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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Netzwerkstrukturen und Zusammenarbeit zwischen Allgemeinmedizinern und Fachärzten am Beispiel seltener Erkrankungen

Meeting Abstract

  • Philippine Liffers - Universität Ulm, Institut für Allgemeinmedizin, Ulm, Deutschland
  • Marta Natan - Universität Ulm, Institut für Allgemeinmedizin, Ulm, Deutschland
  • Markus Gulich - Universitätsklinikum Ulm, Institut für Allgemeinmedizin, Ulm, Deutschland
  • Hans-Peter Zeitler - Universität Ulm, Institut für Allgemeinmedizin, Ulm, Deutschland
  • Anita Hausen - Universität Ulm/Universitätsklinikum Ulm, Institut für Allgemeinmedizin, Ulm, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP170

doi: 10.3205/15dkvf223, urn:nbn:de:0183-15dkvf2231

Published: September 22, 2015

© 2015 Liffers et al.
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Text

Hintergrund: Informations-und Erfahrungsaustausch spielt bei Seltenen Erkrankungen eine besonders wichtige Rolle. „Aufgrund der Seltenheit kommen nicht spezialisierte Mediziner kaum mit seltenen Krankheitsbildern in Kontakt und können somit keinen, für die Therapie notwendigen, Erfahrungsschatz aufbauen.“ [1]

Zwischen Haus-und Facharzt erfolgt der Informationsfluss zum Teil formell (Überweisungstext, Arztbrief), aber auch informell durch z. B. Anrufe. „Dem Hausarzt kommt hierbei eine koordinierende Schlüsselrolle in einer komplex vernetzten Struktur zu.“ [2]

Gerade bei der Diagnostik von komplexen und seltenen Krankheitsbildern sind meist mehrere Facharztgruppen beteiligt, die mit dem Hausarzt zusammenarbeiten [3], [4]. Über die Art der Zusammenarbeit zwischen Hausarzt als Primärversorger und Fachärzten, die denselben Patienten mit einer seltenen Erkrankung betreuen gibt es bislang nur wenige Kenntnisse und wird nun entlang des Projekts DENIES untersucht.

Fragestellung: An welchen Schnittstellen findet Kommunikation und Wissensaustausch zwischen Hausärzten und Kliniken sowie niedergelassenen Fachärzten statt?

Gibt es an bestimmten Stellen Informationsverluste zwischen den Facharztdisziplinen mit resultierenden Folgen für die Diagnostik und Therapie seltener Erkrankungen?

Was sind die Gründe für diese Informationsverluste und was wäre aus Sicht der Hausärzte sinnvoll bezüglich Kooperationen und Netzwerkstrukturen?

Gibt es bereits funktionierende regionale Netzwerke und werden diese angenommen?

Methode: Die Strategie des Projektvorhabens basiert auf einem explorativen und beschreibend angelegten Ansatz. Die Daten wurden im Rahmen des vom BMG geförderten Projekts „DENIES- Diagnoseweg seltener Erkrankungen in der Primärversorgung“ durch qualitative Einzelbefragung mit einem halbstrukturierten Interviewleitfaden erhoben. Insgesamt befragten wir 35 Hausärzte, die an der Diagnostik einer seltenen Erkrankung beteiligt waren sowie 35 Patienten, welche an einer seltenen Erkrankung leiden. Die Patienten mussten bei Diagnosestellung über 18 Jahre alt sein. Tumorerkrankungen schlossen wir aus. Zusätzlich wurden strukturelle Faktoren mittels Auskunftsbogen erfasst. Die Auswertung erfolgte mithilfe des Programms MAXQDA sowie anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring. Der Auskunftsbogen wurde mit SPSS ausgewertet.

Ergebnisse: Insgesamt entstanden bei den Hausarztinterviews der Studie DENIES 93 Codes, die ausgewertet wurden. 14 Codes wurden zur Gewinnung der Daten für o. genanntes Projekt ausgewertet. Erste Ergebnisse zeigen, dass es einen Informationsverlust an den Schnittstellen Hausarzt- Klinik sowie Hausarzt- niedergelassener Facharzt gibt. Hausärzte wünschen sich mehr Kooperation und Integration mit Kliniken und niedergelassenen Fachärzten wie z. B regelmäßige Treffen zum Kennen lernen und Hürdenabbau. Oftmals beschreiben die Hausärzte den Austausch zwischen Ihnen und den mitbehandelnden Fachkollegen als verbesserungswürdig und nennen konkrete Vorschläge zur Optimierung wie z.B. eine verbesserte telefonische Erreichbarkeit zu festen Sprechzeiten, sowie engere Einbindung in die Therapie.

Die Projekte NAMSE(Nationaler Aktionplan für Menschen mit seltenen Erkrankungen) sowie die Lotsenfunktion für seltene Krankheitsbilder ACHSE Lotse an der Charité war keinem der befragten Ärzte bekannt, was auf eine mangelnde überregionale Information hindeutet.

Die unzureichende Kommunikation und Vernetzung der Ärzte ist einer der Gründe für eine Verzögerung der Diagnosestellung und Einleitung der richtigen Therapie gerade bei seltenen und komplizierten Erkrankungen.

Diskussion: Die Ergebnisse liefern aufschlussreiche Erkenntnisse zum aktuellen Stand der Vernetzung und Zusammenarbeit der Hausärzte und Fachärzte bei seltenen Erkrankungen in Deutschland.

Praktische Implikationen: Aus den Ergebnissen können Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit und Netzwerkbildung zwischen Haus-und Fachärzten bei seltenen Krankheitsbildern oder bei komplexen Krankheitsverläufen entwickelt werden. Somit können die Erkenntnisse für politische Entscheidungsträger interessant sein.

Die Ergebnisse können Grundlage zur Bildung von Gesundheitsnetzwerken in Baden- Württemberg sein.


Literatur

1.
Eidt, et al. Maßnahmen zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation von Menschen mit Seltenen Erkrankungen. 2009. S. 128.
2.
Bösner S, et al. From Family Practitioner to Specialist – Actual Data on Referral Behaviour and Motives. 2011. S. 1.
3.
Wetterauer B, Schuster R. Seltene Krankheiten; Probleme, Stand und Entwicklung der nationalen und europäischen Forschungsförderung. Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz. 2008;51(5):519-528.
4.
von Kries R, Klar R. Seltene Erkrankungen – von der Forschungs- zur Patientenperspektive. Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz. 2008;51:479-480.