzgebühren ansteigen wird. In Abstimmung zwischen Fakultät und Bibliothek muss entschieden werden, was den Studierenden zur Verfügung gestellt werden soll, obwohl es langfristig absehbar wieder wegfallen wird. Einige dieser anfänglichen strategischen Entscheidungen wurden allerdings durch die digitalen und hybriden Semester der Corona-Pandemie noch einmal überdacht und pragmatisch angepasst. Nicht zuletzt beeinflussen auch die konkreten Wünsche der Studierenden, sobald sie da sind, die anfangs theoretisch festgelegten Herangehensweisen.

Die Auswahl der Studienliteratur erfolgt an unseren Standorten zum Teil durch die Orientierung am Lehrbuchbestand anderer Medizinbibliotheken, anhand der klassischen Durchsicht von Neuerscheinungen und durch die Auswertung der Ausleihstatistiken. Zentral sind unserer Erfahrung nach aber die konkreten Lehrbuch-Empfehlungen der Lehrenden: Es besteht in diesem Bereich durch die neuen (Modell-)Studiengänge ein hohes Engagement und ein starker Gestaltungswille. Zum Teil werden Lehrbuchempfehlungen übergeordnet pro Studienmodul von dafür verantwortlichen Lehrenden oder Personen aus dem Studiendekanat gesammelt. Diese Empfehlungslisten bilden die Basis für den Bestandsaufbau sowohl der elektronischen als auch der gedruckten Studienliteratur. In Bezug auf elektronische Angebote wurden an unseren Standorten inzwischen E-Books und Lernplattformen der gängigen, einschlägigen Verlage erworben oder lizenziert, wenn auch mit unterschiedlichen Ausprägungen bzw. Schwerpunkten. In Bezug auf die gedruckte Studienliteratur kann als Randnotiz erwähnt werden, dass gelegentlich Lehrbücher in hoher Exemplarzahl für die Bibliothek empfohlen werden, die in anderen Medizinbibliotheken zwar in hoher Zahl vorhanden, inzwischen aber im Handel vergriffen sind.

Für den Bibliotheksstart in Linz wurde von vorneherein klargestellt, dass Zeitschriften ausschließlich online angeboten werden. Ausnahmen davon verbietet schon allein das beschränkte Platzangebot. Der moderne Lesesaal wurde als Studier- und Arbeitsraum konzipiert und enthält nur sehr begrenzte Aufstellungsmöglichkeiten für (Lehr-)Bücher. Die Studierenden wünschen sich immer wieder Printausgaben von Lehrwerken und diesem Wunsch wird in den meisten Fällen auch gerne nachgekommen. Momentan ist das Aussondern von Altbeständen noch kein Thema, aber früher oder später wird man sich aus Platzgründen von Altauflagen trennen müssen. Ansonsten gilt für den Monografien-Bestandsaufbau tunlichst „e-first“. Ankaufsvorschläge kommen teilweise von den bereits besetzten Lehrstühlen. Die Hauptauswahl liegt jedoch bei der Fachreferentin für Medizin in der Universitätsbibliothek. Werden größere E-Book-Pakete erstmalig angeschafft, erfolgt eine Absprache mit der Bereichsleitung im Dekanat hinsichtlich der Kosten. Ebenso bei anderen höherpreisigen Produkten, wie neuen E-Journals oder Datenbanken.

Für die Universitätsmedizin in Augsburg wurden bisher ebenfalls alle wissenschaftlichen Zeitschriften elektronisch abonniert. Für Lehrbücher und Monografien gibt es dagegen bisher keine übergreifende Strategie, diese bevorzugt elektronisch zu erwerben. Es bestand in der Bibliotheks-AG Medizin zu Beginn des Bestandsaufbaus sogar große Skepsis gegenüber großen Verlagspaketen und teuren, umfassenden Lizenzen, aufgrund der oben genannten Überlegungen zu Zuschnitt und langfristiger Finanzierbarkeit. In der Bibliotheks-AG Medizin wurde so anfangs abgestimmt, dass keine E-Book- und Lernplattformen etabliert werden sollen, die nicht langfristig gehalten werden können. Die Herangehensweise wurde während der digitalen und hybriden Semester allerdings geändert, so dass nun ein wesentlich größerer elektronischer Bestand vorhanden ist als noch für das erste Semester. Nichtsdestotrotz werden in sich geschlossene, jährlich zu lizenzierende Plattformen weiterhin kritisch gesehen. Die Rückmeldung sowohl von Lehrenden als auch Studierenden ist, dass Plattform-Funktionalitäten, Anmeldeverfahren und DRM-Einschränkungen vielfach nicht durchschaubar und nicht praktikabel sind. Es wird als verwirrend wahrgenommen, dass es für jeden Verlag (mindestens) eine eigene Plattform mit anderen Nutzungsbedingungen gibt, da die Bibliotheksnutzer*innen „eher in Lehrbuchtiteln als in Verlagen“ denken. Die Bibliothek muss hier eine vermittelnde Rolle einnehmen, die in dieser Form für gedruckte Literatur nicht notwendig ist.

Für den Bestandsaufbau für Lehrbücher und Monografien erhebt die Teilbibliothek Medizin in Augsburg auf verschiedenen Wegen die Literaturempfehlungen der Dozierenden. Für die Studienliteratur wurden vor dem ersten Semester erstmals die Lehrbuchempfehlungen der vorklinischen Fächer erhoben. Für die folgenden Semester wurde dann ein Verfahren etabliert, bei dem Empfehlungen zur Studienliteratur pro Modul bzw. Wahlpflichtfach gesammelt und an die Bibliothek gesendet werden. Zudem wird in Gesprächen mit neu berufenen Professor*innen nach Literaturempfehlungen gefragt und angeboten, Bestandslisten mit den bereits verfügbaren für das Fach relevanten Titeln zur Verfügung zu stellen. Für Erwerbungsmodelle, die die Erwerbung mehr in die Hand der Nutzer*innen legen, wie Evidence Based Acquisition (EBA) oder Patron Driven Acquisition (PDA), wird das Literaturbudget der Medizin bisher nicht eingesetzt.

Im Jahr 2019 wurde in Augsburg aus der Bibliotheks-AG Medizin heraus eine Bedarfsabfrage zu medizinisch-wissenschaftlichen Zeitschriften an den bisher besetzten medizinischen Lehrstühlen und in allen Kliniken und Instituten des Universitätsklinikums angestoßen und ausgewertet. Auf dieser Basis wurden durch die Bibliotheks-AG Empfehlungen für Literaturlizenzen ausgesprochen und an das Dekanat weitergegeben. Die Lizenzen wurden erstmalig für das Jahr 2020 abgeschlossen und bereits am Universitätsklinikum bestehende Lizenzen für Literatur für Forschung und Lehre wurden durch die Universität weitergeführt. Ein Vorteil bei der Auswertung der Bedarfserhebung war es, dass ab dem Jahr 2019 bzw. 2020 auch die DEAL-Verträge mit Wiley und Springer Nature in Kraft traten und damit eine Vielzahl der Zeitschriftenwünsche erfüllt werden konnte. Das Universitätsklinikum schloss in etwa zeitgleich mit den neuen Literaturlizenzen eine Lizenz für eine klinische Entscheidungsunterstützungsplattform ab. Ein vormals am Klinikum lizenzierter Discovery Service wurde dagegen aufgegeben.

Neben der ersten grundlegenden Bedarfsabfrage wird der Literaturbedarf In Augsburg kontinuierlich weiter beobachtet. Weiterhin wurde Anfang des Jahres 2020 der Dokumentenlieferdienst Medizin (dokmed) etabliert. Über dokmed können Beschäftigte der Medizinischen Fakultät sowie Ärzt*innen und wissenschaftliche Beschäftigte des Universitätsklinikums Artikel aus (noch) nicht in Augsburg verfügbaren Zeitschriften bestellen. Das Team der Teilbibliothek Medizin tätigt die Bestellungen über subito oder in Einzelfällen über die Fernleihe. Die Kosten werden zentral aus dem Literaturbudget der Medizinischen Fakultät übernommen. So wird zum einen eine schnelle Bestellmöglichkeit, insbesondere für Artikel aus Elsevier-Zeitschriften, bereitgestellt. Zum anderen werden die Bestellzahlen ausgewertet, um zusätzlich benötigte Zeitschriften zu identifizieren. Bisher wurden jedoch über diesen Weg keine weiteren Zeitschriften ins Portfolio aufgenommen, da aus keiner (Nicht-Elsevier-)Zeitschrift eine hohe Anzahl von Artikel bestellt wurde. Gründe dafür könnten sein, dass der Dienst gerade dazu dient, Spezialbedarfe für eine Vielzahl von Zeitschriften und Verlagen abzudecken, sowie dass Personen temporär noch Zugänge ihrer bisherigen Institution nutzen können oder dass sich mittlerweile alternative Zugriffswege abseits des Bibliotheksangebots etabliert haben.

Für die Fachbibliothek Medizin an der UB Bielefeld stand bereits zu Beginn des Aufbaus fest, dass alle Zeitschriften ausschließlich als „e-only“ bezogen werden und es keinen Print-Bestand an Zeitschriften geben soll. Ein großer Vorteil zum Start des Bestandsaufbaus war es, dass dieser Zeitpunkt mit den Abschlüssen der DEAL-Verträge für Springer und Wiley zusammenfiel und so schon eine hohe Zahl an relevanten medizinischen Zeitschriften zur Verfügung stand. Des Weiteren wurden die wichtigsten, allgemeinen medizinischen Zeitschriften lizenziert oder vom bereits seit langem an der Universität Bielefeld vorhandenen Fach „Gesundheitswissenschaften“ übernommen. Eine Abfrage von zusätzlich benötigten, essentiellen Fachzeitschriften für die Bedarfe der einzelnen Arbeitsgruppen erfolgte erst vor kurzem und deren Auswertung steht noch aus. Ziel ist es, das Zeitschriften-Portfolio nach und nach entsprechend den Bedürfnissen der Arbeitsgruppen auszubauen und nicht pauschal Zeitschriften nach einem Rankingverfahren oder aufgrund z.B. ihres Impact Factors zu beziehen.

Der Bestandaufbau für Monografien erfolgt bisher weitestgehend elektronisch in Form von E-Books. Zu Beginn wurden sowohl von aktuellen Jahrgängen als auch zum Teil retrospektiv medizinspezifische E-Book-Pakete mit Kaufoption verschiedener Verlage erworben. Somit wurde ein Grundstock an wichtiger medizinischer Literatur geschaffen. Durch das an der UB Bielefeld seit 2020 bestehende EBA-Modell stehen aus einer Vielzahl von Verlagen E-Books zur Verfügung, die das elektronische Angebot der gesamten UB, so auch für die Fachbibliothek Medizin, erheblich erweitern. Zusätzlich gibt es seit 2022 auch ein Print-PDA-Modell für die gesamte UB, an dem sich auch die Fachbibliothek Medizin mit einem eigenen finanziellen Anteil beteiligt. Dies soll den Bestandsaufbau der physischen Bibliothek mit Monografien zusätzlich voranbringen.

In Anlehnung an die Erfahrungen etablierter medizinischer Bibliotheken wird beim Bestandsaufbau für die Studienliteratur, insbesondere bei den Lehrbüchern, bisher auch eine physische Lehrbuchsammlung angestrebt. Eine Liste der gewünschten und benötigten Lehrbuchtitel wird pro neuem Semester entsprechend den verankerten Modulen von der Modulkommission der Fakultät zusammengestellt und an die Fachreferentin der UB übermittelt. Anhand dieser Liste wird geprüft, welche Titel als E-Book bereitgestellt werden können. Alle Titel dieser Listen werden zusätzlich immer in unterschiedlicher Exemplaranzahl für die physische Lehrbuchsammlung erworben. Diese soll durch umfangreiche elektronische Angebote ergänzt werden. Hier ist es insbesondere der Wunsch der Fakultät, möglichst alle empfohlenen Lehrbücher als E-Book vorzuhalten. Auch Bielefeld profitiert aktuell noch von den günstigeren Lizenzkosten für die Bereitstellung der Lehrbücherplattformen verschiedener Verlage. Perspektivisch werden diese jährlichen Kosten sowohl von der Bibliothek als auch von der Fakultät kritisch gesehen, da diese zum einen mit steigenden Studierendenzahlen ein hoher Kostenfaktor sind und zum anderen sich zusätzlich erst noch der Kosten-Nutzen-Faktor herausstellen muss. Auch Bielefeld hat das Problem, dass die Bibliothek einige Verlagsplattformen jährlich lizenzieren muss, die darüber ihr komplettes Produktportfolio an Studienliteratur anbieten und damit zu viel Inhalt für aktuell zu wenig Nutzer*innen, um die gewünschten Lehrbücher bereit stellen zu können.


Interdisziplinäre Zusammenarbeit

An den drei Standorten Linz, Augsburg und Bielefeld unterschieden sich die Voraussetzungen stark, welche Literatur aus dem naturwissenschaftlichen, biomedizinischen und gesundheitswissenschaftlichen Bereich bereits vor Aufbau der medizinischen Fakultät vorhanden war. Dies betrifft zum einen das bisherige Fächerspektrum der jeweiligen Universität. Zum anderen spielen nationale Vertragsabschlüsse wie die DEAL-Verträge mit den Verlagen Wiley und Springer Nature in Deutschland eine große Rolle und damit auch der Zeitpunkt, zu dem mit dem Bestandsaufbau der medizinischen Literatur begonnen wurde.

Eine neue medizinische Fakultät profitiert stark davon, wenn bereits einschlägige gedruckte und elektronische Lehrbücher, Zeitschriften und Datenbanken am Standort vorhanden sind. Gleichzeitig wird von Seiten der anderen Fächer der Universität meist schnell die Frage aufgeworfen, ob und in welchem Umfang sich die medizinische Fakultät zukünftig finanziell an diesen bereits bestehenden Lizenzen beteiligen wird. Dies betrifft zum einen Lizenzen für einzelne Produkte (wie z.B. Nature, Web of Science, Scopus), zum anderen auch große fachübergreifende Verträge inklusive neuer Transformationsverträge. Für letztere beruhen die Berechnungen der anteiligen Kosten der Fächer oft noch auf den historisch gehaltenen Einzeltitel-Abonnements. Hier muss die Bibliothek in Abstimmung mit allen Fakultäten bzw. der Universitätsleitung Modelle finden, ob und mit welchem Anteil sich die neue medizinische Fakultät an diesen Gemeinschaftsfinanzierungen beteiligen wird. Hinzu kommen eventuelle Vorbehalte der anderen Fakultäten, denen begegnet werden muss: Da bekannt ist, dass eine medizinische Fakultät sehr viel Geld für Literatur benötigt, kommen gegebenenfalls Bedenken auf, dass der Bestandsaufbau im medizinischen Bereich zulasten der bestehenden Fächer gehen könnte. Gleichzeitig profitieren andere Fächer und interdisziplinäre Forschungsschwerpunkte der Universität von den neuen, für die Universitätsmedizin abgeschlossenen Lizenzen, beispielsweise die Psychologie oder die Gesundheitswissenschaften.

In Linz gibt es eine seit langer Zeit etablierte Technisch-Naturwissenschaftliche Fakultät, in der z.B. die Fächer Physik, Chemie und Biologie vorhanden sind. Insofern konnte die neue MED-Fakultät von bereits vorhandenen Lizenzen profitieren. Es gab z.B. Scopus und den Journal Citations Report (JCR). Vereinzelt wurden Prozentsätze ausgehandelt, mit denen sich die MED-Fakultät an der Finanzierung einiger Großverträge (z.B. Elsevier, Wiley) beteiligt. Beim Aufbau des Buchbestandes fing man hingegen fast bei null an. In der Hauptbibliothek gab es eine sehr kleine Medizin-Abteilung, die man als Anfangsbestand in die Fachbibliothek für Medizin übertrug. Für die ersten Lehrbuchkäufe nahm man am Lehrbuchbestand der Meduni Graz Anleihe, da von den damals bereits besetzten Lehrstühlen nur ganz wenige Wünsche in der Bibliothek einlangten. Bei E-Journals und Datenbanken wurden ebenfalls – mit wenig Rücklaufquote – Wünsche erhoben und man hat sich am Angebot anderer österreichischer Medizin-Standorte (Meduni Wien, Graz, Innsbruck) orientiert. Die meisten Produkte aus der Anfangsphase konnten bis jetzt gehalten werden. Lediglich einige wenige wurde im Sinne von „Versuch & Irrtum“ wieder beendet oder reduziert (z.B. Thieme eRef: Konsolidierung der angebotenen Titel nach eingehender Analyse der Nutzungszahlen).

Für die Neugründung der Universitätsmedizin Augsburg konnte nur in sehr begrenztem Umfang auf bestehende Literatur zurückgegriffen werden. Zeitschriften aus dem Bereich Lebenswissenschaften waren an der Universität Augsburg kaum lizenziert, da vormals keine stark ausgebauten Forschungsschwerpunkte oder Studiengänge, etwa der Biologie oder Biochemie, bestanden. Dagegen waren am bisherigen Klinikum Augsburg elektronische Lizenzen für Zeitschriften und Datenbanken sowie ein zentraler, in Archivräumen aufgestellter Bestand an gedruckten Monografien und Zeitschriften vorhanden. Hinzu kam gedruckte Literatur in den einzelnen Kliniken und Instituten. Am DEAL-Vertrag mit Springer Nature beteiligt sich die Medizin bisher im Umfang der früheren Einzelabonnements des Universitätsklinikums. Es ist zu erwarten, dass dieser Anteil im Falle einer publikationszahlbasierten Abrechnung deutlich steigen wird.

Auch an der Universität Bielefeld gibt es etablierte Fakultäten für Biologie, Chemie, Physik und Gesundheitswissenschaften. So profitiert gerade am Anfang die Fachbibliothek Medizin von den bereits vorhandenen Beständen und Lizenzen. Zukünftig werden aber auch die etablierten Fakultäten aus dem neuen Angebot durch den Bestandaufbau in der Fachbibliothek Medizin Nutzen ziehen können. Mit einigen anderen Fachbibliotheken wurden bereits zu Beginn des Aufbaus auch gemeinschaftliche Lizenzierungen für fachübergreifende Produkte beschlossen. In der kommenden Zeit werden sich sicherlich auch noch weitere Synergie-Effekte durch die bereits vorhandene interdisziplinäre Ausrichtung der Universität Bielefeld und die dazu kommende neue medizinische Fakultät ergeben, wodurch insgesamt ein bereiteres und verbessertes Literatur- und Informationsangebot für alle Fakultäten zur Verfügung gestellt werden kann.


Open Access

Auch beim Thema Open Access war und ist die Ausgangslage an unseren Standorten sehr unterschiedlich: Die Spanne reicht von der Universität Augsburg, an der es bisher keinen Publikationsfonds gab, bis zur Universität Bielefeld, die an vielen standortübergreifenden Open-Access-Projekten federführend beteiligt ist. Allen Standorten gemein ist jedoch, dass Open-Access-Publikationsgebühren entweder schon jetzt einen erheblichen Kostenfaktor darstellen oder sich zukünftig, mit dem Ausbau der medizinischen Fakultäten und ihrer Forschungstätigkeiten, dahin entwickeln werden. Eine Reduktion der Lizenzkosten durch die Open-Access-Transformation ist bisher höchstens in Einzelfällen zu beobachten, wenn einzelne vorab lizenzierte Zeitschriften in ein Gold-Open-Access-Modell wechseln.

Die Open-Access-Publikationen verzeichnen an der JKU Linz generell einen erfreulichen Anstieg, insbesondere aber auch in der Medizinischen Fakultät. Für die Finanzierung gab es seit Mai 2018 bis Ende 2021 einen Publikationsfonds. Die Finanzmittel dafür stammten zu Beginn aus dem AT2OA-Projekt (Austrian Transition to Open Access). Da diese rasch verbraucht waren, kam 2019 ein Budget, das einerseits aus einer Förderung des Landes Oberösterreich und andererseits von der Universität kam. Diese Förderung lief Ende 2021 aus und es ist bis dato unklar, ob es eine erneute Landesförderung geben wird. Die Mittel, die im regulären Bibliotheksbudget für Open Access vorgesehen sind, werden beim momentan beobachtbaren Aufwärtstrend nicht lange ausreichen, und es bleibt zu hoffen, dass bald eine neue Finanzierungsquelle erschlossen werden kann.

An der Universität Augsburg gibt es bisher keinen Publikationsfonds, aber es bestehen einige Verlagsvereinbarungen zur Publikation im Open Access durch Transformationsverträge. Als wichtigste sind die DEAL-Verträge zu nennen, durch die auch Mitarbeiter*innen der Medizinischen Fakultät und des Universitätsklinikums in hybriden Wiley- und Springer-Nature-Zeitschriften publizieren und reduzierte Gebühren für Gold-Open-Access-Publikationen nutzen können. Insgesamt entfielen auf die Medizinische Fakultät und das Universitätsklinikum seit dem Jahr 2020 ca. 32% der im Rahmen von DEAL geförderten Hybrid-Open-Access-Publikationen. Daneben wurden bisher für einige, aber längst nicht alle Verlage die Option zum Abschluss von konsortialen Transformationsverträgen genutzt. Perspektivisch wird es im Rahmen des DFG-Programms „Open-Access-Publikationskosten“ einen Publikationsfonds an der Universität Augsburg geben. Daneben fördert die UB Augsburg Open-Access-Publikationen auf dem grünen Weg durch einen Zweitveröffentlichungsservice für die Hochschulbibliografie, der auch von Wissenschaftler*innen der Medizinischen Fakultät gut angenommen wird.

Die Universität Bielefeld verfolgt bereits seit 2005 eine Open-Access-Strategie, deren Grundlage in ihrer Open-Access-Resolution gelegt wurde. Wie eingangs erwähnt, kommt der Literaturetat für die Fachbibliothek Medizin direkt von der Fakultät und ist nicht Teil des Gesamtetats der UB. Damit steht der Fakultät aber auch der allgemeine Publikationsfonds der UB nicht zur Verfügung. So wurde seit den ersten Gesprächen mit der Medizinischen Fakultät für den Literaturetat der Fachbibliothek Medizin auch die Einrichtung eines eigenen Publikationsfonds empfohlen. Dieser konnte Mitte 2021 erstmals zur Verfügung gestellt werden und unterliegt den gleichen Richtlinien wie der allgemeine Publikationsfonds der UB. Zusätzlich ergeben sich aus den DEAL-Verträgen für Springer und Wiley weitere Möglichkeiten des Open-Access-Publizierens. Eine Auswertung der Nutzung des Publikationsfonds und des Anteils medizinischer Open-Access-Publikationen innerhalb der Universität Bielefeld kann frühstens Anfang 2023 erfolgen.


Beeinflusst das wachsende digitale Angebot das Nutzungsverhalten?

Nutzung der Bestände

Mit einem größeren Anteil an elektronischen Medien im Bestand steigt auch die Bedeutung der Nutzungsstatistiken, besonders im Zeitschriftenbereich. Nach unserer Erfahrung sollten die Zeitschriften-Nutzungsstatistiken in der Aufbauphase jedoch vorsichtig interpretiert werden. Auf der einen Seite soll gewissermaßen aus einer Organisationsentwicklungsperspektive die Literaturversorgung mit der Umwandlung der Klinikstandorte zu Universitätskliniken nicht schlechter werden und neue Mitarbeiter*innen an Universität und Universitätsklinikum sollen gute Startbedingungen vorfinden. Anders ausgedrückt würde man bei einer strengen Beurteilung der Nutzungszahlen und der Kosten pro Download einige Lizenzen abbestellen. Die Erwartung ist aber, dass die Nutzungszahlen in den Folgejahren steigen werden, da die Professor*innen und wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen erst nach und nach berufen bzw. eingestellt werden. Gleichzeitig besteht die Frage, ob oder wann durch Transformationsverträge und Open-Access-Publikationsgebühren andere Kriterien als die klassischen Kosten pro Download zukünftig in der Beurteilung von Verträgen wichtiger werden.

Für Studienmedien sind die Nutzungsstatistiken für E-Book- und Lernplattformen zwischen verschiedenen Anbietern nur eingeschränkt vergleichbar, aufgrund der unterschiedlichen Download- und Nutzungsoptionen, ggf. inklusive eigener Plattform-Apps, und der Tatsache, dass (noch) nicht alle Plattformen Statistiken im COUNTER-5-Standard anbieten. Doch auch für die gedruckten Medien sind die Ausleihstatistiken in der Aufbauphase schwierig zu beurteilen, insbesondere da an unseren Standorten große Teile der Aufbauphase mit den digitalen bzw. hybriden Semestern zusammenfielen. So steigen an unseren Standorten die Studierendenzahlen noch jedes Jahr an, da neue Jahrgänge hinzukommen. Zugleich werden neue gedruckte und elektronische Studienmedien erworben oder lizenziert, häufig für neu im Curriculum hinzukommende Fächer. Bei der Betrachtung von Ausleih- und Nutzungszahlen muss gleichzeitig berücksichtigt werden, dass die Bibliotheken in den Jahren 2020 und 2021 durch die Corona-Pandemie zeitweise nur sehr eingeschränkt zugänglich bzw. komplett geschlossen waren. Eine verlässliche Interpretation der Zahlen oder das Erkennen von Trends wird vermutlich erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich sein, aufgrund der Vielzahl von Faktoren, die in diesen ersten Aufbaujahren zusammenwirken. Der Bibliothek kommt dabei die Rolle zu, die Nutzungsstatistiken und deren Einschränkungen gegenüber der Fakultätsleitung und den Lehrenden zu erläutern.

Beim Thema Evaluation legt in Linz die Bereichsleitung im Dekanat einen eher strengen, betriebswirtschaftlichen Maßstab an. Seitens der Bibliothek werden Nutzungsstatistiken am Anfang deutlich toleranter beurteilt. Das Angebot der Universität soll nicht schlechter im Sinne von immer weniger werden. Außerdem befindet man sich ja noch im Aufbau. Die Zahl der Studierenden und Fakultätsangehörigen wird noch deutlich ansteigen. Manche Produkte haben sozusagen „Startschwierigkeiten“. Der Bekanntheitsgrad ist oft ausbaufähig, aber sobald dieses Problem einmal behoben ist, steigen auch die Nutzungszahlen kontinuierlich nach oben. Generell kann man festhalten, dass die Produkte für die Studierenden (z.B. AMBOSS) sehr gut genutzt werden. Schwieriger ist es bei E-Journals, die tendenziell eher von Forschenden genutzt werden sollen. Da gab es in den letzten beiden Jahren einige Statistik-Abstürze, die man möglicherweise den Umständen in der Corona-Pandemie zuschreiben muss. Momentan ist man noch bestrebt, dass vorhandene Angebot weitestgehend zu erhalten. Bleiben die Zahlen allerdings schlecht, werden die betroffenen E-Journals konsequent abbestellt.

Auch in Augsburg sind die Nutzungsstatistiken bisher recht unterschiedlich. Wichtige Zeitschriften im klinischen Bereich werden sehr gut genutzt, wie etwa das New England Journal of Medicine (NEJM). Dagegen werden einige Zeitschriften gerade in den noch nicht bzw. erst seit kurzem besetzten Bereichen, wie beispielsweise den biomedizinischen Grundlagenfächern, noch wenig genutzt. Ähnlich wie in Linz ist die Herangehensweise jedoch, die Abonnements zunächst zu halten. Bei der Studienliteratur stehen in vielen Fällen die gleichen Lehrbuchtitel sowohl gedruckt als auch elektronisch auf den vorderen Plätzen der Ausleih- und Downloadstatistik. Zum Ende der Wintersemester 2020/2021 und 2021/2022 wurden vom Qualitätsmanagement der Medizinischen Fakultät Befragungen zur Bibliothek durchgeführt. Bei den Fragen, wie häufig welche Ressourcen genutzt werden und als wie wichtig diese für die Prüfungsvorbereitung eingeschätzt werden, lag die in Augsburg lizenzierte Lernplattform jeweils vor E-Books und gedruckten Lehrbüchern. Die E-Books und gedruckten Lehrbücher konkurrieren unserer Erfahrung nach aber nicht nur mit den gängigen Lern- und Kreuzplattformen, sondern darüber hinaus auch mit den Materialien, die über die Lernplattform des Studiengangs in Form von Skripten, Folien oder Aufzeichnungen von Lehrveranstaltungen zur Verfügung gestellt werden.

Für die Bestände der Fachbibliothek Medizin in Bielefeld lassen sich aktuell noch keine weitergehenden Erwerbungsentscheidungen an den Nutzungsstatistiken festmachen, weder für die lizenzierten Produkte noch für den bisher vorhandenen Print-Bestand, insbesondere der Lehrbuchsammlung. Dafür befindet sich die Medizinische Fakultät noch in einem zu frühen Aufbaustadium und auch die ersten Studierenden befinden sich aktuell erst im zweiten Fachsemester und noch im ersten Jahr seit Start des Lehrbetriebs. Angedacht ist eine erste Auswertung sowohl der Nutzungsstatistiken der elektronischen Lizenzen der Lernplattformen als auch der Lehrbuchsammlung mit Ende des Wintersemesters 2022/2023, wenn der zweite Jahrgang das erste Fachsemester abgeschlossen hat. Auch dann müssen diese Zahlen im Verhältnis zu der Anzahl der Studierenden gesehen werden. Bisher auffällig ist, dass die physische Lehrbuchsammlung vergleichsweise gering genutzt wird. Ob sich dies fortsetzen wird oder doch eine Folge der Corona-bedingten Einschränkungen im vergangenen Wintersemester war, wird sich erst zeigen müssen. Auch die Nutzungsstatistiken der lizenzierten Datenbanken und Zeitschriften können sinnvollerweise erst in einem Jahr ausgewertet werden, wenn ein gewisser Zeitraum effektiver Nutzung zu Grunde liegt.

Nutzung der Bibliotheken vor Ort

Bisher ist schwierig vorauszusagen, wie sich das Nutzungsverhalten vor Ort durch die größere Verfügbarkeit von E-Medien ändern wird. Die Eröffnungen der neuen Standorte (Linz: September 2021, Augsburg Interim: Oktober 2019, Bielefeld Interim: September 2021) liegt erst zu kurz zurück und wurde zudem wie erwähnt stark von den digitalen bzw. hybriden Semestern, Bibliotheksschließungen und eingeschränkten Bibliotheksangeboten während der Corona-Pandemie beeinflusst.

Die Linzer Studierenden genießen die ruhige Lernatmosphäre in neuem Bibliotheksraum und verlangten vehement längere Öffnungszeiten. Dem Wunsch konnte mit Hilfe studentischer Mitarbeiter*innen auch entsprochen werden. Die meisten Besucher*innen nutzen ihre mobilen Endgeräte zum Lernen und Arbeiten, aber auch Personen, die sich in alter Tradition in Lehrbuch-Berge „vergraben“ sind beobachtbar. Es gibt aus dem Kreis der Studierenden auch immer wieder konkrete Ankaufswünsche für Printausgaben. Aus Nutzungsstatistiken, Ausleihzahlen und Beobachtungen vor Ort leiten wir ab, dass die E-Medien sehr geschätzt und nicht mehr wegzudenken sind, dass aber auch das gedruckte Buch seine Daseinsberechtigung nicht verliert.

Der aktuelle Standort der Teilbibliothek Medizin der UB Augsburg ist sehr klein und bisher wochentags von 8:30 bis 20:00 Uhr geöffnet. Es gibt knapp 30 Einzelarbeitsplätze und keine Gruppenarbeitsräume. In der Prüfungsphase sind die Plätze voll belegt, während des Semesters jedoch meist nicht. Das Nutzungsverhalten in der Bibliothek ist unseren Beobachtungen nach ähnlich wie für Linz beschrieben. Zu Bedenken ist, dass es bisher nur ca. 250 Medizinstudierende gibt, die sich alle noch in einer relativ frühen Phase des Studiums befinden. Diese drei Jahrgänge starteten in den Wintersemestern von 2019 bis 2021 und damit unter jeweils vollkommen verschiedenen Bedingungen der Verfügbarkeit von E-Medien und durch die Corona-Pandemie eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten der Bibliothek vor Ort. In der Befragung des Qualitätsmanagements zur Bibliothek Ende des Wintersemesters 2021/2022 gaben gut ein Drittel der Teilnehmer*innen an, dass ihnen längere Öffnungszeiten der Teilbibliothek Medizin wichtig oder sehr wichtig wären. In Freitextantworten wurde der Wunsch nach längeren Öffnungszeiten, auch am Wochenende, ebenfalls mehrfach erwähnt, sowie vereinzelt der Wunsch nach mehr Arbeitsplätzen bzw. Gruppenarbeitsplätzen. Derzeit ist es schwierig vorauszusehen, wie sich das Nutzungsverhalten am neuen größeren und attraktiveren Bibliotheksstandort verändern wird, insbesondere wenn in einigen Jahren die Zahl der Medizinstudierenden auf 1.500 anwachsen wird. Interessant ist die Frage auch deswegen, da der Modellstudiengang in Augsburg einem Blended-Learning-Konzept folgt, bei dem die Studierenden sich auf viele Lehrveranstaltungen in Selbstlernphasen vorbereiten.

In Bielefeld kann die Nutzung der Bibliothek durch die Studierenden der Medizin schwer abgeschätzt werden, da sich die einzelnen Fachbibliotheken, so auch die Medizin, in drei großen zusammenhängenden Gebäudebereichen befinden. So gibt es zwar für jede Fachbibliothek auch Arbeitsplätze, aber den Studierenden steht es frei, in welchem Gebäudeteil sie arbeiten wollen. Dadurch entsteht eine hohe Durchmischung und es kann nicht beobachtet werden, wo und wie oft die ca. 2.340 Arbeitsplätze von Studierenden der Medizin genutzt werden. Die Öffnungszeiten des Gebäudeteils, in dem sich die Fachbibliothek Medizin befindet, sind seit Aufweichung der Corona-Regelungen wieder Mo–Fr von 08:00 bis 22:00 Uhr und am Wochenende von 09:00 bis 19:00 Uhr. Die anderen beiden Gebäudeteile, die ebenfalls zum Arbeiten genutzt werden können, sind hingegen Mo–Fr von 08:00 bis 01:00 Uhr und am Wochenende von 09:00 bis 22:00 Uhr geöffnet. Damit steht bereits jetzt ein zeitlich breites Angebot der Bibliothek als Lern- und Arbeitsort zur Verfügung. Für perspektivisch 2025 ist der Umzug der Fachbibliothek Medizin in eine Erweiterungsfläche der UB geplant. Bei der Ausgestaltung der Bibliotheksfläche sollen auch die Arbeitsplatz- und Lernraumbedürfnisse der Medizinstudierenden berücksichtig und eine hohe Aufenthaltsqualität erreicht werden.


Fazit

An den drei Universitäten Linz, Augsburg und Bielefeld wurden ab dem Jahr 2014 neue medizinische Fakultäten gegründet, die Zusammenarbeit der Universität mit klinischen Partnern aufgebaut und neue Studiengänge etabliert. Die jeweiligen Universitätsbibliotheken übernahmen Aufgaben der Literaturversorgung für die Forschung und Lehre an den neuen Medizinstandorten. Der Bestandsaufbau findet im Zeitschriftenbereich weitestgehend digital statt, dagegen wird für Monografien und Lehrbücher bisher an keinem der Standorte eine konsequente E-only-Strategie für die Medizinbibliotheken verfolgt, auch wenn es beispielsweise in Bielefeld seit 2020 eine E-first-Strategie der UB gibt. Besonders durch die digitalen Semester während der Corona-Pandemie wuchs jedoch das digitale Angebot deutlich. Für eine Prognose, wie sich dadurch die Nutzung in der Bibliothek vor Ort verändern wird, ist es jedoch zu früh, da die Eröffnung der neuen Bibliotheksstandorte und der Beginn der Studiengänge kurz vor oder genau in diese Umbruchsphase fielen. Gleichzeitig wird bereits deutlich, dass sich die Rolle der Bibliothek im Erwerbungsprozess verändert. An den neuen Standorten besteht eine sehr enge Abstimmung mit den Fakultätsleitungen und den Studiendekanaten, bei der es neben konkreten Erwerbungsfragen auch darum geht, wie die Medizin in die bestehenden Strukturen und Entscheidungswege der Universitätsbibliothek integriert wird. Durch mehr digitale Medien und die wachsende Bedeutung von Transformationsverträgen nimmt die Bibliothek zudem im Lizenzmanagement die Rolle ein, Vertrags- und Lizenzmodelle, Plattformen und Nutzungsstatistiken gegenüber der Fakultätsleitung zu erläutern und gemeinsam mit dieser zu bewerten. Zum wachsenden digitalen Angebot kommen an den neuen Standorten mit ihren klinischen Partnereinrichtungen teils komplexe Benutzergruppen hinzu. Hier wirkt die Bibliothek mit an der konzeptionellen Gestaltung der Zugriffswege und übernimmt deren technische und organisatorische Verwaltung sowie die Vermittlung an die Nutzenden.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autorinnen erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.