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GMDS 2012: 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

16. - 20.09.2012, Braunschweig

Konzeptioneller Vergleich zwischen evidenzbasierten Leitlinien und klinischen Pfaden

Meeting Abstract

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  • Katja Heiden - Fachhochschule Dortmund, Medizinische Informatik, Dortmund, Deutschland
  • Britta Böckmann - Fachhochschule Dortmund, Medizinische Informatik, Dortmund, Deutschland

GMDS 2012. 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Braunschweig, 16.-20.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12gmds092

doi: 10.3205/12gmds092, urn:nbn:de:0183-12gmds0920

Published: September 13, 2012

© 2012 Heiden et al.
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Einleitung: Leistungserbringer im Gesundheitswesen sehen sich mit einem enormen Kostendruck konfrontiert, so dass sie sich im Spannungsfeld zwischen ökonomischer Effizienz und bedarfsgerechter Gesundheitsversorgung neu orientieren müssen [1]. Leitlinien und klinische Pfade können als akzeptierte Instrumente der Qualitätssicherung und Prozessoptimierung Abhilfe schaffen [2]. Obwohl Leitlinien nachweislich positive Effekte auf die Versorgungsqualität haben [3], ist ihr Einfluss auf die operative Praxis gering [4]. Maßgeblich für die Nutzung der Leitlinien ist die Bereitstellung des Wissens am „Point of care“ [5]. Angestrebt wird daher die Konzeption einer Systematik, über die sich Leitlinien (teils) automatisiert in operative Behandlungsstandards überführen lassen und diese retrospektiv auf Leitlinienkonformität überprüft werden können. Dazu werden aktuelle Inkonsistenzen zwischen den Leitlinien und Pfaden evaluiert, um darauf aufbauend ein Metamodell für eine Zusammenführung und Übersetzung zu entwickeln.

Material und Methoden: Um die notwendigen Voraussetzungen für eine Überführung der Leitlinien in operative Behandlungsstandards zu erheben, wird in einem ersten Schritt ein konzeptioneller Vergleich der beiden Konstrukte durchgeführt. Zur Definition der Vergleichskriterien wurden Leitfäden für die Entwicklung von Leitlinien (vgl. [6], [7], [8]) und klinischen Pfaden (vgl. [9], [10], [11]) analysiert. Die beiden Konzepte wurden auf Basis der folgenden Punkte gegenübergestellt: Darstellungsform, Aufbau, Inhalt, Zielgruppe, Entwicklung, Veröffentlichung, Implementierung, Verbindlichkeit und Zielsetzung (vgl. [2]). Eine detaillierte Literaturrecherche und eine Analyse vorhandener Leitlinien und Pfade wurden durchgeführt, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erheben. Zudem wurden bei einzelnen Vergleichskriterien die entsprechenden Repräsentationsformen wie der Health Level 7 Care Plan [12] für Pfade und z. B. das Guideline Interchange Format (GLIF) [13] für die Leitlinien herangezogen.

Ergebnisse: Es ergeben sich eine Reihe signifikanter Unterschiede aus dem Vergleich zwischen den Leitlinien und Pfaden. Aber auch kleinere Gemeinsamkeiten konnten identifiziert werden: Der klinische Algorithmus ist eine wichtige Ähnlichkeit zwischen den beiden Konzepten. Diese semantisch annotierte Beschreibung lässt sich problemlos auf klinische Pfade abbilden. Dazu müssen lediglich weitere Informationen zur Ausdifferenzierung des Ablaufs erhoben werden wie Zuständigkeiten im klinischen Prozess, benötigte Ressourcen oder zeitliche Angaben, um die Empfehlungen aus den Leitlinien für die operative Praxis zu konkretisieren. In den Leitlinien finden sich allerdings nur klinische Algorithmen zur Abbildung von Schlüsselempfehlungen.

Die Leitlinien stellen eine Reihe unstrukturierter Zusatzinformationen bereit wie beispielsweise Angaben zu Differentialdiagnosen, Leitsymptomen oder Komplikationen. Diese Daten lassen sich nicht ohne weiteres auf Konstrukte der Pfade abbilden, da es keine äquivalenten Elemente in den gängigen Pfadmodellen (z.B. im HL7 Care Plan Model) gibt.

Der konzeptionelle Vergleich zeigt signifikante strukturelle, inhaltliche und semantische Unterschiede zwischen den beiden Konzepten auf. Um Leitlinien in klinische Pfade zu überführen, wird ein einheitliches Modell benötigt, welches die Komponenten der Leitlinien auf Strukturen der klinischen Pfade abbildet.

Diskussion: Die ursprüngliche These, dass ein einheitliches Modell zur Überführung evidenzbasierter Leitlinien in klinische Pfade fehlt, konnte durch den konzeptionellen Vergleich bekräftigt werden. Es soll nachfolgend ein modellbasierter Ansatz gewählt werden, um die beiden Konzepte ineinander zu überführen. Dazu wird ein Metamodell konzipiert, welches Leitlinien auf klinische Pfade abbildet und welches alle anfallenden Daten beim Ableitungsprozess beschreibt.


Literatur

1.
Greiling M, Quint U. Klinische Behandlungspfade aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Orthopäde. 2010;39(8):752-7.
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Grimshaw JM, Thomas RE, MacLennan G, Fraser C, Ramsay CR, Vale L, et al. Effectiveness and efficiency of guideline dissemination and implementation strategies. Health Technol Asses. 2004;8(6):iii-iv, 1-72.
4.
Oberender PO. Clinical Pathways: Facetten eines neuen Versorgungsmodells. 1st ed. Stuttgart: Kohlhammer; 2005.
5.
Lenz R, Kuhn KA. Aspekte einer prozessorientierten Systemarchitektur für Informationssysteme im Gesundheitswesen. GI Jahrestagung. 2004;2:530-6.
6.
Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF); Ärztliche Zentralstelle für Qualitätssicherung (ÄZQ). Das Leitlinien-Manual. Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und Qualitätssicherung. 2001;95(1):1-84.
7.
Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF); Ärztliche Zentralstelle für Qualitätssicherung (ÄZQ). Deutsches Instrument zur methodischen Leitlinien-Bewertung (DELBI): Fassung 2005/2006. 2005.
8.
Europarat. Entwicklung einer Methodik für die Ausarbeitung von Leitlinien für die optimale medizinische Praxis – Empfehlung Rec (2001)13 des Europarates und erläuterndes Memorandum: Deutschsprachige Ausgabe. Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und Qualitätssicherung. 2002;96(3):3-60.
9.
Eckardt J. Praxishandbuch Integrierte Behandlungspfade: Intersektorale und sektorale Prozesse professionell gestalten. Heidelberg: Economica; 2006. (Gesundheitswesen in der Praxis)
10.
Hellmann W, Eble S. Ambulante und Sektoren übergreifende Behandlungspfade: Konzepte, Umsetzung, Praxisbeispiele. Berlin: Med Wiss Verlagsgesellschaft; 2010.
11.
Sens B, Eckardt J, Kirchner H. Praxismanual integrierte Behandlungspfade: Das Erfolgs-Rezept. Heidelberg : Economica Verlag; 2009. (Gesundheitswesen in der Praxis)
12.
HL7 International Version 3. Available from: http://www.hl7.org/v3ballot/html/welcome/environment/index.html [cited 28.12.2011] External link
13.
Boxwala AA, Peleg M, Tu S, Ogunyemi O, Zeng QT, Wang D, et al. GLIF3: a representation format for sharable computer-interpretable clinical practice guidelines. J Biomed Inform. 2004;7(3):147-61.