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Visiten als Lernumgebung: Eine Analyse typischer Visiten und ihr Potential zur kognitiven Aktivierung
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Published: | September 11, 2014 |
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Fragestellung/Einleitung: Visiten bilden durch die Verbindung klinischen Wissens mit der praktischen Tätigkeit eine wertvolle Möglichkeit zum studentischen Lernen [1]. Dieses Potential wird jedoch bisher auch durch die mangelnde Einbindung der Studierenden unzureichend genutzt [2], [3]. Weshalb die Aktivierung der Studierenden nicht besser gelingt, ist bisher unklar. Denkbar ist, dass die verschiedenen Mitglieder eines Visitenteams unterschiedliche Auffassungen bzw. internale Skripts [4] von Visiten und ihrer Nutzung als Lerngelegenheit haben. Diese Studie soll daher das individuelle, erfahrungsbedingte Verständnis einer typischen Visite hinsichtlich ihres Potentials als kognitiv aktivierende Lernumgebung abbilden.
Methoden: Strukturierte Interviews auf Basis einer modifizierten Version der Struktur-Lege-Technik [5] wurden mit N=50 Studierenden und Ärzten des Universitätsklinikums der LMU München durchgeführt, um deren internale Visitenskripts, d.h. ihre Vorstellungen bzgl. Aktivitäten und Beteiligte typischer Visiten zu erfassen. Insbesondere wurde analysiert, inwiefern Visiten aus Sicht der TeilnehmerInnen Gelegenheiten für hochwertige Wissenskonstruktionsprozesse durch kognitive Aktivierung bieten. Die genannten Visitenaktivitäten wurden anhand einer Adaption des ICAP-Framework [6] als interaktiv, konstruktiv, aktiv bzw. passiv klassifiziert.
Ergebnisse: Insgesamt laufen bei der Visite aus Sicht der Studierenden signifikant mehr (H(3)=15.607, p=.001) passive Aktivitäten (32%) ab als aus der Sicht von Oberärzten, Assistenzärzten und PJ-Studierenden (15-17%). Weiterhin stufen Studierende ihre eigene Rolle als signifikant passiver ein als andere Teilnehmer die Studierendenrolle einschätzen (U=5.7, p=0.02).
Diskussion/Schlussfolgerung: Die Analyse der internalen Visitenskripts zeigt, dass Studierende Visiten nur zu einem geringen Ausmaß als eine Lerngelegenheit interpretieren, in der hochwertige Wissenskonstruktionsprozesse zum Einsatz kommen. Zunehmende Erfahrung geht dagegen mit der Betonung höherer kognitiver Aktivierung einher. Zukünftige Interventionsstudien sollten darauf fokussieren, Studierende darin zu unterstützen, Visiten vermehrt als Lerngelegenheit zu betrachten und das eigene Rollenverständnis zu hinterfragen.
Literatur
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