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HEC 2016: Health — Exploring Complexity
2016 Joint Conference of GMDS, DGEpi, IEA-EEF, EFMI

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V.
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie e. V.

28.08. - 02.09.2016, München

Unterjährige Schwankungen bei den Arzneimittelverschreibungen und bei der Anzahl der Patienten pro Arzt: eine Baseline für den vertragsärztlichen Bereich

Meeting Abstract

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  • Reinhard Schuster - MDK Nord, Lübeck, Deutschland
  • Timo Emcke - Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein, Bad Segeberg, Deutschland

HEC 2016: Health – Exploring Complexity. Joint Conference of GMDS, DGEpi, IEA-EEF, EFMI. München, 28.08.-02.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocAbstr. 519

doi: 10.3205/16gmds087, urn:nbn:de:0183-16gmds0870

Published: August 8, 2016

© 2016 Schuster et al.
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Hintergrund: Saisonale Einflüsse sind bei der Untersuchung spezieller Arzneimittelgruppen als Erklärung relevant. Bei der Untersuchung der Schwankungen bei Verschreibungen von Benzodiazepinen fiel auf, dass die auf den ersten Blick als Erklärung gut geeigneten erheblichen jahreszeitlichen Unterschiede bei der Betrachtung aller Verordnungen in nahezu gleicher Weise auftraten. Daher ist es sinnvoll, Ursachen von Schwankungen zu identifizieren. Eine Auflösung nur nach Quartalen, aber auch nur nach Monaten erwies sich bei der Prüfung von Hypothesen als unzureichend. Es ist zu trennen, ob Schwankungen durch unterschiedliche Behandlungsnotwendigkeit oder durch andere Verschiebungseinflüsse auf Patienten- oder/ und Arztseite bedingt sind.

Methoden: Mit den GKV-Routinedaten nach § 300 SGB V wurden die Verordnungen insgesamt und zu speziellen Wirkstoffgruppen für die KV-Region Schleswig-Holstein für das Jahr 2014 untersucht. Die Wirkstoffe wurden dabei nach der internationalen ATC-Klassifikation (anatomisch-therapeutisch-chemisch) unter Beachtung der Besonderheiten des deutschen Arzneimittelzulassungsrechtes untersucht.

Ergebnisse: Der verordnungsstärkste Wochentag ist der Montag mit + 43% im Vergleich zum Wochentagsdurchschnitt, der verordnungsschwächste Wochentag ist der Freitag mit -35%. Es ist daher sinnvoll, eine 7-Tages-Glättung vorzunehmen. Große Verlagerungseinflüsse haben Feiertage und Schulferien. Zwischen Weihnachten und Neujahr kommt es zu einem Abfall um 70% mit Erhöhungen davor und danach um 20-40%. Ähnlich starke Ausschläge gibt es zu den übrigen Feiertagen. Die Anzahl der Patienten pro Tag folgt dem gleichen Muster, nur in der ersten Dezemberhälfte ist die Erhöhung der Verordnungszahl mehr als doppelt so hoch wie bei den Patienten. Dagegen fällt die Anzahl der Patienten in den Sommerferien stärker als die Anzahl der Verordnungen. Auf Grund der bezüglich der Monate und Quartale ungleichen Verteilung der Feiertage und Ferien kommt es in nahezu gleicher Weise bei den Verordnungen pro Tag und den Patienten pro Tag zu Schwankungen von +9% bis -12%, am höchsten liegen Januar, April, Juli und Oktober. Die ohne die Tagesauflösung naheliegende Deutung als Budgeteinfluss erweist sich als falsch. Außerdem gibt es nur geringe Unterschiede in den Kosten pro Verordnung zwischen den Monaten. Für die Benzodiazepine gibt es die größte Abweichung im Vergleich zu allen Verordnungen im Januar und August mit +5%, sonst liegen die Unterschiede unter 3%. Größere Schwankungen sind bei akuten Erkrankungen zu erwarten. Eine Erhöhung der Verordnungen bei Antibiotika im Vergleich zu allen Verordnungen um + 15-20% gibt es im Februar, März und Dezember, ein um 10-15% niedrigerer Wert liegt von Mai bis August vor.

Zusammenfassung: Eine durch Feiertage und Ferien bedingte Verschiebung von Verordnungen sollte nicht voreilig als jahreszeitlich unterschiedlicher Arzneimittelbedarf interpretiert werden. Daher ist es wichtig, insgesamt und für Facharztgruppen eine Baseline bezüglich aller Verordnungen zu haben, um Abweichungen bei speziellen Arzneimittelgruppen einschätzen zu können. Die Abweichungen der Patienten und der Ärzte folgen dem gleichen Muster, nur sind die Schwankungen stärker auf Seiten der Patienten ausgeprägt (Variationskoeffizient für Hausärzte 7,0%, für Patienten 12,5%). Vor und nach Ferientagen und Ferien sind zwar überdurchschnittlich viele Ärzte verfügbar, die Zahl der Patienten pro Arzt ist jedoch noch deutlich höher. Montags ist nicht nur die Zahl der Patienten pro Arzt am höchsten, sondern auch noch die Anzahl der Verordnungen pro Patient.


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