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Prävention zwischen Evidenz und Eminenz
15. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

13.03. - 15.03.2014, Halle (Saale)

„Warum muss ich das eigentlich weiterlesen? Das ist ja alles nur eine Wahrscheinlichkeit.“ – Beurteilung von schriftlichen Informationen zur Darmkrebsfrüherkennung von Bürgern aus bildungsfernen Bevölkerungsschichten

Meeting Abstract

Prävention zwischen Evidenz und Eminenz. 15. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Halle, 13.-15.03.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. Doc14ebmP8d

doi: 10.3205/14ebm099, urn:nbn:de:0183-14ebm0995

Published: March 10, 2014

© 2014 Münch et al.
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Hintergrund und Fragestellung: Evidenzbasierte und verständliche Gesundheitsinformationen sind wichtig, um Bürger in gesundheitlichen Entscheidungsfragen zu unterstützen. Ob in Deutschland genutzte Materialien zur Darmkrebsfrüherkennung diese Anforderung erfüllen, und wie Bürger mit niedrigem Bildungsgrad die Verständlichkeit und die Wirkung der Texte beurteilen, war Gegenstand einer qualitativen Studie.

Material/Methode: Nach einem festgelegten Procedere sollten ausgewählte Materialien (vier Broschüren und vier Flyer) in unterschiedlicher Kombination in 6 leitfadengestützten Gruppendiskussionen mit je fünf bildungsfernen Bürgern (max. Haupt-/Volksschulabschluss sowie max. abgeschlossene Lehre) getestet werden. Die Tester zwischen 55 – 70 Jahren wurden in benachteiligten Stadtteilen Hannovers rekrutiert. Die Gruppendiskussionen wurden aufgezeichnet, transkribiert und auf der Basis einer zusammenfassenden Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet.

Ergebnisse: Die Rekrutierung der Tester war trotz der angebotenen Aufwandsentschädigung schwierig, dennoch konnten vier Gruppendiskussionen mit 15 Testlesern (61,5% weiblich, Durchschnittsalter 61,1 Jahre) realisiert werden.

Die Tester haben kaum Vorerfahrungen im kritischen Lesen von Texten, sie ermüden schnell, ein direktes Arbeiten am Text ist somit schwierig. Häufig werden nur globale und wenig kritische Aussagen zu den Inhalten gemacht. Zahlen und Grafiken werden oft überlesen. Zweifel an der Richtigkeit der Informationen kommen kaum auf. Wenn in den Texten Risiken thematisiert werden, erzeugt dies bei den meisten Testern Unsicherheit und Angst. Unabhängig davon, ob objektiv vorhanden, wird dem Material oft ein Teilnahmeappell entnommen oder, wenn dieser nicht vorhanden ist, sogar explizit eingefordert. Die Tester nehmen zudem ihren Handlungsspielraum in Entscheidungsfragen nur eingeschränkt wahr, sie vertrauen bevorzugt auf die Empfehlung ihrer Ärzte.

Schlussfolgerung: Gesundheitsinformationen müssen nicht nur verständlich sein, sondern Risiken so kommunizieren, dass sie objektiv informieren. Andererseits dürfen die Materialien nicht so angsterzeugend wirken, dass sie eine Beschäftigung mit dem Thema verhindern. Die Entwicklung und Testung entsprechender Formulierungen ist eine zukünftige Aufgabe in der Risikokommunikation.