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Verbesserte hausärztliche Versorgung für Pflegeheimbewohner/innen durch neuorganisierte interprofessionelle Zusammenarbeit – das Projekt „SaarPHIR“
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Published: | October 2, 2019 |
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Hintergrund: In Deutschland ist jede/r vierte Pflegebedürftige in einer stationären Einrichtung untergebracht [1]. Verglichen mit Menschen, die zu Hause gepflegt werden, sind Bewohner von stationären Pflegeeinrichtungen im Durchschnitt älter und weisen größere Einschränkungen bei Aktivitäten des täglichen Lebens auf [2]. Die hausärztliche Routine kann diesem gesteigerten Versorgungsbedarf nicht mehr adäquat begegnen, häufig kommt es zu vermeidbaren Krankenhauseinweisungen. Im Rahmen des Projektes „SaarPHIR“ (Saarländische Pflegeheimversorgung Integriert Regelhaft) wird eine Versorgungsform (Intervention) geschaffen, die eine Neuorganisation der interprofessionellen Zusammenarbeit im Setting Pflegeheim vorsieht. In der Modellregion Saarland wird unter der Hypothese gearbeitet, dass Bewohner/innen von Pflegeeinrichtungen von einer strukturierten und standardisierten Vorgehensweise im Pflegealltag bzw. an der Schnittstelle zum Hausarzt profitieren. Dies soll sich primär in einer Reduktion von Krankenhauseinweisungen ausdrücken.
Bei SaarPHIR handelt es sich um ein aus der Praxis heraus entwickeltes Versorgungsmodell, das durch den Innovationsfonds gefördert und wissenschaftlich begleitet wird. Die Laufzeit beträgt drei Jahre ab April 2018.
Fragestellungen: Die wissenschaftliche Begleitung beschäftigt sich mit den nachfolgenden Fragen: Kann die neue Versorgungsform zu einer Reduktion von Krankenhauseinweisungen führen? Welchen Einfluss hat sie auf die Lebensqualität der Bewohner/innen? Wie wird sie von den am Versorgungsprozess beteiligten Professionen aufgenommen? Lassen sich die Ergebnisse auf andere Regionen Deutschlands übertragen?
Methode: Für die Beantwortung der genannten Forschungsfragen wurde ein Evaluationskonzept formuliert, das der Intervention in ihrer komplexen Form gerecht wird und sowohl eine Struktur- und Prozess- als auch eine Ergebnisevaluation berücksichtigt. Die Auswertung basiert zum Großteil auf Routinedaten von sieben Krankenkassen. Zusätzlich erhoben werden Primärdaten der Bewohner/innen, der teilnehmenden Ärzte/innen und Pflegekräfte (hier stellvertretend für ihre Einrichtung).
Ergebnisse: Das Evaluationskonzept orientiert sich an den Reifegraden der Intervention; das bedeutet, es begleitet sowohl die Entwicklung und Erprobung als auch die Implementierung bzw. Umsetzung der Intervention. Zusätzlich ist eine Follow-up Phase vorgesehen, in welcher die Nachhaltigkeit und Übertragbarkeit der Ergebnisse zur Beurteilung kommen.
Kernstück des Evaluationskonzeptes ist eine cluster-randomisierte kontrollierte Studie im Parallelgruppendesign, mit der über eine Dauer von 12 Monaten patientenrelevante Outcomes erhoben werden. Einbezogen werden 46 Pflegeeinrichtungen im Saarland (Anzahl Bewohner/innen n=4664) mit einer Größe von mindestens 50 Plätzen. Randomisiert wird auf Landkreisebene (n=6): Drei Landkreise erhalten die Intervention, drei Landkreise verbleiben in der Regelversorgung. Verblindungen sind nicht vorgesehen. Das Studiendesign wurde gewählt, da Veränderungen auf Organisationsebene und nicht auf Ebene der einzelnen Patienten begutachtet werden. Primärer Endpunkt sind Hospitalisierungen der beobachteten Gruppen, außerdem wird die Lebensqualität erfragt.
Durch Beobachtung und Bewertung des Entwicklungs- und Implementierungsgeschehens wird ebenfalls die Struktur- bzw. Prozessebene im Evaluationskonzept berücksichtigt. Hier ist speziell von Interesse, welche hemmenden und fördernden Faktoren sich abzeichnen bzw. wie die Akzeptanz unter den beteiligten Professionen einzuordnen ist. Die im Rahmen des Follow-up erhobenen Daten vervollständigen das Bild und ermöglichen die Nachhaltigkeit der Intervention und den damit einhergehenden Organisationswandel zu bewerten.
Die Datenerhebung erfolgt zu drei Zeitpunkten: Baseline (t0), nach sechs Monaten (t1), nach 12 Monaten (t2) und im Follow-up nach 18-21 Monaten (t3).
Diskussion: Bereits in einem frühen Projektstadium zeigt sich, dass die Implementierung bzw. Berichtsqualität der Daten von der Akzeptanz der beteiligten Professionen abhängen. Dies gilt auch für patientenrelevante Outcomes, da z.B. Einblick in die Pflegeakte vorgenommen werden muss. Evaluationsergebnisse stehen zum jetzigen Zeitpunkt aus, jedoch ist eine positive subjektive Einschätzung der teilnehmenden Ärzte/innen und Pflegekräfte dem Projekt gegenüber wahrzunehmen.
Praktische Implikationen: Die ärztliche Versorgung im Pflegeheim ist ein bislang wenig behandeltes Feld, das Optimierungspotential bietet. Durch die ganzheitliche Betrachtung im Rahmen der Evaluation kann eine breite Wissensbasis geschaffen werden, von der sich Erkenntnisse für die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkasse ableiten lassen.