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Einblicke in das hidden curriculum klinischer Lernumgebungen – Ergebnisse aus Studientagebüchern
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Published: | August 31, 2015 |
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Fragestellung/Einleitung: Von 2010 bis 2015 wurde an der Charité – Universitätsmedizin Berlin das 1. bis 10. Fachsemester des Modellstudiengangs Medizin implementiert. Sein integriertes und outcome-orientiertes Curriculum ist u.a. durch Patientenkontakt und Kommunikationstrainings der Studierenden vom ersten Semester an gekennzeichnet. Auf diese Weise kommen die Studierenden in einen stetigen Kontakt mit den Anforderungen der beruflichen Realität. Gleichzeitig lernen sie implizite Regeln und Rituale der Institution kennen, die nicht als explizite Lerninhalte im Curriculum verankert sind, aber einen wichtigen Baustein für die berufliche Sozialisation bilden [1], [2]. Die wahrgenommene klinische Lernumgebung als Teil des sog. hidden curriculum wird durch die Analyse der erlebten Interaktionen zwischen Lehrenden, Studierenden und dritten Personen aufgedeckt [3].
Methoden: Studierende des Modellstudiengangs Medizin (n=15) führen ein online-gestütztes, semi-strukturiertes Studientagebuch, das sie täglich, wöchentlich und modulbezogen ausfüllen. Die studentischen Rückmeldungen aus den Semestern 5-9 zu ihren Erfahrungen in klinischen Lernumgebungen lassen Rückschlüsse auf das hidden curriculum zu. Die Auswertung erfolgt in Anlehnung an die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring [4].
Ergebnisse: Die vorgenommene Inhaltsanalyse zeigt auf, dass die Studierenden eine Diskrepanz zwischen expliziten Lerninhalten des Curriculums und der von ihnen erlebten beruflichen Realität wahrnehmen: zum Beispiel im Kommunikationsverhalten von Ärzten und medizinischem Fachpersonal gegenüber Patienten. Des Weiteren legt die Analyse der Studientagebücher offen, dass die Studierenden ihre eigenen ärztlichen Idealbilder mit der Wirklichkeit abgleichen müssen: zum Beispiel der Umgang mit der hohen ärztlichen Arbeitsbelastung, die Beziehung zwischen Pflegenden und Ärzten bzw. Studierenden als auch das Engagement der Dozierenden in der Lehre.
Diskussion/Schlussfolgerung: Die Analyse der Studientagebucheinträge ermöglicht wichtige Einblicke in das hidden curriculum klinischer Lernumgebungen und in die intrapersonellen Konflikte Studierender, die sich aus den wahrgenommenen Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit ergeben. Daraus lassen sich Implikationen für die Curriculumsplanung und Hochschuldidaktik ableiten. Für Studierende würden sich beispielsweise praxisbegleitende Reflexionen oder Mentorengespräche anbieten. Dozierende sollten in hochschuldidaktischen Schulungen dafür sensibilisiert werden, welchen Einfluss unreflektiert übernommene Werte und Regeln auf die berufliche Sozialisation der Studierenden haben können.
Literatur
- 1.
- Lempp H, Seale C. The hidden curriculum in undergraduate medical education: qualitative study of medical students' perceptions if teaching. BMJ. 2004;329(7469):770-773. DOI: 10.1136/bmj.329.7469.770
- 2.
- Ozolins I, Hall H, Peterson R. The Student Voice: Recognising the hidden and informal curriculum in medicine. Med Teach. 2008;30(6):606-611. DOI: 10.1080/01421590801949933
- 3.
- Kentli FD. Comparison of Hidden Curriculum Theories. Eur J Educ Stud. 2009;1(2):83-88.
- 4.
- Mayring P. Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim, Basel: Beltz Verlag; 2010.