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Gemeinsam informiert entscheiden: 17. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V.

03.03. - 05.03.2016, Köln

Elektronische und nicht-elektronische Interventionen zur Reduktion von Polypharmazie – weiterhin fehlende Evidenz für einen Patientennutzen

Meeting Abstract

  • corresponding author presenting/speaker Tim Johansson - Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Institut für Allgemein-, Familien- und Präventivmedizin, Salzburg, Österreich
  • Muna Abuzahra - Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung, Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich
  • Sophie Keller - Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Institut für Allgemein-, Familien- und Präventivmedizin, Salzburg, Österreich
  • Eva Mann - Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Institut für Allgemein-, Familien- und Präventivmedizin, Salzburg, Österreich
  • Christina Sommerauer - Private Universität Witten/Herdecke GmbH, Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Witten, Deutschland
  • Barbara Faller - Private Universität Witten/Herdecke GmbH, Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Witten, Deutschland
  • Jennifer Höck - Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock, Deutschland
  • Christin Löffler - Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock, Deutschland
  • Anna Köchling - Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock, Deutschland
  • Jochen Schuler - Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Institut für Allgemein-, Familien- und Präventivmedizin, Salzburg, Österreich
  • Maria Flamm - Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Institut für Allgemein-, Familien- und Präventivmedizin, Salzburg, Österreich
  • Andreas Sönnichsen - Private Universität Witten/Herdecke GmbH, Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Witten, Deutschland

Gemeinsam informiert entscheiden. 17. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Köln, 03.-05.03.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16ebmE3b

doi: 10.3205/16ebm011, urn:nbn:de:0183-16ebm0113

Published: February 23, 2016

© 2016 Johansson et al.
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Text

Hintergrund: Polypharmazie stellt ein grosses Problem bei der Versorgung älterer, multimorbider und chronisch Kranker dar. Sie ist oft irrational, ist signifikant mit einer Reihe von Medikationsfehlern assoziiert und mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Polypharmazie gefährdet die Patientensicherheit und führt zu vermehrten Hospitalisierungen. Es werden weltweit verschiedene strukturierte Interventionsstategien zur Reduktion von Polypharmazie erprobt. Diese systematische Übersichtsarbeit hat das Ziel, die Effektivität dieser Interventionen zu analysieren.

Studienfrage: Welche elektronischen und nicht-elektronischen Interventionen zur Reduktion von Polypharmazie sind hinsichtlich Mortalität, Hospitalisierung und Medikamentenanzahl effektiv?

Methode: Am 13.07.2015 (Update Suche) wurden Medline via OVID, Cochrane Databases, EMBASE, NHS-CRD-HTA (INAHTA) und DARE nach geeigneten Studien durchsucht. Die Auswahl relevanter Studien erfolgte dual und nach einem PICOS-Schema. Als primäre Endpunkte wurden Mortalität, Hospitalisierung und Anzahl an Medikamenten definiert. Die Qualität der eingeschlossenen Studien wurde mittels der GRADE-Methodik beurteilt.

Ergebnisse: Die Literatursuche identifizierte 25.258 Abstracts (davon waren 6.206 Duplikate). Von 19.052 gelesenen Abstracts und 394 Volltexten wurden 25 Studien (21 randomisiert kontrollierte Studien (RCT) und 4 nicht-RCTs) eingeschlossen. Die identifizierten Strategien waren überwiegend komplex und heterogen, insbesondere hinsichtlich der beteiligten Akteure (Pharmazeuten, Ärzte oder ein multidisziplinäres Team). Mit Blick auf die Mortalität im Studienverlauf konnten weder in einzelnen Studien noch in der Meta-Analyse signifikante Effekte zugunsten der Interventionsgruppe nachgewiesen werden (OR: 1,02; 95 % CI 0,84 bis 1,23). Hinsichtlich von Medikamentenanzahl und Hospitalisierung war beim Vergleich von Interventions- und Kontrollgruppen nur in einzelnen Studien eine signifikante Reduktion nachweisbar. Die Qualität der Studien war insgesamt eingeschränkt, somit kann eine Verzerrung der Ergebnisse nicht ausgeschlossen werden.

Diskussion: Es wurden zahlreiche und sehr heterogene Strategien zum Umgang mit Polypharmazie in verschiedenen Settings identifiziert. Die Evidenz zur Effektivität der bisher angewendeten Maßnahmen ist gering und aufgrund eingeschränkter Studienqualität und geringer Fallzahlen stark limitiert. Hieraus leitet sich eine hohe Notwendigkeit für randomisierte und kontrollierte „Absetzstudien“ nach einem vorgegebenen Algorithmus ab.