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20th Annual Meeting of the German Drug Utilisation Research Group (GAA)

Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie

05.12. - 06.12.2013, Düsseldorf

Prävention arzneimittelassoziierter Erkrankungen bei stationären Altenheimbewohnern durch ein pflegezentriertes Risikomanagement im Rahmen einer Integrativen Versorgung

Meeting Abstract

  • corresponding author presenting/speaker Frank Hanke - Gesellschaft für Geriatrische Pharmazie - Gero PharmCare GmbH, Köln, Deutschland
  • Judith Hildebrand - Gesellschaft für Geriatrische Pharmazie - Gero PharmCare GmbH, Köln, Deutschland
  • Gero Joks - Gesellschaft für Geriatrische Pharmazie - Gero PharmCare GmbH, Köln, Deutschland
  • Ingo Füsgen - Geriatrie Universität Witten Herdecke, Witten, Deutschland

Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie e.V. (GAA). 20. Jahrestagung der Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie. Düsseldorf, 05.-06.12.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. Doc13gaa30

doi: 10.3205/13gaa30, urn:nbn:de:0183-13gaa302

Published: November 25, 2013

© 2013 Hanke et al.
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Outline

Text

Hintergrund: Unerwünschte Arzneimittelereignisse (UAE) treten bei geriatrischen Patienten, speziell bei Altenheimbewohnern, häufig auf und führen bei diesen Patienten oft zu einer erhöhten Morbidität1. Eine Optimierung des Medikationsprozesses, insbesondere der Therapiebeobachtung und des Verordnungsbereiches hat einen tiefgreifenden Einfluss auf die gesamte medizinisch-pflegerische Behandlung der Heimbewohner einer stationären Alteneinrichtung.

Material und Methoden: Im Rahmen einer Integrativen Versorgung des careplus-Programmes der AOK Nordost wurde mit einer Heimträgergesellschaft in vier Alteneinrichtungen eine „Optimierte Arzneimittelversorgung für stationäre Alteneinrichtungen“, das careplus OAV-Modell geschaffen. Zielstellung war es, die Versorgungs- und Lebensqualität der Bewohner durch die Umsetzung medizinischer, pharmazeutischer und pflegerischer Optimierungspotentiale im gesamten Medikationsprozess zu verbessern. Vom 1.10.2011 bis zum 31.12.2012 nahmen insgesamt 189 Heimbewohner am OAV-Pilotmodell teil. 79 Patienten waren in diesem Zeitraum kontinuierlich eingeschrieben und erfuhren eine Langzeitbetreuung.

Im Zentrum der Präventions- und Interventionsmaßnahmen stand ein pflegezentriertes Risikomanagement in das alle Haus- und Fachärzte, Pflegekräfte, geriatrische Pharmazeuten, sowie die heimversorgende Apotheke der eingeschriebenen Bewohner eingebunden wurden.

Maßnahmen waren u.a. der Auf- und Ausbau eines geriatrischen Teams, ein elektronisch unterstütztes Risikoscreening zur Identifizierung von Hochrisikopatienten hinsichtlich ihrer Multimorbidität, sowie eine forcierte Risikokommunikation. Dies wurde durch systematische Fortbildungen und gezielte, sich zyklisch wiederholende arbeitsorganisatorische Eingriffe in den Medikationsprozess erreicht.

Die UAE wurden von geriatrischen Pharmazeuten mittels Naranjo-Assessment detektiert.

Zur Messung des Arzneimittelverbrauchs wurde die Anzahl der Dauer- und Bedarfsverordnungen vor Interventionsbeginn, sowie drei, sechs und neun Monate nach Interventionsbeginn bei denselben Heimbewohnern erfasst.

Ergebnisse: Die UAE Inzidenz bei allen eingeschriebenen Heimbewohnern betrug 5,5 UAE (Range: 3,3–8,3) pro 100 Heimbewohnermonate und war um 30,1% geringer als in durchschnittlichen deutschen Altenpflegeeinrichtungen[1]. Jeder dritte bis vierte eingeschriebene Heimbewohner erlitt eine oder mehrere UAE, die in 75,5% aller Fälle auf eine Überversorgung (Polypharmazie) zurückgeführt werden konnten. Durch die Interventionen ergaben sich bei 69,4% (34 von 49 Heimbewohnern) aller betroffenen Heimbewohner Morbiditätsverbesserungen. Die durchschnittliche Krankenhausaufenthaltsrate der langzeitbetreuten Heimbewohner war um 24,8% niedriger als die durchschnittliche Krankenhausaufenthaltsrate in den vergleichbaren careplus-Projekteinrichtungen der Region Berlin.

Nach Beginn eines geriatrisch-pharmazeutischen Sturzassessments zeigte sich im Verlauf eines Jahres in einer Subgruppe von 37 stürzenden Heimbewohnern eine signifikante Reduktion (p < 0,05) aller – auch der nicht arzneimittelassoziierten – Stürze um 57,7% von durchschnittlich 13 auf 5,5 Stürze pro Monat. Der Anteil der potenziell vermeidbaren arzneimittelassoziierten Stürze derselben Heimbewohner sank dabei von durchschnittlich 58,6% auf 0%.

Die UAE-Risikoreduktion wurde vor allem durch eine fachgerechte und gezielte Verringerung der Polypharmazie im Bereich der Verordnung, der Therapiebeobachtung und des Bestellprozesses erreicht. Nach Interventionsbeginn war eine statistisch signifikante Abnahme [p < 0,05] der Gesamtmedikation (Dauer- und Bedarfsmedikationen) bei den langzeitbetreuten Heimbewohnern zu verzeichnen. Die durchschnittliche Anzahl der Dauerverordnungen sank bei denselben Heimbewohnern von anfänglich 6,2 Dauerverordnungen [Range: 0–15 Dauerverordnungen] um 0,7 Dauerverordnungen auf durchschnittlich 5,4 Dauerverordnungen und blieb dann neun Monate erhalten.

Schlussfolgerung: Im careplus OAV-Modell der AOK Nordost wurde ein qualitätiv hochwertiges und kosteneffizientes Risikomanagement der Arzneimittelversorgung und Pharmakotherapie verwirklicht. Ärzte, Pfleger und Pharmazeuten erzeugten im geriatrischen Team unter Berücksichtigung der individuellen und umfeldbezogenen Risiken für jeden geriatrischen Patienten einen optimierten Behandlungsmodus. Die Polypharmazie und die UAE-Risiken sanken. Dadurch verringerte sich die Morbidität bei den eingeschriebenen Heimbewohnern deutlich.


Literatur

1.
Thürmann PA, et al. Abschlussbericht im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums zum Projekt Arzneimitteltherapiesicherheit in Alten- und Pflegeheimen. Onlineveröffentlichung 2011.
2.
Gurwitz JH, Field TS, Judge J, Rochon P, Harrold LR, Cadoret C, Lee M, White K, LaPrino J, Erramuspe-Mainard J, DeFlorio M, Gavendo L, Auger J, Bates DW. The incidence of adverse drug events in two large academic long-term care facilities. Am J Med. 2005 Mar;118(3):251-8. DOI: 10.1016/j.amjmed.2004.09.018 External link