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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

PsychCare: Wirksamkeit sektorenübergreifender Versorgungsmodelle in der Psychiatrie – eine prospektive, kontrollierte multizentrische Beobachtungsstudie

Meeting Abstract

  • Anne Neumann - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Dresden, Germany
  • Bettina Soltmann - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Dresden, Germany
  • Sebastian von Peter - Medizinische Hochschule Brandenburg, Berlin, Germany
  • Yuriy Ignatyev - Medizinische Hochschule Brandenburg, Rüdersdorf, Germany
  • Stefanie March - Medizinische Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg, Germany
  • Ines Weinhold - WIG2 – Wissenschaftliches Institut für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung, Leipzig, Germany
  • Dennis Häckl - WIG2 – Wissenschaftliches Institut für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung, Leipzig, Germany
  • Enno Swart - Medizinische Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg, Germany
  • Marcel Romanos - Zentrum für Psychische Gesundheit, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
  • Martin Heinze - Medizinische Hochschule Brandenburg, Potsdam, Germany
  • Jochen Schmitt - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Dresden, Germany
  • Andrea Pfennig - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Dresden, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP224

doi: 10.3205/17dkvf214, urn:nbn:de:0183-17dkvf2147

Published: September 26, 2017

© 2017 Neumann et al.
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Text

Hintergrund: Psychiatrische Erkrankungen weisen einen chronisch-rezidivierenden Verlauf einhergehend mit erheblichen Einschränkungen der psychosozialen Funktionsfähigkeit auf und verursachen hohe direkte als auch indirekte Kosten. Eine adäquate Versorgung erfordert eine sektorenübergreifende und multiprofessionelle Behandlung dieser komplexen Erkrankungsbilder. Die Fragmentierung des deutschen Versorgungssystems und Zersplitterung der Finanzierung erschwert jedoch die Versorgung von Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen. Die im Rahmen des §64b SGB V etablierten Modellvorhaben sind auf eine Verbesserung der Patientenversorgung und eine sektorenübergreifende Leistungserbringung ausgerichtet. Elemente dieser Modelle -wie die psychiatrische Akut-Behandlung im häuslichen Umfeld- sollen laut des Gesetzes zur „Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen“ (PsychVVG) Eingang in die Regelversorgung finden. Bisher fehlt jedoch ein belastbarer Vergleich des Nutzens, der Kosten und der Effizienz zwischen Modell- und Regelversorgung. Eine große Parallelgruppenstudie (EVA64) untersucht mit GKV-Sekundärdaten die Wirksamkeit dieser Modelle gegenüber der Regelversorgung und wird wichtige Hinweise auf deren Effektivität und Kosten-Effektivität liefern. Da die EVA64-Studie ausschließlich Sekundärdaten zur Verfügung hat, leistet diese Studie einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Auswirkungen der Modellvorhaben auf den Patienten, Angehörigen und Behandler.

Fragestellung: Primäre Fragestellung: Weisen Patienten in der Modellversorgung 15 Monate nach Studieneinschluss eine höhere Lebensqualität und Behandlungszufriedenheit auf als entsprechende Patienten in der Regelversorgung und existieren Unterschiede im Ressourcenverbrauch?

Zu den sekundären Zielparametern gehören Unterschiede in der Veränderung der Symptombelastung, der beruflichen Integration, Arbeitsunfähigkeitstage, Recovery, Einbindung und Zufriedenheit mit klinischen Entscheidungsprozessen, Angehörigenbelastung, direkte und indirekte Kosten.

Methode: Es wird eine kontrollierte prospektive multizentrische Kohortenstudie mit drei Erhebungszeitpunkten durchgeführt (Baseline-Erhebung, Follow up nach 9 und nach 15 Monaten). Eingeschlossen werden Patienten, die in den teilnehmenden Kliniken (teil-)stationär aufgenommen werden oder sich zum ambulanten Kontakt vorstellen, und einer der folgenden Gruppen angehören: Erwachsene mit Suchterkrankung (1), affektiven Störungen (2) oder Schizophrenie (3), Kinder (6-17 Jahre) mit Verhaltensauffälligkeiten (4) und Jugendliche/junge Erwachsene mit Essstörungen (5) sowie zu jedem eingeschlossenen Patienten jeweils ein Angehöriger und ein Behandler. Neben der quantitativen Erhebung findet eine Prozessevaluation mit Hilfe von qualitativen Untersuchungen (Fokusgruppen- und Experteninterviews, Forschungstagebücher, ethnographische Feldforschung), eine Kosten-Effektivitäts-Analyse, Identifizierung von Qualitätsindikatoren und ein individuelles Linkage von Primär- und GKV-Sekundärdaten auf der Basis eines informed consent statt. Die GKV-Daten decken einen Zeitraum von zwei Jahren vor der Rekrutierung bis zum Ende des Follow-up ab. Mit dem Datenlinkage kann die Korrelation subjektiver und objektiver, sekundärdatenbasierter Outcome untersucht werden.

Es ist geplant, bei den Erwachsenen pro Untersuchungsgruppe und Modell/Kontrollgruppe je 321 Patienten und bei den Kindern/Jugendlichen 212 Patienten pro Untersuchungsgruppe und Modell/Kontrollgruppe in die Studie einzuschließen.

Ergebnisse: Vorgestellt wird das Studiendesign mit den einzelnen Modulen, die zum Einsatz kommenden Instrumente/Methodik/Sekundärdaten, die Ziehung der 10 Modellkliniken (Vertrag nach §64b SGB V) und das Matching der Kontrollkliniken. Die Studie beginnt am 01.07.2017 und die Baseline-Erhebung wird im Zeitraum 02.01. bis 30.06.2018 erfolgen.

Diskussion und praktische Implikationen: Die in den verschiedenen und methodisch breit angelegten Modulen gewonnenen Ergebnisse werden entscheidende Rückschlüsse für die Optimierung der Versorgung psychisch erkrankter Personen liefern. Durch die Untersuchung patientenrelevanter Outcomes aus Perspektive der Patienten, Angehörigen und Behandlern lassen sich Ableitungen für Neustrukturierungen der Versorgung treffen, die stärker am Patientenbedarf ausgerichtet sind und Elemente der Modellversorgung identifizieren, die kosteneffizient in der Regelversorgung implementiert werden können.