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50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Prävalenz von Krebserkrankungen in der Heinz Nixdorf Recall Studie

Meeting Abstract

  • Gerd Matysik - Universitätsklinikum Essen, Essen
  • Eva-Maria Beck - Universitätsklinikum Essen, Essen
  • S. Moebus - Universitätsklinikum Essen, Essen
  • K.H. Jöckel - Universitätsklinikum Essen, Essen

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds104

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Published: September 8, 2005

© 2005 Matysik et al.
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Einleitung und Fragestellung

Angaben zur Krebsprävalenz in Deutschland beruhen auf Schätzungen ausgehend von bevölkerungsbezogenen Inzidenz- und Überlebensraten aus epidemiologischen Krebsregistern. Für die Heinz Nixdorf Recall Studie soll anhand der Eigenangaben der Teilnehmenden die Prävalenz von Krebserkrankungen ermittelt werden.

Material und Methoden

Die Heinz Nixdorf Recall Studie ist eine bevölkerungsbezogene, prospektive Kohortenstudie zur Verbesserung der Vorhersage der Herzinfarktgefährdung [1]. Sie umfasst 4814 Teilnehmende aus einer Stichprobe (Brutto-N=8.890) von Frauen und Männern im Alter von 45-75 Jahren aus den Einwohnermeldeämtern der Städte Bochum, Essen und Mülheim/Ruhr. Im Erhebungszeitraum (Dezember 2000 - August 2003) erfolgte während eines computerassistierten persönlichen Interviews zur Anamnese eine standardisierte Befragung zu jemals ärztlich diagnostizierten Krebserkrankungen. Es wurde u. a. die Häufigkeit bisheriger Krebserkrankungen und die Krebsdiagnose erfragt. Die Eigenangaben zur Erkrankungsdiagnose wurden nach ICD 10, German Modification, Version 2005 kodiert [2]. Unter Krebs wurden internationalen Gepflogenheiten folgend alle bösartigen Neubildungen einschließlich der Lymphome und Leukämien unter Ausschluss des nicht melanotischen Hautkrebses (C44) verstanden. Teilnehmende mit mehr als einer Krebserkrankung gingen mit der zeitlich ersten Krebserkrankung in die Analyse ein, da die Unabhängigkeit der Zweiterkrankung aus den vorliegenden Angaben nicht mit Sicherheit zu schlussfolgern war.

Ergebnisse

Teilnehmende, die älter als 74 Jahre zum Stichtag der Erhebung waren (n=17, 0,4%), nicht befragte Teilnehmende (n=800, 16,6%) und Teilnehmende, die keine Angabe zu bisherigen Krebserkrankungen machen konnten (n=11, 0,2%), wurden von der weiteren Analyse ausgeschlossen. 265 (6,6%) von 3986 Befragten gaben an, mindestens eine ärztlich diagnostizierte Krebserkrankung jemals gehabt zu haben, davon hatten n=16 (6%) bislang zwei Krebserkrankungen. 57% der 265 Teilnehmenden mit Krebs waren Frauen. 151 (7,6%) der 1997 befragten Frauen und 114 (5,7%) der 1989 befragten Männer hatten mindestens eine Krebserkrankung. Für die Altersgruppen (45-54, 55-64, 65-74 Jahre) fand sich ein Anstieg von 4,3% auf 10,4% bei Frauen und von 2,6% auf 10,4% bei Männern. In der Gruppe der befragten Frauen fanden sich am häufigsten Krebserkrankungen der Brustdrüse (C50) mit 2,9%, der weiblichen Genitalorgane (C51-C58) mit 2,1%, der Verdauungsorgane (C15-C26) mit 0,8% und das bösartige Melanom der Haut (C43) mit 0,5%. In der Gruppe der befragten Männer waren am häufigsten Krebserkrankungen der Männlichen Genitalorgane (C60-C63) mit 2,2%, der Verdauungsorgane (C15-C26) mit 1,0%, der Harnorgane (C64-C68) mit 0,8% und das bösartige Melanom der Haut (C43) mit 0,7%.

Tabelle 1 [Tab. 1] zeigt die geschlechtsspezifischen Prävalenzen für die häufigsten Krebsentitäten sowie die Krebsprävalenz für alle bösartigen Neubildungen ohne den nicht melanotischen Hautkrebs.

Bei Frauen betrug die Häufigkeit bösartiger Neubildungen des Intestinaltrakts, Teil nicht näher bezeichnet (C26.0) 0,2% und bösartiger Neubildungen sonstiger und ungenau bezeichneter Lokalisation (C76) 0,1%. Bei Männern betrug die Häufigkeit bösartiger Neubildungen des Intestinaltrakts, Teil nicht näher bezeichnet (C26.0) sowie bösartiger Neubildungen ohne Angabe der Lokalisation (C80) jeweils 0,2%.

Diskussion

Die Krebsprävalenzen in der Heinz Nixdorf Recall Studie (Gesamtkrebsprävalenz 6,6%, Frauen 7,6%, Männer 5,7%) liegen zumindest bei den Männern auffällig höher als die im Bundesgesundheitssurvey von 1998 für die westdeutschen Teilnehmenden der Altersgruppe 45-74 Jahre (Gesamtkrebsprävalenz 5,5%, Frauen 7%, Männer 3,9%) [3].

Aufgrund der publizierten Alterklasseneinteilung der EUROPREVAL Studie ist ein Vergleich der Krebsprävalenzen nur für die 45-64-Jährigen möglich. Die Krebsprävalenzen sind in der Heinz Nixdorf Recall Studie für diese Altersgruppe (Frauen 6,2%, Männer 3,9%) höher als die Krebsprävalenzen für Deutschland in der EUROPREVAL Studie (Frauen 3,8%, Männer 2,7%). Dies gilt auch für die einzelnen Krebsentitäten in dieser Altersgruppe. So liegen bei Frauen die Prävalenzen des Brustkrebses mit 2,4% zu 1,5%, des bösartigen Melanoms der Haut mit 0,4% zu 0,2% sowie bei Männern die Prävalenzen für das Prostatakarzinom mit 1,8% zu 0,2% und das bösartige Melanom der Haut mit 0,6% zu 0,1% in der Heinz Nixdorf Recall Studie deutlich höher [4].

In der Heinz Nixdorf Recall Studie ist die Krebsprävalenz bei Frauen höher als bei Männern. Dieser Unterschied ist möglicherweise erklärbar mit der Dominanz des weiblichen Brustkrebses mit relativ günstigen Überlebenschancen.

In der Literatur wird unabhängig vom Alter bei Frauen als höchste Prävalenz der Brustkrebs, bei Männern das Prostatakarzinom angegeben [5], [4]. Dies gilt auch für die Heinz Nixdorf Recall Studie. In der Heinz Nixdorf Recall Studie folgen bei Frauen nach dem Brustkrebs die Prävalenzen für bösartige Neubildungen der Gebärmutter und für den Dick- und Mastdarmkrebs. Die Angaben für bösartige Neubildungen der Gebärmutter sind dabei meist unspezifisch (C54 „Corpus uteri“ n=2, C55 „Uterus, Teil nicht näher bezeichnet“ aber n=15). Auffallend ist in der Heinz Nixdorf Recall Studie die hohe Prävalenz für das bösartige Melanom der Haut bei den Männern, die noch vor der Prävalenz des Dick- und Mastdarmkrebses steht.

Beim Vergleich der Krebsprävalenzen ist zu berücksichtigen, dass diese teilweise für unterschiedliche Altersgruppen gelten. Die Krebsprävalenzen der Heinz Nixdorf Recall Studie und des Bundesgesundheitssurveys von 1998 beruhen auf Eigenangaben, die Schätzungen zur Krebsprävalenz der Literatur [5], [4] auf bevölkerungsbezogenen Inzidenz- und Überlebensraten.

Eine Limitation in der Heinz Nixdorf Recall Studie besteht in der fehlenden Validierung der Eigenangaben (u. a. Möglichkeit von Erinnerungsbias und Interviewerbias). Zudem wurde nicht der mögliche Einfluss der Nonresponder auf die Prävalenz von Krebserkrankungen analysiert (möglicher Selektionsbias).

Zusammenfassend finden sich in der Heinz Nixdorf Recall Studie höhere Prävalenzen für bösartige Neubildungen als in der Literatur.

Die Follow up Untersuchung ab Ende des Jahres 2005 eröffnet die Möglichkeit, die Ergebnisse zur Krebsprävalenz in der Heinz Nixdorf Recall Studie zu überprüfen und die erforderlichen Daten für eine Validierung der Eigenangaben zu erheben.


Literatur

1.
Schmermund A, Möhlenkamp S, Stang A et al. Assessment of clinically silent atherosclerotic disease and established and novel risk factors for predicting myocardial infarction and cardiac death in healthy middle-aged subjects: Rationale and design of the Heinz Nixdorf Recall Study. Am Heart J 2002; 144: 212-8.
2.
ICD-10-GM Version 2005. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information. Köln: 2004.
3.
Public Use File BGS98, Bundesgesundheitssurvey 1998. Robert-Koch-Institut. Berlin: 2000.
4.
Lutz JM, Francisci S, Usel M et al. Cancer prevalence in Central Europe: the EUROPREVAL Study. Annals of Oncology 2003; 14: 313-322.
5.
Ministerium für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales (Hrsg.). Krebs im Saarland 1998-2000. Inzidenz, Mortalität und Prävalenz bösartiger Neubildungen. Saarbrücken: 2004.