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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Aktuelle Entwicklungen in der GCP-konformen elektronischen Archivierung

Meeting Abstract

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  • Sebastian Claudius Semler - TMF - Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V., Berlin, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 281

doi: 10.3205/15gmds199, urn:nbn:de:0183-15gmds1994

Published: August 27, 2015

© 2015 Semler.
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Einleitung: Die international verbindliche Guideline der International Conference on Harmonisation (ICH) zur Guten klinischen Praxis (Good Clinical Practice, GCP) legt Standards und Verfahrensweisen fest, um (a) die Sicherheit der Patienten in klinischen Studien, (b) die Korrektheit der Studienergebnisse und damit die Sicherheit der Patienten, die auf Basis der Erkenntnisse aus einer Studie behandelt werden, und (c) die Nachvollziehbarkeit einer gesamten Studie zu gewährleisten (ICH GCP 1.23 und 8.1 ff.) [1]. Durch europäische und nationale Gesetzgebung (Arzneimittelgesetz, GCP-Verordnung) erhält die ICH GCP Leitlinie faktisch normativen Charakter von gesetzlichem Rang. Ihre Einhaltung wird behördlich kontrolliert, wobei die Zuständigkeit hierfür in den Bundesländern liegt.

Dabei betrifft die Anwendung der GCP-Leitlinie nicht nur den Zeitraum zur Laufzeit der Studie. Auch über den u.a. in der Leitlinie vorgeschriebenen Aufbewahrungszeitraum hinweg muss die Archivierung von Studienunterlagen GCP-konform erfolgen, um die fälschungssichere Nachvollziehbarkeit der Studie in diesem Zeitraum sicher zu stellen. Zu den zu archivierenden Unterlagen gehören auch die Quelldaten der Patienten, mithin die (elektronischen oder papiernen) Krankenakten der an Studien teilnehmenden Patienten.

Sponsoren und GCP-Aufsichtsbehörden befassen sich zunehmend mit dem Archivierungszeitraum und überprüfen Archive auf Einhaltung der GCP-Vorgaben.

Material und Methoden: Zwischen 2006 und 2012 erarbeiteten Wissenschaftler mehrerer universitärerer Standorte gemeinsam mit Experten aus der Privatwirtschaft in der TMF Konzepte und Gutachten, wie eine elektronische Archivierung von Studienunterlagen (Dokumente und Daten aus Studien) sowie von Quelldaten enthaltenden Patientenakten erfolgen kann (TMF-Projekt eArchivierung) [2], [3]. In diesem Rahmen konnten grundlegende Rechtsfragen zur Zulässigkeit elektronischer Archivierung sowie des sog. „Ersetzenden Scannens“ juristisch geklärt und elektronisch publiziert werden [4]. Weiterhin konnten 2011 die ersten GCP-Audits in Krankenhaus-Archiven begleitet und erfolgreich gestaltet werden [5]. TMF, KKS-Netzwerk und GMDS stimmten 2012/13 mit Vertretern der GCP-Aufsichtsbehörden auf Bundes- und Landesebene ein Eckpunktepapier ab [6], das künftig als gemeinsame Grundlage für ein Verfahren dienen soll, mit welchem ein „Ersetzendes Scannen“ und ein digitales Archivieren von Quelldokumenten zu Studienpatienten inspektionsfest – mit einheitlichen Kriterien – durchführbar ist.

Ergebnisse: Seither sind weitere Audits, veranlasst von Sponsoren, und Inspektionen durch Behörden an mehreren – universitären wie nicht-universitären – Standorten durchgeführt worden, die sich der Archivierung von Studienunterlagen und von Patientenakten widmeten. Die aktuellen Erfahrungen hieraus werden vorgestellt. Als besondere Herausforderungen erweisen sich (1) der Nachweis der Originalität im Sinne der GCP (Konzept der „certified copy“ in GCP) und die damit verbundene Stichprobenkontrolle gescannter Akten; (2) die adäquate Abbildung der Anforderungen an IT-Systeme in GCP an Archivsysteme, insbesondere hinsichtlich der IT-Validierung gemäß ICH-GCP 5.5.3 a; (3) die gesteigerten Dokumentationsanforderungen gemäß GCP [3]. Hierzu gehören neben Arbeitsanweisungen (SOPs) und der dokumentierten Kontrolle von deren Einhaltung u.a. auch Unterlagen zum Qualification Management für die betreffenden Mitarbeiter sowie detaillierte Vertragsunterlagen, sofern Scan- und/oder Archivdienstleister einbezogen werden.

Diskussion: Die im Eckpunktepapier zur GCP-konformen Archivierung genannten Kriterien bieten Krankenhäusern eine Grundlage, nach denen GCP-Kriterien zur elektronischen Archivierung grundsätzlich mit denjenigen Verfahrensweisen und Systemen erfüllt werden können, die in einer Vielzahl der Häuser während der letzten 20 Jahre im Rahmen der Digitalisierung der Krankenhausarchive für den Bereich der Patientenversorgung eingeführt wurden. Diese orientieren sich zumeist am Handelsrecht (Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme, GoBS, 1995) und unterliegen insbesondere der haftungsrechtlichen Abwägung eines Hauses.

Gleichwohl bleiben Interpretationsspielräume und unklare Vorgaben. So wird aktuell an einer Überprüfung der Anwendbarkeit von Stichprobenkontrollen gearbeitet [7]. Auch die Frage, ob nicht Verfahrensweisen, die für Quelldaten hinreichend sicher sind, auch gleichermaßen für die originären Studiendokumente gelten sollten, ist behördlich noch nicht abschließend beurteilt.

Eine weitere Herausforderung stellt die parallele Mehrfachzertifizierung nach unterschiedlichen QM-Systemen und unterschiedlichen gesetzlichen oder behördlichen Vorgaben dar. Neben der Einhaltung von GCP-Kriterien sind hier u.a. QM-Zertifizierungen nach § 137 SGB V (z.B. KTQ), aber auch IT-Grundschutzzertifzierungen nach ISO 27001 zu nennen. Hinzu kommt, dass auch für die Krankenhausarchive neue Normen Einzug halten, die ihren Tätigkeitsbereich im engeren Sinne betreffen. So hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) 2013 eine branchenübergreifend gültige Technische Richtlinie zum Ersetzenden Scannen (TR RESISCAN) herausgegeben [8]. Und jüngst wurde durch das Bundesfinanzministerium die 20 Jahre alte GoBS abgelöst und durch eine Nachfolgeverordnung, die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD), abgelöst [9]. Eine wichtige Aufgabe in der Behördenkommunikation wird es daher in den nächsten Jahren sein, für eine möglichst einheitliche Kriterienbildung und eine wechselseitige Anerkennung von Teil-Audits und -Zertifikaten zu sorgen, um den Krankenhäusern unnötige Aufwände für parallele, im schlechtesten Fall sogar divergierende Audits und Zertifizierungen zu ersparen.


Literatur

1.
ICH Harmonised Tripartite Guideline – Guideline for good clinical practice E6(R1). In: International conference on harmonisation of technical requirements for registration of pharmaceuticals for human use. 10 June 1996. Available from: http://www.ich.org/fileadmin/Public_Web_Site/ICH_Products/Guidelines/Efficacy/E6/E6_R1_Guideline.pdf External link
2.
tmf-ev.de. http://www.tmf-ev.de/Themen/Projekte/V042_01_eArchivierung.aspx External link
3.
Semler SC. GCP-konforme elektronische Archivierung. In: Semler SC, Schmücker P, Dujat C, Hrsg. Telemed 2014. Dokumentation und Archivierung, Haftungsfragen und Patientenrechte in der Gesundheitstelematik und Telemedizin. Tagungsband zum 19. Nationalen Forum für Gesundheitstelematik und Telemedizin. Berlin: AKA; 2014. S. 251-170
4.
Geis I, Dierks C. Rechtsgutachten zur elektronischen Archivierung, Teil 1: Grundlegende Rechtsfragen zur elektronischen Aufbewahrung von Dokumenten und Dateien; Teil 2: Spezifische Rechtsfragen zur elektronischen Aufbewahrung von Dokumenten und Dateien in klinischen Studien. Version 1.2. TMF; 2010. Verfügbar unter: http://www.tmf-ev.de/Produkte/Uebersicht.aspx#P042011 External link
5.
Freudigmann M, Hattemer-Apostel R, Eder V, Semler SC. Von der revisionssicheren zur GCP-konformen elektronischen Archivierung von Patientenakten. DZKF. 2012; 3/4: 22-26.
6.
Kohl CD, Bruns I, Freudigmann M, Scharf G, Schmücker P, Schwarz G, Semler SC. Digitale Archivierung papierbasierter Krankenakten von Studienpatienten - Eckpunktepapier des KKSN, der GMDS und der TMF unter Mitwirkung des BfArM und der Landesüberwachungsbehörde Nordrhein-Westfalen. GMS Med Inform Biom Epidemiol. 2013;9(3):Doc10. DOI: 10.3205/mibe000138 External link
7.
Kohl CD, Semler SC, Lax H, Zeeh B, Bruns I. Digitale Archivierung papierbasierter Patientenakten: Evaluation der Anwendbarkeit der DIN ISO Norm 2859-1 zur Durchführung von Stichprobenkontrollen. In: Seemler SC, Schmücker P, Dujat C, Hrsg. Telemed 2014. Dokumentation und Archivierung, Haftungsfragen und Patientenrechte in der Gesundheitstelematik und Telemedizin. Tagungsband zum 19. Nationalen Forum für Gesundheitstelematik und Telemedizin. Berlin: AKA; 2014. S. 171-174
8.
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). BSI Technische Richtlinie 03138 Ersetzendes Scannen (BSI TR RESISCAN – 03138); Version 1.0. Bonn: BSI; 2013. Verfügbar unter: https://www.bsi.bund.de/DE/Publikationen/TechnischeRichtlinien/tr03138/index_htm.html External link
9.
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen an die obersten Finanzbehörden der Länder vom 14. November 2014 - IV A 4 - S 0316 /13/10003, DOK 2014/0353090. Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD). Verfügbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Weitere_Steuerthemen/Abgabenordnung/Datenzugriff_GDPdU/2014-11-14-GoBD.pdf External link