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Klasse statt Masse – wider die wertlose Wissenschaft: 18. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

09.03. - 11.03.2017, Hamburg

Welche Faktoren prädisponieren ältere Menschen für extreme Polypharmazie? Eine Querschnittsanalyse mit Daten aus der PRIMA-eDS-Studie

Meeting Abstract

  • corresponding author presenting/speaker Anja Rieckert - Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
  • author Ulrike S. Trampisch - Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
  • author Renate Klaassen-Mielke - Abteilung für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland
  • author Vicky Bell - Health Sciences Group - Primary Care, University of Manchester, Manchester, England
  • author Jennifer Höck - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Deutschland
  • author Tim Johansson - Institut für Allgemein-, Familien- und Präventivmedizin, Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Salzburg, Österreich
  • author Sophie Keller - Institut für Allgemein-, Familien- und Präventivmedizin, Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Salzburg, Österreich
  • author Ilkka Kunnamo - Duodecim, Helsinki, Finnland
  • author Christin Löffler - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Deutschland
  • author Giuliano Piccoliori - Südtiroler Akademie für Allgemeinmedizin, Bozen, Italien
  • author Hans Joachim Trampisch - Abteilung für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland
  • author Anna Vögele - Südtiroler Akademie für Allgemeinmedizin, Bozen, Italien
  • author Adrine Woodham - Health Sciences Group - Primary Care, University of Manchester, Manchester, England
  • author Andreas Sönnichsen - Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland

Klasse statt Masse – wider die wertlose Wissenschaft. 18. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Hamburg, 09.-11.03.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. Doc17ebmV53

doi: 10.3205/17ebm069, urn:nbn:de:0183-17ebm0695

Published: February 23, 2017

© 2017 Rieckert et al.
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Hintergrund und Fragestellung: Polypharmazie ist bei älteren Menschen verbreitet und führt zu Medikationsfehlern, Nebenwirkungen und Hospitalisierung. Verschiedene Studien berichten eine Hospitalisierungsrate auf Grund von Arzneimittelnebenwirkungen zwischen 2,4 und 16,65%. Das Risiko steigt mit wachsender Anzahl von Medikamenten. Es ist daher von Interesse, welche Faktoren zu extremer Polypharmazie führen. Wir gingen dieser Fragestellung in der EU-Studie PRIMA-eDS (Polypharmacy: Reduction of Inappropriate Medication and Adverse drug events by electronic Decision Support) nach.

Methoden: Zur Evaluation der elektronischen Entscheidungshilfe „PRIMA-eDS“ zur Reduktion inadäquater Polypharmazie wird derzeit eine randomisiert kontrollierte Studie durchgeführt. Für diese Studie wurden durch 5 Studienzentren in 4 Ländern (D, A, I, UK) 359 Hausärzte und 3919 Patienten über 75 Jahre mit Polypharmazie (≥8 Wirkstoffe) rekrutiert. Zu Baseline wurden folgende Patientendaten erhoben: Anzahl der Wirkstoffe, Anzahl der Diagnosen, Alter, Geschlecht, BMI, selbstberichteter Gesundheitszustand, Gebrechlichkeit, Bildungsgrad, Raucherstatus. Zur Beantwortung unserer Forschungsfrage führten wir mit den Baseline-Daten eine multivariate logistische Regressionsanalyse mit der Variable „extreme Polypharmazie“ (Einnahme von ≥10 Wirkstoffen) als abhängige Variable und allen anderen Baseline-Daten als unabhängige Variablen durch.

Ergebnisse: Die Teilnehmer sind 81,7±4,7 Jahre alt. 42,8% sind männlich. Im Schnitt haben die Patienten 9,5±5,0 Diagnosen und nehmen 10,6±2,4 Wirkstoffe ein. In der multivariaten logistischen Regressionsanalyse waren folgende unabhängige Variablen signifikant mit extremer Polypharmazie assoziiert: selbstberichteter Gesundheitszustand, Gebrechlichkeit, Anzahl Diagnosen und das Studienzentrum Manchester. Ein hohes Alter (≥85 J.) wirkte im Vergleich zu <85 J. als Schutzfaktor. Geschlecht, Bildungsgrad, BMI und Raucherstatus waren nicht mit der Anzahl der eingenommenen Medikamente assoziiert.

Schlussfolgerung: Das Studienzentrum Manchester/UK war signifikant mit Polypharmazie assoziiert. Eine mögliche Erklärung hierfür könnte das im UK übliche „Pay for Performance“ sein, das Polypharmazie begünstigt. Die aus unserer Analyse gewonnenen Erkenntnisse tragen dazu bei, gezielte Strategien zur Reduktion inadäquater Polypharmazie zu entwickeln und diese in Leitlinien zum Umgang mit Polypharmazie und Multimorbidität zu integrieren.