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EbM & Individualisierte Medizin
12. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

24.03. - 26.03.2011, Berlin

About this meeting

Grußwort des Tagungspräsidenten

Sehr geehrte Damen und Herren,

"Evidenz und Individualisierte Medizin" lautet das Hauptthema der 12. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin 2011, zu der ich Sie herzlichst nach Berlin einlade. Die individualisierte Medizin scheint Träume wahr werden zu lassen. Sie setzt auf Biomarker, also auf objektive Messgrößen, die auf verschiedenen organisatorischen Ebenen des Organismus erhoben werden können und zur „Bewertung von normalen biologischen Prozessen, von pathologischen Prozessen, von pharmakologischen Reaktionen auf eine therapeutische Intervention oder von Reaktionen auf präventive oder andere Gesundheitsinterventionen dienen, wie es in einem Bericht an den Deutschen Bundestag heißt.

Biomarker sollen erkrankten Menschen zu Diagnosen von ungekannter Präzision und zu einer darauf maßgeschneiderten Therapie verhelfen, die sie wieder gesund macht. Biomarker identifizieren die Patienten, die von einem Medikament profitieren, den übrigen bleibt die Einnahme erspart. "The drugs don’t work" – die meisten Medikamente wirken bei den meisten Patienten nicht – soll nicht mehr gelten. Hat die Number needed to treat ausgedient?

Biomarker ermöglichen individuelle Risikoprofile. Gesunden wird das Auftreten von Krankheiten wie Diabetes mellitus und koronare Herzkrankheit vorhergesagt, diese ändern daraufhin ihr Verhalten, beweisen damit Eigenverantwortung und bleiben gesund. Das würde die Prävention revolutionieren. Diese und andere Verheißungen haben das Konzept einer individualisierten Medizin zu einem beliebten, bestens ausgestatteten Forschungsbereich und einem aufstrebenden Wirtschaftsbereich gemacht. Dessen ungeachtet sind mehr Fragen offen als beantwortet. So sind Krankheit und Gesundheit Ergebnisse eines jeweils einzigartigen Kausalmechanismus, der aus biologischen, psychischen und sozialen Kausalfaktoren besteht. Welche Bedeutung haben die durch Biomarker bezeichneten Merkmale im Kausalmechanismus? Handelt es sich um notwendige oder gar hinreichende Kausalfaktoren? Bieten sie also Ansätze für effektive Interventionen? Werden überhaupt und – wenn ja – in welchem Ausmaß die Möglichkeiten verbessert, Gesundheit zu erhalten, Krankheit zu verhindern bzw. in ihrem Verlauf günstig zu beeinflussen? Wie hilfreich sind dem oder der Betroffenen "biomarkerbasierte prädiktiv-probabilistische Gesundheitsinformationen" für die Prävention? Erleichtert ihre Kenntnis tatsächlich den Abschied von ungünstigem Gesundheitsverhalten?

Die Evidenzbasierte Medizin ist derzeit die Grundlage für Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses. Sind die etablierten Methoden des Nachweises der klinischen Wirksamkeit, derer sich die EbM bedient, für Fragestellungen der individualisierten Medizin geeignet oder müssen hier andere Methoden angewandt und neue Maßstäbe angelegt werden? Taugen die Kriterien ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich und notwendig auch für die Bewertung der Leistungen einer individualisierten Medizin?

Oder soll unter dem Etikett "individualisierte Medizin" eine Gesundheitswirtschaft gefördert werden, in der Umsatz wichtiger ist als der Nutzen für den Patienten? An offenen Fragen mangelt es also nicht, auch nicht an weiteren Themen, wie z. B. Methoden in der EbM, Interessenkonflikte und Integrität der Wissenschaft, evidenzbasierte Physiotherapie. Auch Trainingskurse bieten wir wieder für verschiedene Zielgruppen an. Besonders freue ich mich darüber, dass das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin das Symposium "15 Jahre Leitlinien in Deutschland – Anspruch und Wirklichkeit" im Zusammenhang mit der Jahrestagung des DNEbM durchführt.

Somit sind die besten Voraussetzungen für einen spannenden und wissenschaftlich ergiebigen Jahreskongress gegeben. Ich würde mich freuen, Sie im März 2011 in Berlin begrüßen zu dürfen.

Ihr
David Klemperer
Tagungspräsident Vorsitzender des DNEbM