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Psychoanalyse in der medizinischen Lehre: obsolet oder wegweisend?
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Published: | August 31, 2015 |
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Fragestellung/Einleitung: Psychoanalyse wird an medizinischen Fakultäten mittlerweile kaum noch vermittelt und genutzt. Dabei fordern mittlerweile moderne Aus- und Weiterbildungscurricula in der Medizin mit ihrer Kompetenz- und Rollenorientierung explizit persönlichkeitsbezogene Selbstentwicklung der professionell Handelnden. Selbsterfahrung ist nun wiederum ein wichtiges und zentrales Instrument der Psychoanalyse. Es soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit Elemente psychoanalytischer Selbsterfahrung in einen medizinischen Modellstudiengang integriert werden können?
Methoden: Seit 2012 findet regelmäßig das interprofessionelle Wahlpflichtfach „Einführung in die Psychoanalyse“ statt, welches sich schwerpunktmäßig an Medizin- und Psychologiestudierende richtet und in Kooperation der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität und der Akademie für Psychoanalyse und Psychosomatik Düsseldorf e.V. durchgeführt wird. An dem Wahlpflichtfach können max. 40 Personen teilnehmen. Die Dozenten sind Lehrbeauftragte des Klinischen Instituts für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie niedergelassene Psychotherapeuten und Psychoanalytiker. An 5 Tagen in der Woche werden theoretische Inhalte zur psychoanalytischen Grundlagen, Konzepten der Einzel- und Gruppentherapie, aber auch Anwendungsformen der Psychoanalyse wie Supervision, Coaching oder kulturwissenschaftliche Filmanalyse vermittelt. Zentrales Element ist jedoch die psychoanalytische Selbsterfahrung, welche in 3 Großgruppensitzungen und 6 Kleingruppensitzungen erfolgt.
Ergebnisse: Vorgestellt werden das didaktische Konzept, die Implementierung und die Ergebnisse des letzten Wahlpflichtfachs, welches im WS14/15 stattgefunden hat. Die Teilnehmer (n=40) haben die Veranstaltung gut bis sehr gut bewertet. Am wertvollsten wurde die Selbsterfahrung in den Kleingruppen angesehen, während die Großgruppe als interessant aber auch schwierig erlebt wurde. In der Beschreibung der Großgruppe durch die Gruppenleiter zeigten sich die typischen Regressionsphänomene wie (Angstaktivierung, Fragmentierung der Gruppe etc.) und Abwehrformen (z.B. Aggression auf die Gruppenleitung), ein prototypischer Entwicklungsprozess der Gruppe, sowie der einzelnen Teilnehmer in Richtung eines authentischeren Miteinanders mit angemessener Selbstöffnung und Selbstbegrenzung. Die Verklammerung von Groß- und Kleingruppe war hilfreich, da die Teilnehmer ihre persönlichen (biographischen) Themen überwiegend in den Kleingruppen thematisierten, während in der Großgruppe die Reflektion von Gruppenprozessen stattfand.
Diskussion/Schlussfolgerung: Gerade durch Selbsterfahrung wird Psychoanalyse erlebbar und Selbsterfahrung fördert die Integration psychoanalytischer Theorie. Psychoanalytische Methoden ergänzen die Kleingruppendidaktik mit dem Ziel Selbstreflexions- und entwicklungsprozesse (Rollenkompetenz als Professionell Handelnder) zu fördern. Die praktische Umsetzbarkeit eines solchen Lehrformates für interessierte Medizin- (und Psychologiestudierende) hat sich als gut machbar erwiesen. Das modellhaft vorgestellte Konzept kann auch von anderen Fakultäten genutzt werden.