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17. Jahreskongress für Klinische Pharmakologie

Verbund Klinische Pharmakologie in Deutschland

01. - 02. Oktober 2015, Köln

Therapieadhärenz – Verbesserungsmöglichkeiten auf der Wirkstoffseite (PK/PD)

Invited Lecture

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  • corresponding author Martin Wehling - Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Institut für Exp. und Klin. Pharmakologie und Toxikologie, Mannheim, Germany

17. Jahreskongress für Klinische Pharmakologie. Köln, 01.-02.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. Doc15vklipha27

doi: 10.3205/15vklipha27, urn:nbn:de:0183-15vklipha271

Published: September 24, 2015

© 2015 Wehling.
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Nonadhärenz betrifft mindestens jedes 5. Medikament und verursacht in Deutschland Kosten von 5-10 Milliarden EUR/Jahr. Wichtige Determinanten der Nonadhärenz sind u.a. die Zahl der Medikamente und ihrer Dosen, ihre gefühlte und verstandene Wirksamkeit, vor allem aber auch ihre vermutete und/oder erfahrene Nebenwirkungsbelastung. Dazu kommen Patienten-relevante Eigenschaften, die von Individuum zu Individuum unterschiedlich zu bewerten sind, insbesondere der Applikationsweg.

Aus diesen Determinanten ergeben sich wesentliche Vorgaben für Adhärenz-fördernde Arzneimitteleigenschaften in den Bereichen Pharmakokinetik und -dynamik (PK/PD):

  • Die Wirkdauer sollte eine Einmalgabe ermöglichen, die Halbwertzeit >12 h sein. Ein zweimalige Gabe hat geringe Nachteile, die dreimalige Gabe ist bei einer Dauertherapie keine Option
  • Dass eine gute Verträglichkeit auch Adhärenz-fördernd ist, ist offensichtlich; oft hängen Nebenwirkungen mit einer zu kurzen und dann überschießenden Wirksamkeit zusammen, als Beispiel sind die ersten Dihydropyridincalciumantagonisten (Nifedipin) oder das Furosemid im Vergleich zum Torasemid genannt.
  • Bei symptomatisch wirksamen Arzneimitteln (z.B. Schmerzmitteln) spielt Nonadhärenz eine untergeordnete Rolle; das große Problem sind prognostische Arzneimittel wie Statine deren PD dem Patienten gut vermittelt werden muss, aber dann auch eindeutig belegbar sein muss. Bei einem großen PD-Effekt lässt sich Adhärenz leichter erzeugen.
  • Die PK/PD-Eigenschaften bestimmen oft den Applikationsweg oder Dosierungen: parenterale Applikationen werden eher abgelehnt, transdermale Systeme erhöhen die Adhärenz, Tropfen führen leicht zu Fehldosierungen (auch eine Form der Nonadhärenz). Kleine Tabletten werden von fehlsichtigen Älteren Patienten eher verloren, große Tabletten können nicht geschluckt werden; hier spielt also die notwendige Substanzmenge eine große Rolle. Grundsätzlich sind große Substanzmengen eher mit gastrointestinalen Nebenwirkungen verbunden, die Adhärenz-schädlich sind.
  • Indirekte Faktoren, die erst im Zusammenspiel der Arzneimittel in Polymedikationsproblemen wichtig werden, sind insbesondere beim älteren Patienten Nebenwirkungen im Bereich des ZNS und der Kreislaufregulation, die in dieser Altersgruppe zur fast schützenden, notwendigen Nonadhärenz führen.

Das ideale, Adhärenz-fördernde Arzneimittel ist daher einmal täglich, oral und in einer mittleren Tablettengröße bei geringen Nebenwirkungen und eindeutigen Wirkungsnachweis anzuwenden, alles Determinanten die von den PK/PD-Eigenschaften maßgeblich bestimmt werden.