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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Ökonomische Evaluation von Modellprojekten zur Versorgung psychisch kranker Menschen nach §64b SGB V – Herausforderungen und Lösungsansätze

Meeting Abstract

  • Roman Kliemt - WIG2 GmbH, Leipzig, Germany
  • Franziska Claus - WIG2 GmbH, Leipzig, Germany
  • Ines Weinhold - WIG2 GmbH, Leipzig, Germany
  • Stefanie March - Medizinische Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg, Germany
  • Anne Neumann - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Germany
  • Jochen Schmitt - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Germany
  • Enno Swart - Medizinische Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg, Germany
  • Dennis Häckl - WIG2 GmbH, Leipzig, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP025

doi: 10.3205/17dkvf287, urn:nbn:de:0183-17dkvf2873

Published: September 26, 2017

© 2017 Kliemt et al.
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Text

Hintergrund: Primäre Ziele von Modellprojekten zur Versorgung psychisch kranker Menschen nach § 64b SGB V sind die Verbesserung der Behandlungsqualität sowie ein effizienter Einsatz vorhandener Ressourcen.. Für die Evaluation dieser Modellprojekte eignen sich GKV-Routinedaten in besonderem Maße. Da bisher jedoch keine Empfehlung zur standardisierten Vorgehensweise für die routinedatenbasierte Kostenbewertung existiert, ist die Analyse mit besonderen methodischen Herausforderungen verbunden.

Fragestellung: In diesem Beitrag werden Herausforderungen bei der routinedatenbasierten Kostenbewertung von sektorübergreifenden Versorgungsmodellen systematisch aufgearbeitet. Am Beispiel der Evaluation von Modellprojekten nach § 64b SGB V, an der 89 gesetzliche Krankenversicherungen beteiligt sind, werden geeignete Vorgehensweisen zur Lösung dieser Probleme aufgezeigt.

Methode: Der für die ökonomische Bewertung zentrale Parameter ist die Kostenentwicklung, getrennt nach psychiatrischem und somatischem Bereich, in den Modellprojekten im Vergleich zur Regelversorgung. Dafür wurden durchschnittliche Kosten für voll-, teilstationäre und ambulante Leistungen sowie für Arznei- und Heilmittel ermittelt, die innerhalb eines Jahres vor und nach Eintritt eines Versicherten in ein Modellprojekt entstanden. Voll- und teilstationäre Kosten wurden bestimmt, indem die abgerechneten Beträge jeder Entgeltart (bspw. PEPP, psych. Pflegesätze, DRG) mit deren Anzahl multipliziert und die Produkte aller Entgeltarten aufsummiert wurden (inkl. Korrektur um Zu- und Abschläge bei Budgetabweichungen). Diese Kosten wurden den psychiatrischen Kosten zugeordnet, wenn die stationäre Behandlung in einer Abteilung für Psychiatrie oder Psychosomatik stattfand oder eine F-Diagnose als Hauptdiagnose dokumentiert war. Eine besondere Herausforderung lag in der Erarbeitung eines Mengengerüsts für ambulante Leistungen im psychiatrischen und somatischen Bereich. Da hier nicht nach Haupt- und Nebendiagnosen differenziert wird, und psychiatrische/psychosomatische Leistungen von Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen erbracht werden, musste für die Zuordnung der Kostenpositionen eine eigene Systematik entwickelt werden: Während abgerechnete Positionen Psychiatrischer Institutsambulanzen vollständig den psychiatrischen Kosten zugeordnet wurden, erfolgte die Zuordnung von Leistungen der Hochschulambulanzen auf der Basis einer Zuordnung arztgruppenspezifischer sowie übergreifender Gebührenordnungspositionen (GOP) zum psychiatrischen und somatischen Bereich. Nicht eindeutig bestimmbare GOP wurden anteilig anhand des relativen Anteils psychiatrischer Diagnosen an allen Diagnosen eines Versicherten den psychiatrischen Versorgungskosten zugeordnet. Die Zuordnung der Abrechnungspositionen ambulanter Leistungserbringer erfolgte in gleicher Weise: Wurde eine Leistung durch einen Facharzt mit eindeutigem Schwerpunkt (z. B. Psychiatrie / Psychotherapie) erbracht, erfolgte eine Zuordnung zu den psychiatrischen Kosten. Bei Ärzten, die sowohl psychiatrische als auch somatische Leistungen erbringen (z. B. Neurologen, Hausärzte), erfolgte eine Zuweisung eindeutig psychiatrischer GOP zu den psychiatrischen Kosten. Nicht eindeutig bestimmbare GOP wurden wiederum anhand des relativen Anteils psychiatrischer Diagnosen den psychiatrischen Versorgungskosten zugeordnet. Die Kosten vertragsärztlicher Leistungen wurden bestimmt, indem je Behandlungsfall die Punkte aller Leistungen mit dem jeweils gültigen Orientierungswert bewertet wurden. Die Kosten für Arzneimittel wurden durch das Produkt aus Bruttopreis und abgegebenen Einheiten ermittelt. Arznei- und Heilmittelkosten wurden den psychiatrischen Kosten zugeordnet, wenn die Verordnung durch einen psychiatrischen Facharzt erfolgte oder sich auf Basis der Pharmazentral- bzw. der Heilmittelpositionsnummer ein ATC-Code für Psychopharmaka bzw. eine therapeutische Leistung für psychisch Erkrankte zuordnen ließ.

Diskussion: Herausforderungen bei der Ermittlung von Versorgungskosten über GKV-Routinedaten bestehen weniger in der Bewertung der Kosten als vielmehr in der Zuordnung zu bestimmten Indikationen, da keine Einzelleistungsvergütung auf Basis von Diagnosen erfolgt. Dennoch kann eine mittels Routinedaten durchgeführte Evaluation wichtige Erkenntnisse zu den Kosten verschiedener Erkrankungen sowie den Auswirkungen neuer Gesundheitsleistungen liefern, auf deren Basis Aussagen zum effizienten Ressourceneinsatz im Gesundheitswesen möglich sind.

Praktische Implikationen: Bislang existieren weder standardisierte Empfehlungen noch in vergleichbarem Umfang auf Basis von GKV-Routinedaten kassenübergreifend durchgeführte Kostenanalysen. Die in diesem Beitrag vorgestellte Vorgehensweise kann anderen Wissenschaftlern eine Orientierung bei der gesundheitsökonomischen Evaluation von Versorgungskonzepten aus Krankenkassenperspektive bieten.